Der Moment, in dem eine Mutter ihr Neugeborenes das erste Mal in den Armen halten darf, gehört zu den emotional ergreifendsten im Leben einer Frau. Besonders die ersten Stunden nach der Geburt sollten von Glück geprägt sein.
Für eine unserer echten Mamas, Susann, waren die Tage nach der Geburt ihres Sohnes Lasse jedoch die schlimmsten in ihrem Leben. Ihr Sohn erlitt eine Gehirnthrombose und musste sich zurück ins Leben kämpfen.
Das ist Susanns und Lasses Geschichte:
„Ich hatte eine unkomplizierte Schwangerschaft. Lediglich mein Blutdruck war relativ hoch – dies war aber mit Medikamenten gut in den Griff zu bekommen. Mein Baby im Bauch schlief sehr viel. Beim CTG zum Beispiel musste es meistens geweckt werden. Mein Mann und ich haben ihm deshalb den Spitznamen ‚Schläfer‘ gegeben. „Da kommt er eben nach seinem Papa“, dachte ich amüsiert.
Es war nie die Rede davon, dass irgendwas nicht stimmen könnte. Wir erwarteten einen gesunden Jungen und freuten uns wahnsinnig.
Und dann kam er, der Tag, an dem die Fruchtblase platzte. Nachts um halb zwölf, an einem Montag. Wir machten uns auf den Weg ins Krankenhaus, und ich hatte eine schnelle und spontane Geburt. Dienstagmorgen um 07:23 Uhr erblickte mein kleiner Prinz Lasse das Licht der Welt. Sofort bekamen wir den ersten Schock: Die Nabelschnur hatte sich um seinen Hals gewickelt, und es dauerte gefühlt ewig, bis er Luft holen konnte und schrie.
Als er schrie, war ich völlig aufgelöst. Sein Schreien war das tollste Geräusch, das ich je gehört hatte. Mein Mann und ich waren überglücklich. Dann kamen die ersten gemeinsamen Stunden als Familie. Wir lernten uns kennen, kuschelten und waren überwältigt von unseren Gefühlen.
Doch schon in der ersten Nacht gab es wieder Probleme. Lasse bekam schlecht Luft und war verschleimt. Wir schliefen sehr wenig. Glücklicherweise wurde es am Morgen besser und wir waren mehr als erleichtert. Es ging meinem kleinen Schatz wieder gut. Alles war relativ entspannt und ruhig – bis zum Nachmittag.
Am Nachmittag begann unser Weg durch die Hölle: Lasse fing immer wieder an zu schreien. Er schlief 20 Minuten, dann schreckte er schreiend hoch. Vom Nachmittag bis zum Abend und die ganze Nacht über.
Als frisch gebackene Erstlingsmama fühlte ich mich überfordert und klingelte mehrmals nach den Schwestern. Die Schwestern aber meinten, dass Lasse wahrscheinlich nur Bauchweh habe und dies für Babys nicht ungewöhnlich sei.
Lasse schrie und schrie und schrie.
Und wir wurden am Donnerstag – drei Tage nach der Geburt – mit einem angeblich gesunden, aber immer noch schreienden Kind, entlassen.
Die Fahrt nach Hause verlief überraschend ruhig, und auch Zuhause waren wir erstmal mit Ankommen beschäftigt. Ich machte es mir mit meinem Sohn auf dem Sofa gemütlich, um ihn entspannt stillen zu können.
Und dann passierte es: Lasse hörte plötzlich auf zu atmen und lief blau an. Mein Mann reagierte sofort und rief den Notarzt, der nur wenige Minuten später eintraf.
So war also unser Ankommen zu Hause – fünf Ärzte und Sanitäter in unserem Wohnzimmer, die versuchten, unserem Sohn das Leben zu retten.
Lasse atmete wieder – und kämpfte und kämpfte und kämpfte.
Mein Mann erzählte mir hinterher, dass ich leichenblass war. Ich wollte nur noch heulen und schreien – ich wusste ja nicht, was mit meinem Baby ist! Aber irgendwie funktionierte ich.
Der Horror ging weiter. Die Sanitäter fuhren Lasse zur Sicherheit ins Krankenhaus, und ich fand mein kleines Mäuschen auf einer riesigen Untersuchungsliege wieder.
Der nächste Atemaussetzer folgte und gleichzeitig fing mein kleiner Sohn an zu krampfen. Das war der Moment, in dem ich nicht mehr konnte und zusammenbrach. Wie soll eine Mutter, im Bann ihrer Gefühle und Hormone, so etwas ertragen? Überall war Blut, weil die Ärzte versucht hatten, Lasse Blut abzunehmen. In diesem Moment kam mir alles nur noch furchtbar vor.
Die Untersuchung des Blutes zeigte, dass Lasse ein starke Neugeborenen-Iinfektion hatte und extrem unterzuckert war. Er kam sofort auf die Neointensivstation, da er weitere Atemaussetzer hatte. Die Ärzte verabreichten ihm Antibiotika und Arznei gegen das Krampfen.
Nach einem Ultraschall vom Kopf erhielten wir die nächste Hiobsbotschaft: Lasse hatte eine schwere Hirnblutung erlitten. Beide Hohlräume im Gehirn, die Ventrikel, waren voll mit Blut. Gott sei Dank war kein Gewebe betroffen.
Die starke Hirnblutung erklärte, warum er die ganze Zeit so geschrien hatte: Er musste wahnsinnige Kopfschmerzen gehabt haben. Der Druck im Kopf muss enorm gewesen sein.
Dann wurde ein MRT angesetzt, um festzustellen, was die die Gehirnblutungen verursacht hatte. Anschließend erhielten wir die Diagnose: Mein Sohn hatte eine Gehirnthrombose.
Er hatte genau genommen mehrere Thrombosen in einer Vene im Kopf – also Blutgerinnsel, die ihm die Adern verstopften. Ich hätte nie gedacht, dass so ein kleines Wesen schon Thrombosen haben könnte.
Wir waren erschüttert und konnten uns das alles nicht erklären. Zumindest hatten wir jetzt eine Diagnose und wussten, was los war. Durch die Antibiotika ging es Lasse schnell besser und er hatte keine Atemaussetzer mehr.
Für meinen Mann und mich war es jedes Mal sehr hart, Lasse in seinem Krankenhausbettchen zu sehen. Mein kleiner Sohn lag da, verkabelt und mit einem Monitor verbunden. Ich konnte ihn nicht alleine auf den Arm nehmen, konnte ihn nicht einfach so wickeln, nicht stillen. Aber langsam ging es ihm besser, das war das Wichtigste.
Ein paar Tage später durfte Lasse dann auf die Kinderstation ziehen. Endlich konnte ich meinen Kämpfer Tag und Nacht bei mir haben, mit ihm kuscheln und ihn selbst versorgen. Und Lasse machte großartige Fortschritte. Alles schien sich gut zu entwickeln, nur die Thrombosen im Gehirn wollten sich nicht lösen.
Die Ärzte rieten zu Blutverdünnern. Das Risiko hierbei war allerdings hoch, denn die Blutungen im Gehirn hätten sich verschlimmern können. Aber ohne die Blutverdünner wiederum hätten sich die Thrombosen verschlimmern können. Also entschieden wir uns trotz der Risiken für blutverdünnende Maßnahmen. Ab diesem Zeitpunkt bekam Lasse Blutverdünner gespritzt, ins Bein, morgens und abends.
Und zusätzlich sein Medikament gegen die Krämpfe, denn er hatte immer noch regelmäßige Zuckungen.
Die Therapie schlug an. Schnell wurde unser tapferes Baby von Tag zu Tag aufmerksamer und fitter – er hatte gekämpft und es geschafft! Nach gefühlt ewig langen vier Wochen durfte ich mit meinem kleinen Kämpfer nach Hause. Ich musste ihm zwar noch vier Monate lang täglich Spritzen verabreichen, auch das Krampfmittel bekam er noch, aber das war ok. Ich war mit meinen Aufgaben gewachsen.
Lasse bekam Physiotherapie und entwickelte sich prächtig. Es ist ein Wunder, dass er hat keine bleibenden Schäden davon getragen hat. Er ist ein kleiner, aufgeweckter und frecher Junge, wie es Kinder in seinem Alter sein sollten.
Für mich ist es immer noch unvorstellbar, wenn ich an diese schreckliche Zeit zurückdenke. Mein Lasse ist ein Wunder. Das Drama ist jetzt zwei Jahre her, aber darüber hinweg bin ich noch nicht.
Wenn man sein Kind fast verliert, vergisst man das nie.
Es war das Härteste, das ich je erlebt habe. Ich bin stolz auf meinen Sohn und auf das, was er alles gemeistert hat. Und ich bin stolz auf mich, weil mir bewusst geworden ist, wie stark ich sein kann.
Unsere Geschichte hat mich zum Nachdenken gebracht. Heute kann ich wirklich genießen, was ich habe. Und das tue ich, jeden Tag.“</strong