Baby aus dem Reagenzglas: Wenn nur eine künstliche Befruchtung mit ICSI den Kinderwunsch erfüllen kann

Was für ein großes Glück es ist, ohne besondere Schwierigkeiten schwanger zu werden, erkennt man oft erst, wenn es einfach nicht klappen will. Viele Paare, deren Kinderwunsch auf natürlichem Wege nicht in Erfüllung geht, wählen eine künstliche Befruchtung mit ICSI oder IVF. Doch das Prozedere mit Eizell- und Spermaentnahme und -einsetzen ist für die meisten sehr belastend und anstrengend.

Diese Erfahrung musste auch ein Mama aus unserer Community machen, die uns hier anonym ihre Geschichte erzählt:

„Schon zu Beginn unserer Beziehung war meinem Partner und mir klar, dass wir eine Familie gründen wollten. Mein Partner ist deutlich älter als ich, deshalb wollte vor allem er nicht lange warten, um nicht zu alt für ein Kind zu sein. Als wir zwei Jahre zusammen waren, schien für uns der perfekte Zeitpunkt gekommen, es zu versuchen.

Doch es klappte nicht. Wir hatten es schon kommen sehen, denn bei uns beiden waren die körperlichen Voraussetzungen nicht optimal. Mein Partner hat einen Gendefekt wegen dem er weibliche Hormone einnehmen muss. Bei mir war einige Jahre zuvor eine Endometriose und das Syndrom polyzystischer Ovarien festgestellt worden. Ersteres bedeutet, dass sich die Gebärmutterschleimhaut auch außerhalb der Gebärmutterhöhle befindet. Letzteres ist eine Stoffwechselstörung, die zu Zyklusstörungen und zu Unfruchtbarkeit führen kann.

Alle diese Bedingungen verringern die Wahrscheinlichkeit stark, auf natürlichem Wege schwanger zu werden. Deshalb war uns eigentlich von Anfang an klar, dass es auf eine künstliche Befruchtung hinauslaufen würde.

Von meinem Frauenarzt bekam ich eine Überweisung in eine Kinderwunschklinik. Nach zwei Gesprächsterminen fühlten wir uns dort jedoch überhaupt nicht wohl. Wir sind nicht verheiratet und somit Selbstzahler. Die Klinik ließ uns deutlich spüren, dass es sich für sie um ein reines Geschäft handelte und wir fühlten uns wie „Ware“.

Im Internet schaute ich mich deshalb nach Alternativen um und fand eine weitere Klinik. Dort fühlten wir uns direkt sehr wohl und viel besser aufgehoben als in der ersten. Deshalb beschlossen wir, hier eine künstliche Befruchtung zu wagen.

Bevor es wirklich losgehen konnte, wurden einige Voruntersuchungen gemacht. Mein Mann musste zwei Spermiogramme machen, bei denen sein Samen genau untersucht wurde. Bei mir wurden eine Bauchspiegelung sowie unzählige Blutanalysen gemacht.

Es stellte sich heraus, dass die Spermien meines Mannes aufgrund seiner genetischen Kondition sehr, sehr langsam sind. Sie schafften es einfach nicht, selbstständig die Eizelle zu erreichen, um sich dort einzunisten.

Für uns kam deshalb statt der klassischen IVF (In-vitro-Fertilisation) nur eine künstliche Befruchtung mit ICSI (Intrazytoplasmatische Spermieninjektion) infrage. Die Erfolgsrate bei ICSI hängt von vielen Faktoren ab, liegt aber im Schnitt nur bei 20 Prozent.

Bei der ICSI wird eine entnommene Eizelle mit einem einzelnen Spermium befruchtet,  das mit einer sehr feinen Nadel direkt in die Eizelle injiziert wird. (Bei der IVF dagegen finden Spermien und Eizelle im Reagenzglas selbst zueinander. Diese Methode wäre aufgrund der schwachen Spermien meines Partners auch im Glas wenig erfolgsvorsprechend gewesen).

Es war also alles geklärt und seitens der Klinik hätten wir sofort loslegen können. Doch ich bekam Zweifel. Ich hatte große Probleme, mich mit dem Gedanken anzufreunden, ein Kind aus dem Reagenzglas zu bekommen.

Auch wenn es eigentlich von vornherein klar war, wollte ich es nicht wirklich wahrhaben. Ich kämpfte vier Wochen lang mit mir. Doch der Wunsch, ein Baby zu bekommen war schließlich so stark, dass ich alles dafür tun wollte, was nötig wäre.

Die ICSI wurde in der Kinderwunschklinik durchgeführt. Dort begann die für mich furchtbarste Zeit meines Lebens!

Ich musste mir zwölf Tage lang Hormone in den Bauch spritzen. Das war der blanke Horror für mich, denn ich habe eine ausgeprägte Spritzenphobie. Doch ich hielt durch.

Jeden zweiten Tag musste ich nach der Arbeit zur Klinik fahren, um die vorgegebenen Kontrolltermine wahrzunehmen. An diesen Tagen legte ich 200 Kilometer zurück. Es war der reinste Stress und ein unglaublicher Zeitaufwand.

Das Schlimmste jedoch waren die Nebenwirkungen der Hormone. Ich litt unter starken Stimmungsschwankungen, die mir und meinem Partner das Leben schwer machten und unsere Beziehung auf eine harte Probe stellten. Doch mein Partner unterstützte mich liebevoll und verstand, dass das nicht wirklich ich war sondern die Hormone.

Als ich endlich die letzte Spritze setzen musste, die den Eisprung auslösen sollte, war ich sehr nervös und aufgeregt. Anschließend wurden mir mittels einer Punktion Eizellen aus dem Unterleib entnommen. Ich bekam dafür eine Vollnarkose. Zwei Eizellen wurden mir drei Tage später befruchtet wieder eingesetzt.

Nach einer gefühlten Unendlichkeit kam die Zeit für den Schwangerschaftstest. Ich machte ihn Zuhause und als er tatsächlich positiv war, weinte ich vor Freude. Ich konnte es kaum glauben. Es hatte tatsächlich geklappt!

So sieht eine künstliche Befruchtung mit ICSI unter dem Mikroskop aus. Mit einer sehr feinen Nadel wird das Spermium direkt in die Eizelle eingebracht. Foto: Bigstock

Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass mein Glück nur von kurzer Dauer sein würde.

Zwei Tage nach dem Test musste ich in die Klinik zur Blutabnahme um den hCG-Wert zu bestimmen. Das Human Chorion Gonadotropin-Hormon ist dafür zuständig, dass die Schwangerschaft erhalten bleibt. Später rief mich eine Klinikmitarbeiterin an, um mir mitzuteilen, dass der Wert mit 47 zu niedrig war und ich mir deshalb nicht allzu viel Hoffnung machen dürfte. Sie sollte Recht behalten. In der sechsten Woche war alles vorbei.

Mir ging es sehr, sehr schlecht danach. Ich konnte nicht mehr klar denken und war total neben der Spur. Die Hormone, die zerstörte Hoffnung, all das hatte mich gebrochen. Ich sagte meinem Mann, ich würde das alles nicht nochmal auf mich nehmen können. Weder körperlich noch mental.

Doch er gab nicht auf und redete mir gut zu. Immer wieder sagte er, es habe doch schon ein Mal geklappt und jetzt wisse der Körper, was zu tun sei. Bestimmt würde es beim nächsten Mal funktionieren! Er hatte so viel Verständnis und war für mich da, munterte mich auf und hielt meine Launen aus. Er gab mir die Kraft, mich letztendlich doch für einen zweiten Versuch direkt im Anschluss zu entscheiden.

Die zweite künstliche Befruchtung mit ICSI stand an und ich versuchte, meine Ängste in Schach zu halten und mir selbst Hoffnung zu machen. Doch es fiel mir schwer. Zwischendurch wollte ich die Behandlung immer wieder abbrechen.

Ich frage mich noch heute noch, wie ich das durchgehalten habe.

Ich erhielt nun andere Medikamente und musste mir statt einer nun täglich zwei Spritzen setzen. Außerdem bekam ich vier Wochen vor dem Befruchtungsversuch eine Spritze wegen meiner Endometriose. Sie verursachte eine zehntägige Dauermigräne mit Erbrechen.

Durch die Hormonbelastung war ich extrem aggressiv und schnell gereizt. Ich war teilweise depressiv und hasste meinen Körper dafür, dass ich nicht auf normalem Weg schwanger werden konnte und dass er das erste Kind verloren hatte.

Außerdem hatte ich durch die Hormone acht Kilogramm zugenommen und litt unter starken Unterleibsschmerzen, die durch die Bildung der Eizellen verursacht wurden.

Als diese mit einer Punktion endlich entnommen wurden, hatte ich viel Wasser im Unterleib. Die Ärzte überlegten deshalb, die befruchteten Eizellen lieber einzufrieren, und sie mir später wieder einzusetzen. Doch ich bestand darauf, die Behandlung wie geplant durchzuführen, auch wenn das Risiko bestand, im Falle einer Schwangerschaft noch mehr Wassereinlagerungen zu bekommen.

Zuhause ließ ich mich gehen. Ich war vollkommen lustlos, körperlich und mental am Ende. Wie sollte ich bloß die zwei Wochen bis zum Bluttest aushalten?

Zehn Tage schaffte ich es irgendwie, dann machte ich den Test, als mein Mann auf der Arbeit war. Er war positiv! Ich schöpfte neue Kraft. Hatte mein Mann doch Recht? Wusste mein Körper jetzt wirklich, was er machen musste?

Eine künstliche Befruchtung mit ICSI belastet mental und körperlich. Foto: unplash by mmpr

Ich betete. Es war ein absolutes Gefühlschaos.

Der anschließende Bluttest ergab diesmal einen hCG-Wert von 109 und er stieg auch weiterhin super an. Dann kam der erste Ultraschall. Endlich sah ich unser Baby und brach sofort in Tränen aus. Ich konnte nur noch Weinen – vor Glück und gleichzeitig aus Angst, es wieder verlieren zu können.

Diese Angst ließ mich nicht mehr los, doch sie ging Hand in Hand mit einer neuen, starken Hoffnung, dass alles gut werden würde.

Dann war es endlich soweit: Wir wurden Mutter und Vater eines kleinen Jungen. Nach der schlimmen Hormonbehandlung wurden wir endlich belohnt. 

Ich bin so dankbar für unser Wunschkind. Und wie gern würden wir ihm ein Geschwisterchen geben. Doch obwohl ich immer mehrere Kinder haben wollte, weiß ich nicht, ob ich eine künstliche Befruchtung mit ICSI noch einmal durchhalte. Die Angst vor dem, was da erneut auf mich zukommen würde, ist einfach zu groß.

Anderen Paaren, die eine künstliche Befruchtung vor sich haben, rate ich, sich vorher bewusst zu machen, was sie auf sich nehmen und dass es die Beziehung stark belasten wird. Die Behandlung verändert einen und wirkt sich somit unmittelbar auf die Partnerschaft aus. So etwas sagen einem die Ärzte vorher nämlich leider oft nicht.

Was hilft ist, nicht zu streng mit sich selbst zu sein und sich während der Zeit viiiiiiel Gutes zu tun. Viel Ablenkung tut gut, auch wenn es schwer fällt.

Doch auch wenn die künstliche Befruchtung kein leichter Weg ist: Wer Glück hat, wird am Ende reich belohnt.

Das wünsche ich allen Mamas.“

Laura Dieckmann

Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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