Die große Wut: Wie alle die Trotzphase gelassener überstehen

Ohje, die Trotzphase. Mit meinem ersten Kind kam ich relativ glimpflich durch. Ich war den meisten Anfällen und Situationen gewachsen, konnte meiner Tochter beistehen, wenn der Frust und die Wut am Größten waren und behielt fast immer die Nerven. Nun naht der zweite Geburtstag von meinem Sohn und die ersten kleinen Wutanfälle haben wir schon gemeistert. Ich nenne es aber noch die „Ruhe vor dem Sturm“. Nun ist mein kleiner Mann allerdings jetzt schon in vielen Punkten das Gegenteil von seiner großen Schwester. Was, wenn er sich noch zu einem richtigen Wut-Monster entwickelt? Dem ich dann nicht mehr gewachsen bin?

Ich habe jemanden gefragt, der es wissen muss: Marei Theunert ist Familientherapeutin aus der Nähe von Hamburg. Sie weiß, wie es Eltern geht, wenn Kleinkinder sie an die Grenzen bringen. „Meistens können Mütter und Väter ja ganz gut mit ihren Kindern umgehen, wenn diese in die Autonomie-Phase kommen. Kritisch ist es eher bei denen, die selbst in ihrer eigenen Kindheit nicht richtig lernen konnten, mit ihrer Wut umzugehen“, erklärt sie. Wer oft die Beherrschung verliert, aggressiv wird oder das Gefühl hat, dem nicht mehr gewachsen zu sein, hat vielleicht solche Erfahrungen gemacht. In solchen Fällen ist therapeutische Unterstützung nicht verkehrt. „Wichtig ist, dass man lernt, seine Wut unter Kontrolle zu bringen“, so Theunert.

Generell rät sie dazu, in aufwühlenden Situationen mehrmals tief durchzuatmen. Oder auch mit Ankündigung bis zehn zählen: „Das können Kinder sich schon abgucken: Sie lernen, dass es Mittel gibt, die bei großer Wut helfen“, so Theunert.

Bei mir scheint es ja alles im Rahmen zu sein, wenn ich mir die Situationen mit meiner ersten Tochter anschaue. Was mich aber oft verzweifeln ließ, waren Szenen im Supermarkt oder auf dem Spielplatz. „In der Öffentlichkeit ist der Druck für viele größer. Niemand will als hilflose Mutter vor einem schreienden Kind stehen“, sagt Theunert. „Es hilft, sich auch dann klarzumachen, wie wichtig jetzt gerade eigentlich die Meinung der Anderen ist. Oder steht für mich nicht doch das Wohl meines Kindes an erster Stelle und ich stehe ihm bei, bis es ihm wieder besser geht?“

Der Spielplatz hat viel Potenzial für kleine Wutköpfe. Foto: Bigstock

Recht hat sie, finde ich. Aber woher kommt das eigentlich? Warum machen wir Mamas uns da so oft Druck? „Wir sind selbst damit aufgewachsen, es ist einfach in unseren Köpfen drin: Die Erziehungsvorstellungen unserer Eltern und Großeltern prägen auch unsere“, erklärt Theunert. Vieles von damals wird heute ganz anders gesehen. Trotzdem erkenne auch ich mich wieder. Vor allem dann, wenn es um Konsequenz geht. Ich fühle mich schrecklich inkonsequent, wenn ich drei mal Nein sage und beim vierten Mal, bereits kurz vor dem eigenen Nervenzusammenbruch, dann doch Ja. Riesig sind dann die Zweifel und die Selbstvorwürfe, nicht konsequent genug gewesen zu sein. Aber was tun?

„Tatsächlich ist das häufig die größte Angst“, weiß auch die Familientherapeutin. „Dabei sollten Mütter und Väter keine Hemmungen davor haben, sich selbst zu korrigieren. Das ist nicht so schlimm für das Kind.“ Marei Theunert rät, die konkrete Situation immer auch zu hinterfragen. Warum also gab es das „Nein“? Ging es um unsere eigenen Bedürfnisse und wir wollten einfach nicht, dass das Kind zum Beispiel Dreck macht? Oder wollten wir etwa vor den Großeltern gut dastehen?

Nur, wenn das Kind sich in Gefahr bringen könnte, müssen wir wirklich hart bleiben. „Für alles andere gibt es auch Alternativen“, sagt Theunert. Mir fällt spontan das bei meinem Sohn beliebte Spiel „Bauklötze-Werfen“ ein. Es nervt mich kollossal, zumal er die halbe Wohnzimmer-Einrichtung gefährdet. Und dabei geht es mir nicht um die Unordnung, sondern um meine Lieblingsvase und den Fernseher! „Und wenn ihr euch einigt, dass er nur auf das Sofa werfen darf?“ schlägt Theunert vor. Ja, warum nicht, denke ich. Das ist eine Alternative, die wir zwar üben müssen, aber umsetzbar scheint. Und ich habe ihm nicht komplett das Spiel verboten.

„Wir sollten immer im Auge behalten, dass Kinder einfach total neugierig und experimentierfreudig sind. Außerdem wollen sie ihre Fähigkeiten trainieren, zum Beispiel werfen“, sagt Theunert, die selbst Mutter eines Kleinkindes ist. „Auch, wenn es in manchen Situationen schwer fällt einzusehen, Kinder meinen es niemals böse.

Im Gegensatz zu mir, die durchaus böse werden kann. Das fällt mir mit schlechtem Gewissen auf. „Es ist gut, dem Kind gegenüber ehrlich zu sein. Ihm zu sagen, dass man gerade wütend ist und auch erklären, weshalb“, so Theunert. Gleichzeitig sollte man unbedingt die Gefühle des Kindes ernst nehmen. Eine abgebrochene Banane ist für Erwachsene kein Ding. Für Zweijährige kann sie eine absolutes Desaster sein. „Wir Erwachsenen können das erkennen und dann auch mitfühlen. Und fühlt sich das Kind ernst genommen, fällt es ihm auch leichter, mit dem Schmerz umzugehen.“


Unsere Expertin: Marei Theunert bietet Einzel-, Paar und Familientherapie an. Sie ist Diplom-Pädagogin und Heilpraktikerin für Psychotherapie. Sie ist Mutter eines kleinen Sohnes. Unter www.elbfamilienglueck.de ist sie erreichbar.

Laura Dieckmann

Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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