Meine Tochter ist ein echter Dickkopf. Und ich leider auch. Vielleicht ist es deshalb so, dass der Übergang von der Trotzphase in die sogenannte Autonomiephase gefühlt fließend stattgefunden hat und es bis vor kurzem fast täglich Auseinandersetzungen bei uns gab. An empathische Fragen oder positive Sätze zur liebevollen Motivation war da kaum zu denken.
Das ging schon beim morgendlichen Fertigmachen für den Kindergarten los: „Nein, das will ich nicht anziehen!“ „Dann such dir selber etwas aus.“ „Nein, alle meine Anziehsachen sind doof!“. Und zog sich bis in den Abend: „Bäh, Mama, das mag ich nicht. Das esse ich nicht.“ „Aber das ist doch das Essen, das du dir gewünscht hast. Ich habe es extra für dich gekocht.“ „Nein, das mag ich aber trotzdem nicht. Ich hab auch gar keinen Hunger.“
Weil sie beinahe täglich stattfinden und sich fast immer um eigentlich selbstverständliche Dinge drehen, brachten mich diese Diskussionen sehr oft an die Grenzen meine Gelassenheit. In meiner Verzweiflung suchte ich deshalb gezielt nach Rat, teils in Büchern, teils bei anderen, erfahrenen Mamas, die ich ausfragte und beobachtete, wie sie in solchen Situationen mit ihren Kindern umgehen.
Sprich mit deinem Kind so respektvoll, wie du möchtest, dass andere mit dir sprechen
Eine Sache ist mir seitdem ganz klar geworden: Die Art und Weise, WIE wir mit unseren Kindern sprechen, hat eine entscheidende Wirkung darauf, wie sie auf unsere Wünsche, Aufforderungen und Verbote reagieren. Wie oft rutscht uns zum Beispiel ein „Hör auf damit!“ oder ein „Wie oft muss ich es noch sagen?“ heraus. Doch wie würden wir darauf reagieren, wenn jemand so mit uns spricht?
Jedem fremden Erwachsenen begegnen wir mit so viel mehr Respekt, warum also nicht auch unserem Kind, das wir doch über alles lieben?
So versuche ich nun, unsere typischen Alltagskonflikte durch eine bewusst positive, empathischere Kommunikation mit meiner Tochter zu vermeiden. Schließlich ist es nicht ihre Aufgabe, Wege zu suchen, um uns aus der Schimpffalle holen. Es ist meine Aufgabe als ihre erwachsene Mama.
Ich übe zwar noch und es ist alles andere als einfach, die schlechten Gewohnheiten in Sachen Kommunikation loszuwerden. Aber es wird immer besser. Und die Auseinandersetzungen tatsächlich weniger.
Positive Sätze für euren Start in einen harmonischeren Alltag
Die folgenden zehn Sätze können auch dir helfen, eine positive Kommunikation in euren Alltag einfließen zu lassen. Mit ihnen kannst du gelassen reagieren, wenn dich die „Verhandlungstechniken“ deines Klein- oder Vorschulkindes mal wieder auf die Geduldsprobe stellen.
Positive Sätze – Nr. 1: „Worauf sollst du achten?“
Den immer gleichen Befehl „Pass auf!“ überhören unsere Kleinen nur zu gern. Kein Wunder, schließlich hören sie ihn ständig. Neulich brachte ich meine Tochter damit sogar richtig in Rage und sie rief zurück: „Sag nicht immer ‚Pass auf!’, Mama! Ich hätte auch aufgepasst, wenn du es nicht gesagt hättest!“
Und das ist der springende Punkt: Der übermäßige Gebrauch dieses Kommandos in alltäglichen Situationen suggeriert unseren Kindern, dass wir ihnen etwas nicht zutrauen, was sie eigentlich schon können.
Wenn wir also möchten, dass unsere Kinder im Straßenverkehr, auf dem Spielplatz, in einem Geschäft oder sonst wo besonders vorsichtig sind, dann ist es eindringlicher, sie vorher einmal ganz deutlich zu fragen: „Worauf sollst du achten, wenn wir in dieses Geschäft gehen?“ oder „Woran musst du denken, wenn du auf das Klettergerüst steigst?“.
Sie werden ganz bestimmt die richtigen Antworten kennen. Und weil sie sich den Auftrag zur Vorsicht, Rücksichtnahme oder Ruhe auf diese Weise selbst erteilen, werden sie auch entsprechend handeln. Schließlich will jedes Kind im Grunde seines Herzens mit seinen Eltern kooperieren, solange es sich nicht durch Befehle wie „Pass auf!“ ungerecht behandelt fühlen muss.
Positive Sätze – Nr. 2: „Möchtest du es allein tun, oder soll ich dir helfen?“
Kinder lieben es, selbst Entscheidungen treffen zu dürfen. Das gibt ihnen das Gefühl, ernst genommen zu werden und mitbestimmen zu dürfen. Wenn das Zimmer auch nach der zweiten Aufforderung nicht aufgeräumt ist oder die Schuhe noch nicht angezogen sind, haben auch wir Eltern die Möglichkeit zu wählen:
Entweder sprechen wir einen dritten, diesmal etwas strengeren Befehl aus, was sich meist gar nicht mehr so gut anfühlt und häufig in einem wütenden „Wie oft soll ich es eigentlich noch sagen!?“ endet, bis unser Kind endlich gehorcht. ODER wir bieten unserem Kind die Wahl, das, worum wir es bitten, selbst zu tun oder mit ein wenig Hilfe von Mama.
Auch wenn es mich manchmal nervt, dass meine Tochter mich für Dinge einspannt, die sie eigentlich schon ganz allein kann, so ist mir dieser zweite Weg inzwischen deutlich lieber. Und ihr auch, denn er gibt ihr die Sicherheit, dass ich einerseits anerkenne, wie selbständig sie schon ist, andererseits aber auch für sie da bin, wenn sie mal nicht „groß“ sein mag. Und die Nähe beim gemeinsamen Anziehen oder Aufräumen tut schließlich uns beiden gut.
Positive Sätze – Nr. 3: „Was hast du daraus gelernt?“
Wenn wir einen Fehler machen oder etwas misslingt, ist das letzte, was wir hören wollen: „Selber schuld! Ich hab’s dir doch vorher gesagt.“ Genau so entmutigend wie auf uns, wirken solche Sätze natürlich auch auf unser Kind.
Doch wie können wir positiv reagieren, wenn wir unseren Schatz trotz aller guten Ratschläge oder Ermahnungen in sein Unglück laufen sehen? Ganz einfach: Nachdem wir ausgiebig getröstet haben, stellen wir einfühlsam und wertfrei die Frage „Was hast du daraus gelernt?“ Sie gibt unserem Kind das Gefühl zurück, es beim nächsten Mal besser machen zu können und schenkt ihm so neuen Mut.
Positive Sätze – Nr. 4: „Heute müssen wir so schnell sein wie Rennpferde!“
Das kennt sicher jede von euch: Immer wenn es besonders schnell gehen muss, werden unsere Kinder zu Experten in Trödelei. Egal wie früh wir aufstehen, ich höre mich beinahe jeden Morgen drängen: „Los, beeil dich, sonst kommen wir zu spät in den Kindergarten!“
Meine Tochter kann das inzwischen im wahrsten Sinne schon nicht mehr hören, und ich habe ebenso wenig Lust auf die ständige Ermahnung. Deshalb haben wir nun ein Spiel daraus gemacht. Meine Kleine liebt Pferde und Ponys, also machen wir, wenn die Zeit drängt, ein kleines Pferderennen. Das klappt meist ganz hervorragend (und lässt sich sicher auch als Autorennen, ICE-Fahrt oder Feenflug umsetzen).
Trotzdem versuche ich im Gegenzug, ihr auch mal Wege im Schneckentempo zu ermöglichen, auf denen sie all die kleinen Dinge untersuchen und sammeln kann, die es unterwegs zu entdecken gibt. Auch ein Pony braucht schließlich mal Zeit zum Verschnaufen.
Positive Sätze – Nr. 5: „Möchtest du jetzt gehen oder in 10 Minuten?“
Meine Tochter hat sich schon immer schwer damit getan, von einer Situation in eine andere zu wechseln. Der Satz „Los komm, wir müssen JETZT gehen!“ löst bei ihr geradezu hysterische Zustände aus und ich kann in jedem Fall mit einem ohrenbetäubenden Verzweiflungsanfall rechnen. Wenn ich das vermeiden will, MUSS ich ihr Zeit geben, um sich von der Sache, auf die sie gerade konzentriert ist, zu lösen.
Es war eine harte Schule, bis ich das gelernt und verstanden hatte. Wenn ich sie vom Kindergarten oder einer Freundin abhole oder sie beim Spielen unterbrechen muss, weil wir einen Termin haben, frage ich inzwischen rechtzeitig: „Möchtest du jetzt gehen oder in 10 Minuten?“ Natürlich sagt sie immer „In 10 Minuten!“, aber sie weiß dann innerlich Bescheid und kann sich viel besser auf den Wechsel einstellen, wenn wir dann wirklich los müssen.
Positive Sätze – Nr. 6: „Wünsch es dir zum Geburtstag!“
Ich habe den Hang, meine Tochter nach Strich und Faden zu verwöhnen. Ständig sehe ich Dinge, die ihr gefallen würden und die ich ihr am liebsten mitbringen würde. Und auch wenn wir zusammen unterwegs sind und sie entdeckt etwas, das sie sich wünscht, fällt es mir sehr schwer, es nicht zu kaufen.
Es gab eine Zeit, in der ich diesem Verwöhntrieb ständig nachgegeben habe, was jedoch dazu führte, dass meine Tochter ihre ganzen Geschenke kaum mehr zu schätzen wusste. Stattdessen wollte sie mehr und mehr haben, was sie zielstrebig und zum Teil sehr laut einforderte.
Ich wusste, ich würde hier konsequenter werden müssen, wenn nicht jeder zukünftige Besuch im Supermarkt eskalieren sollte. Statt jedoch einfach mit einem stumpfen „Nein!“ zu reagieren, was sie sicher nicht akzeptieren würde, schlage ich ihr nun vor, sich die Dinge, die sie sich wirklich fest wünscht, auf ihren Wunschzettel für Geburtstag oder Weihnachten zu setzen.
Ich mache ihr natürlich auch klar, dass nicht alle Wünsche erfüllt werden können. Deshalb sollte sie sich gut überlegen, was sie wirklich, wirklich haben muss. Erstaunlicherweise fliegen dabei meist gleich wieder ein paar Dinge von der Liste und es bleibt in einem angemessenen Rahmen.
Zum letzten Geburtstag konnte ich daher ihr alle bis auf zwei Wünsche erfüllen und die Freude war riesig. Von den zwei fehlenden Dingen hat sie eines nun als nicht mehr so wichtig eingestuft und das andere auf die Liste für Weihnachten gesetzt.
Positive Sätze – Nr. 7: „Komm, wir atmen mal tief durch!“
Wenn zwei Dickköpfe wie meine Tochter und ich aufeinandertreffen, kann es schon mal laut werden. Nach ihrer ausgeprägten Trotzphase bin ich als Mama jedoch ein ganzes Stück klüger geworden. Und meine Tochter ein ganzes Stück verständiger.
Deshalb gelingt es mir immer öfter, eine kurz vor der Eskalation stehende Auseinandersetzung auszubremsen, indem ich anfange, tief ein- und auszuatmen und meine Tochter auffordere, mitzumachen. Das klappt immer öfter sogar dann, wenn sie schon mitten in einem Wutanfall steckt oder verzweifelt weint.
Das Atmen bringt uns wieder näher zusammen, beruhigt unseren gesamten Organismus und lässt uns dem Zorn entfliehen, der uns gegeneinander aufbringt, wo wir doch eigentlich immer zusammenhalten wollen.
Positive Sätze – Nr. 8: „Sei wie eine große Schwester!“
Meine Fünfjährige ist fasziniert von älteren Mädchen. Sei es ihre 16-jährige Babysitterin oder die acht-, neun- und zehnjährigen Schwestern ihrer Freundinnen. Wenn sie ein fremdes älteres Mädchen sieht, steht sie minutenlang still, himmelt es an und beobachtet, was es macht. Genau diese Faszination spielte mir nun schon ein paar Mal in die Karten, als meine Tochter traurig vom Kindergarten nachhause kam, weil ihrer Ansicht nach keiner mit ihr spielen wollte.
Ich kenne sie und weiß, dass sie sehr bestimmend sein kann und mit sehr viel Fantasie in ihre Rollenspiele eintaucht. Das haben mir nicht nur die Erzieherinnen bestätigt, ich habe es selbst oft erlebt, wenn sie mich in ihr Spiel mit einbeziehen möchte und mir dabei die strengsten Regieanweisungen gibt.
Kein Wunder, wenn da das eine oder andere Kind nicht mitmachen möchte, vor allem, wenn es jünger ist und einfach noch nicht mitkommt. Doch statt ihr das so hart zu sagen, ermuntere ich sie zu einer positiven Führungsrolle: „Sei wie eine große Schwester. Lass auch mal die anderen bestimmen. Frag sie, was und wie sie gern spielen würden und welche Rolle sie gern hätten und dann wechselt euch mit dem Bestimmen ab. Schließlich möchte jeder gern mal der Chef im Spiel sein.“
Seitdem das neue Kindergartenjahr begonnen hat, sehe ich nun tatsächlich eine Veränderung bei ihr. Sie erzählt inzwischen immer seltener von Streitigkeiten beim Spielen mit ihren Freunden. Gleichzeitig berichtet sie mir immer häufiger von den neuen Kleinen in der Gruppe. Und wenn ich sie abhole, sehe ich, wie nun die Kleinsten meine Tochter anhimmeln. Sie wiederum ist sichtbar stolz, endlich eine der Großen zu sein und dieses neue Selbstbewusstsein wirkt sich offenbar sehr positiv auf ihren Umgang und ihr Spiel mit anderen Kindern aus, egal welchen Alters.
Positive Sätze – Nr. 9: „Wenn du weinen musst, darfst du weinen.“
Es ist immer wieder spannend zu sehen, wie schnell sich meine Tochter beruhigt, wenn ich sie einfach in den Arm nehme und weinen lasse, egal aus welchem Grund sie gerade weint. Wenn ich ihr stattdessen sage: „Hör auf zu weinen. Stell dich nicht so an!“ wandelt sich ihre Traurigkeit schnell in Wut um. Wut darüber, dass ich ihre Gefühle in dem Moment nicht ernst nehme.
Ist ja auch klar, denn auch wenn ich in ihrer Situation vielleicht nicht mit Tränen reagiert hätte: Sie steckt in diesem Moment mitten drin in einem Gefühl, das ihr das Wasser in die Augen treibt. Würde mein Mann mir sagen, ich solle mich nicht so anstellen, wenn ich mich in einer Krise befinde, wäre ich einfach nur enttäuscht und noch trauriger.
Einfach nur da zu sein, sie zu halten und ihr das Gefühl zu geben, dass es okay ist zu weinen – das ist inzwischen mein Mittel der Wahl, um meine Tochter aus ihrer Traurigkeit oder ihrem Schmerz zu holen.
Positive Sätze – Nr. 10: „Ich glaube fest an dich und ich bin für dich da.“
Viel zu oft greifen wir Erwachsenen ein, wenn unsere Kinder mit einer schwierigen Aufgabe konfrontiert sind. Zu gern wollen wir sie vor Enttäuschungen, Schmerz, Frust oder Anstrengung schützen. Doch wie sollen Kinder etwas lernen, wenn wir Ihnen wichtige Erfahrungen abnehmen?
Gefühle wie diese gehören nun mal zum Leben dazu. Auch wenn sie unangenehm sind, so können sie uns im besten Fall doch antreiben, uns weiter zu entwickeln und besser zu werden.
Statt unsere Kinder also jedes Mal zu „retten“, wenn es für sie schwierig oder unangenehm wird, sollten wir sie unterstützen, indem wir ihnen zusichern: „Ich glaube fest an dich und bin für dich da!“. So können sie der Herausforderung mit dem Wissen begegnen, dass ihre Eltern mit Hilfe, Rat und Trost an ihrer Seite stehen, wenn sie es brauchen.
Wenn wir unseren Kindern auf diese Weise den Rücken stärken, lernen sie viel schneller, auf sich selbst aufzupassen, sich selbst zu motivieren, Probleme zu lösen und Vertrauen in ihre Fähigkeiten zu entwickeln. Auch wenn uns das manchmal sehr viel Geduld und Nerven kostet, es lohnt sich!