Wisst ihr eigentlich, was ich als Mama vor der Arbeit schon alles hinter mir habe?

Ja, ihr lieben Arbeitskollegen, ich komme ins Büro gehechelt und muss mir erstmal die Haare kämmen. Mein Magen knurrt und ich habe weder einen Kaffee getrunken noch gefrühstückt. Sitze ich dann und fahre den Computer hoch, habe ich die erste ruhige Minute des Tages.

Während sich Leute ohne Kinder morgens im Bett nochmal ausstrecken oder in Ruhe ihren Kaffee trinken, sind Mamas wie ich schon seit Stunden in Aktion. Um 9 Uhr fühle ich mich bereits, als hätte ich einen Marathon hinter mir.

Glaubt ihr nicht? Dann schaut mal, wie der ganz normale Morgen-Wahnsinn mit zwei Kindern aussieht:

5:38 Uhr

Kind zwei (1,5 Jahre) liegt neben mir und macht komische Geräusche. Grunzt er? Oder schnarcht er? Meine Hoffnung, dass es Schlafgeräusche sind, verfliegt, als er ein fröhliches „Dada gaga puiii“, von sich gibt. Och nö, Kind. Ich hab doch noch 42 Minuten! Also Schnuller rein, Händchen streicheln. Dabei schlafe ich wieder ein. Und er auch.

6:20 Uhr

Mein Wecker klingelt. Ich drücke ihn weg. 10 Minuten noch. Kind zwei liegt auf meiner Hand und schnarcht.

6:21 Uhr

Kind eins (5) steht im Raum: „Mama, es ist schon fast ganz lange hell und mir ist total langweilig! Stehst du jetzt auf?“ „Hüpf“ sage ich. „Gleich, ok? Du kannst ja schon mal deine Klamotten raussuchen.“ (Welchen Fehler ich damit begehe, werde ich erst in 15 Minuten merken).

6:30 Uhr

Mein Wecker klingelt zum zweiten Mal. Ich höre meinen Mann in der Küche scheppern. Immerhin, er macht die Frühstücksdosen für den Kindergarten fertig. Guter Mann! Aus dem Kinderzimmer ertönt Gesang.

Kind zwei schnarcht.

6:35 Uhr

Kind eins ist nackt. Vor ihr liegen 21 Unterhosen und 18 Unterhemden. Akkurat auf dem Boden ausgebreitet. „Ich weiß nicht, was zusammen passt“, jammert sie. Ich kann sie ja verstehen, ist alles verwirrend. Bin ich besser? Nein, aber trotzdem. Nackt im Winter muss nicht sein. Bitte entscheide dich, Kind.

Kind zwei schnarcht.

6:43 Uhr

Kind eins hat nach einem Wut- und einem Heul-Anfall eine Entscheidung getroffen und trägt nun immerhin Unterwäsche. Nächster Level: Hose oder Strumpfhose? Pullover, Kleid oder Strickjacke? Ich berate meine Tochter von Frau zu Frau und bewege sie zu einer Jeans-Pulli-Kombi in Blau/Rosa. Puh.

Kind zwei schnarcht.

6:55 Uhr

Ich bin halb angezogen und gucke ins Kinderzimmer. Kind eins trägt Unterwäsche. Mein Frau-zu-Frau-Rat war nicht umsetzbar, weil der rosa Pulli plötzlich kratzte. Meine kleine Mini-Frau starrt nachdenklich in die Hosen-Schublade.

Kind zwei schnarcht. 

7:01 Uhr

Kind eins zieht sich ihr Kleid über das Langarm-Shirt. Kaum guckt ihr Kopf oben heraus, beschwert sie sich: „Ich hab solchen Hunger, Mama! Wann können wir denn endlich frühstücken? Ich halte es jetzt wirklich nicht mehr aus!“

Mein Mann verabschiedet sich. Ihn erwartet eine ruhige Bahnfahrt und ein klar strukturierter Tag im Büro. Jeder, mit dem er in Kontakt kommt, kann sprechen und bekommt bestimmt keinen Wutanfall bei Meinungsverschiedenheiten. Ich beneide meinen Mann. 

Kind zwei schnarcht.

7:05 Uhr

Kind eins sitzt am Tisch und schiebt sich den ersten Löffel Müsli in den Mund. Ich habe eine heiße Tasse Kaffee vor mir. Und schaue auf die Uhr. Es hilft nichts, ich muss Kind zwei jetzt wecken. „Ich komm mit“, verkündet Kind eins, anscheinend gar nicht mehr hungrig.

Kind zwei schnarcht, als wir zu ihm kommen. Und schreit empört auf, als Kind eins ihn zärtlich am Arm zerrt. Naja, hilft nichts, keine Zeit für Erziehung jetzt. Ich nehme den Langschläfer auf den Arm, schicke Kind eins an den Frühstückstisch. Kind zwei braucht jetzt mal kurz seine Aufwach-Kuschel-Einheit. 

7:15 Uhr

Ich versuche, Kind zwei zu wickeln. Es ist, genau wie Kind eins, ein Freikörper-Fan. Er windet sich unter meinen Händen weg und tappst nackig in die Kuschelecke. Um dort der Natur freien Lauf zu lassen. Fluchend wische ich seine Hinterlassenschaft mit Feuchttüchern auf. Bringt natürlich nichts, auf dem Stoff der Matratze.

Vom Frühstückstisch ruft Kind eins. Klar, wer frühstückt schon gerne allein?

7:18 Uhr

Kind zwei sitzt auch am Frühstückstisch. Nachdem er sein Revier im Kinderzimmer markiert hat, war er erstaunlich gelassen und ließ sich fast ohne Gemecker wickeln und anziehen.

Kind eins meckert dagegen, dass es zu wenig Rosinen im Müsli hat. Und beginnt, diese einzeln aus der Müsli-Dose zu fischen. Nach der dritten nehme ich ihr die Dose weg. Sie soll jetzt frühstücken.

Kind zwei hat unterdessen die Müsli-Schüssel umgedreht. Sie war natürlich noch voll.

7:20 Uhr

Während ich knurrend das Müsli vom Boden aufwische, bewirft Kind zwei mich mit dem Rest-Müsli-Matsch, der auf dem Tisch gelandet war. Kind eins gackert. Wie schön, dass die beiden ihren Spaß haben. 

Foto: Bigstock

7.31 Uhr

Beide Kinder haben gefrühstückt. Ich natürlich nicht. Mal wieder schlechtes Vorbild gewesen. Aber wann bitteschön, soll ich essen, wenn ich es nicht mal schaffe, meinen Kaffee zu trinken. Die volle Tasse steht vor mir. Kalt.

7:32 Uhr

Die Kinder stürmen ins Wohnzimmer und spielen mit der Autogarage. Einträchtig, voller Harmonie. Nie, nie, nie machen sie das sonst. Nur morgens. Aber sie sind so süß.

„Hey, Leute, Zähneputzen!“, rufe ich. „Wer ist Erster im Bad?“ „Mama, wir machen kein Wettrennen durch die Wohnung!“, belehrt mich Kind eins. Ja, sorry, ich dachte, das motiviert vielleicht… dass sie aber auch immer dann so vernünftig ist, wenn es so gar nicht passt. Kind zwei schiebt konzentriert Autos auf dem Boden hin und her. Ich streiche ihm über den Kopf, säusele ihm ins Ohr, nehme ihn ganz sanft auf den Arm – und marschiere mit ihm ins Bad. Entrüstet haut er mir ein Auto gegen den Kopf.

7:36 Uhr

Kind zwei hat sich mehr oder weniger brav seine neuneinhalb Zähne putzen lassen. Jetzt versucht er, auf die Toilette zu klettern. Ich rufe Kind eins.

7:40 Uhr

Kind eins erscheint im Bad und bekommt von mir die fertige Zahnbürste gereicht. „Ich muss erstmal aus dem Fenster gucken“, verkündet es. „Ähm, nein, du putzt jetzt Zähne!“ erwidere ich. „Ähm nein, ich guck jetzt aus dem Fenster!“ äfft sie mich nach. Und ruft: „Da kommt die Müllabfuuuuhr!“ Kind zwei hat die Toilette erklommen und kann nun auch aus dem Fenster gucken. Beide bestaunen die Müllabfuhr. Ich putze Kind eins die Zähne, ohne die Zähne sehen zu können. Weil sie den Kopf nicht vom Fenster abwendet. Ich ermahne und schimpfe. Ok, hilft nix. Die Zähne sind bestimmt irgendwie sauber geworden. Gesichter waschen und ab, anziehen!

(Wir haben, bis wir los müssen, immer noch 20 Minuten Zeit. Aber das habe ich gelernt: Im Winter dauert das Anziehen für draußen eeeewig! Deshalb plane ich dafür so viel Zeit wie möglich)

7:45 Uhr

Wir sitzen im Flur und suchen Handschuhe. Wir finden Sommerhüte, ein altes Halstuch von mir und Turnschuhe, die keinem Kind passen. „Die will ich anziehen“, bettelt Kind eins.  Ich kann sie überzeugen, ihre Stiefel anzuziehen, während ich Kind zwei einfange, das mit seinen Stiefelchen ins Wohnzimmer stürmt und weiter mit den Autos spielen will.

7:47 Uhr

Kind eins hat zwar seine Stiefel jetzt an, aber die Matschhose noch nicht. Also Stiefel wieder ausziehen, Hose an. Gejammer und Gemecker, weil die Jeans unter der Gummihose hochrutscht. Ich halte Jeans-Beine unter Gummi-Hosen-Beinen fest. Kind zwei geht wieder zu den Autos. Ich hole ihn zurück und schließe die Wohnzimmertür. Kind zwei bekommt den größten Trotzanfall seiner Kindheit.

7:58 Uhr

In zwei Minuten müssen wir das Haus verlassen. Der Kindergarten hat feste Bringzeiten. Das ist kein Spaß, vor einer Erzieherin zu stehen, die vorwurfsvoll auf ihre Uhr tippt. Es fehlen noch drei Handschuhe, eine Mütze, mein Schlüssel und meine gute Laune.

8:02 Uhr

Wir stehen vor der Haustür. Es ist eiskalt. Zu kalt, als dass meine Tochter mit dem Fahrrad fahren kann. Also beide Kinder in den Fahrradanhänger setzen und los.

8:15 Uhr

Ankunft am Kindergarten. Was ich nicht bedacht habe: Wenn meine Tochter nicht selbst radelt, sind wir viel schneller.

Wir sind tatsächlich rund 15 Minuten zu früh. Und die Erzieherin guckt mich vorwurfsvoll an.

Laura Dieckmann

Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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