Es ist schon seltsam: Während der Elternzeit erschien mir ein einzelner Tag oft viel zu lang, doch das komplette Babyjahr verflog dafür viel zu schnell.
Ich bin inzwischen zurück im Büro und war gefühlt auch bereit dazu. Alles ist wie vorher und zugleich ganz anders. Zumindest bei mir. Denn ich habe nun ein kleines Kind, das gerade noch wie ein kleines Känguru in Mamas Beutel an mir klebte und nun lange Tage ohne mich im Kindergarten verbringt. Und ich? Ich checke im Büro Tausende von E-Mails voller Worte, die mir auf einmal viel weniger wichtig vorkommen als ein einzelnes Wort meines Kindes. Und wenn der Chef endlich doch mal ein Lob über die Lippen bringt, beflügelt mich das heute längst nicht mehr so wie ein zahnloses Lächeln.
„Genieß die Zeit, sie ist so kurz“ – so doof ist der Spruch gar nicht
Wehmütig denke ich an die vielen Tage, an denen ich müde und erschöpft ein Baby bespaßt habe, nur um bereits am frühen Nachmittag verzweifelt den Zeitpunkt herbeizusehnen, an dem mein Mann von der Arbeit kommt und eine Runde mit Spucktuch und Baby auf der Schulter dreht. Habe ich ihn wirklich manchmal insgeheim darum beneidet, dass er sein normales Büro-Alltagsleben weiterführen durfte, während ich mit meinen verfilzten Haaren es nicht mal gebacken bekommen habe, den Geschirrspüler auszuräumen?
Jetzt ahne ich, wie oft er mich beneidet haben muss: Ja, es kam gelegentlich Langeweile auf – und die bange Frage, wie man den Tag herumbekommen soll. Doch die „Langeweile“ barg ja auch viele Pluspunkte: einfach mit dem erstaunlichen kleinen Wesen in den Tag hineinleben, nichts vorhaben, diese tief empfundene Innigkeit zu spüren. Nun weiß ich, dass erfahrene Eltern Recht haben, die behaupten. „Genieß die Zeit, sie ist so kurz!“
In der Enge des Großraumbüros sehne ich mich nach all dem zurück – sogar nach dieser merkwürdigen Mischung aus Einsamkeit und Langeweile, die mich oft beschlichen hat und die ich nicht selten als nervtötend empfunden habe. Deswegen habe ich die Zahl meiner Arbeitsstunden reduziert, es sind nun „nur“ noch 30 statt 40. Manchen mag es immer noch zu viel erscheinen, anderen als zu wenig. Für mich ist es ganz pragmatisch das, was wir uns finanziell erlauben können und womit der Chef einverstanden ist.
Außerdem arbeite ich eigentlich gerne, auch wenn ich dabei oft mein Kind vermisse. Aber dieser Kompromiss bringt mir ein Stück von der guten alten „Langeweile“ zurück. Ich genieße sie viel mehr, seit ich wieder weiß, wie ein Büroalltag aussieht.
In der zurück eroberten freien Zeit nehme ich mir wenig vor, manchmal ein Spielplatztreffen mit anderen Müttern. Stattdessen lasse ich zu, dass ich manchmal nicht weiß, wie ich die Zeit rumkriegen soll. Manchmal lese ich meinem Kind alle Bücher vor, die es sich wünscht, manchmal gehen wir spontan Eis essen oder machen Quatsch. Manchmal zoffen wir uns kolossal, weil wir uns in dieser Zeit komplett auf den Zeiger gehen oder uns an irgendeiner Kleinigkeit hochgeschaukelt haben. Manchmal ist mir öde und ich bin versucht, meine Aufmerksamkeit nur zu heucheln, um heimlich auf dem Handy zu surfen, weil ich mich partout nicht zu der fünften Runde des Spiels „Obstgarten“ durchringen kann. Oder ich bin erschöpft, weil mein Kind bereits seit zwei Stunden ungenießbar ist, egal wie sehr ich mich bemüht habe.
Doch meistens fällt mir schnell wieder ein, wie die Alternative zu gemeinsamen Momenten wie diesen aussähe und wie sehr ich diese vermissen würde. Dann lächele ich, gebe meinem bockenden Kind einen Kuss auf das weiche Haar und schnappe mir doch noch einmal den Rabenwürfel für ihr Lieblingsspiel.