Boah, wie das nervt, wenn Ältere sagen: „Wir haben das soundso gemacht. Das hat euch doch auch nicht geschadet.“ Sorry, wir finden „lehrreiche“ Klapse einfach nicht besonders cool. Auch Babys schreien zu lassen oder sie mit Sahnetorten abzufüttern, kommt uns ein klein wenig gestrig vor.
Das heißt aber nicht, dass wir das Vorbild unserer Eltern komplett ignorieren müssen. Jedenfalls dann nicht, wenn wir eine halbwegs schöne Kindheit hatten.
Das könnte dann nämlich mit diesen 7 Retro-Weisheiten zusammenhängen:
1. Es muss sich nicht alles permanent um die Kinder drehen
Brave Kinder soll man sehen, aber nicht hören? Das ist natürlich Quatsch. Aber sie müssen auch nicht andauernd Mittelpunkt eures Universums sein. Erstmal gefällt ihnen das vielleicht ganz gut – aber auf Dauer wird’s auch für sie stressig. Sie bekommen dann nämlich schnell das Gefühl, dass das Mamas und Papas Lebensglück von ihnen abhängt. Eure Kinder sind entspannter, wenn ihr entspannt seid.
Also pflegt auch andere Beziehungen — vor allem auch die zu euch selbst, denn in der steckt ihr lebenslang 24 Stunden am Tag fest. Vernachlässigt auch nicht dauernd eure Partner und/oder eure Freunde. Sonst sind die Kinder plötzlich aus dem Gröbsten raus – und die Erwachsenen haben sich nichts mehr zu sagen. Nicht gemeint ist übrigens, dass ihr die Bedürfnisse eurer Kinder missachten sollt oder diese weniger zählen als die der Großen. Aber sie sind eben auch nicht wichtiger. Deshalb müsst ihr zum Beispiel nicht jedes Gespräch sofort unterbrechen, wenn euer Kind gerade etwas will.
2. Lasst die Kinder draußen spielen (und sich schmutzig machen)
In meiner Erinnerung waren mein Bruder und ich früher andauernd draußen. Oft sind wir erst zum Abendessen heimgekehrt, wenn überhaupt (s. unten). An hartes Feilschen um jede Minute Bildschirmzeit erinnere ich mich nicht. Okay, mag auch daran liegen, dass es noch keine Streamingdienste gab, aber sicher war es nicht nur das.
Ermutigt eure Kinder, nach draußen zu gehen und lasst sie dort laufen, ohne sie dauernd zu bremsen. Egal, ob es auf auf den nächsten Spielplatz, in den Park oder in den Wald geht: Selbst viele Kinder, die anfangs gemotzt haben, wollen auf einmal gar nicht wieder rein.
Sobald sie etwas größer sind, müssen sie ohnehin nicht mehr permanent beaufsichtig werden. Zwar würde ich zum Beispiel meinen Achtjährigen noch nicht ganz alleine in den Wald lassen, aber zusammen mit ein paar Freunden, die ich kenne und denen ich vertraue, soll er sich dort ruhig mal unbeaufsichtigt austoben, ohne dass jemand bei jedem Stolperstein „Vorsicht!“ ruft.
3. Vergesst die Frühförderung
Bei der Einschulung unseres Sohnes war ich überrascht: Einige Kinder hatten schon ordentlich Lese- und Rechentraining hinter sich. Es spricht ja auch nichts dagegen, Interessen des Kindes zu fördern, wenn es Freude dabei hat. Aber muss immer gleich alles so ein Wettkampf sein? Unser Sohn liest zum Beispiel gerne, weigert sich aber, dafür Punkte mit der Antolin-App zu sammeln. „Ich glaube, dann würde es mir nicht mehr soviel Spaß machen.“ Kann ich voll verstehen!
Früher konnten die Kinder nicht schon im Kindergarten lesen oder die Wurzel aus 16 ziehen. Trotzdem ist aus den meisten etwas geworden. Die Kleinen lernen schon beim reinen Spielen wahnsinnig viel – gerade, was ihre sozialen und kreativen Fähigkeiten angeht. Und die sind mindestens genauso wichtig wie das ABC.
4. Zum Essen seid ihr aber wieder da!
Anders als bei meinen Freunden gab’s bei uns fast nur am Wochenende echte Familienmahlzeiten. Klingt nach Freiheit? Ehrlich gesagt, habe ich die anderen um ihre „strengen“ Rituale beneidet. Zumindest einmal am Tag zu einer festen Zeit alle um einen Tisch zu versammeln, entspricht noch heute meiner Vorstellung von Familienleben. Kinder lernen dabei nicht nur gesunde Gewohnheiten, sondern ihr schafft euch so auch eine Insel, auf der ihr im stressigen Alltag im Kontakt bleibt. Beim gemeinsamen Essen lässt es sich einfach am lockersten plaudern.
Untersuchungen zeigen, dass Kinder, die regelmäßig an Familienmahlzeiten teilnehmen, seltener unter Ängsten und Depressionen leiden und sogar leistungsfähiger sind. Packt also die Freizeitpläne nicht so voll, dass kein Platz für ordentliche Mahlzeiten mehr ist – auch wenn unter der Woche vielleicht nur für gemeinsame Abendessen Zeit ist.
5. Erst die Pflicht, dann…
Zugegeben, klingt ganz schön altmodisch und irgendwie nach Leistungsgesellschaft. Aber eurem Kind nichts abzuverlangen, ist auch keine Lösung. Studien zeigen: Ihm — auch mal fordernde – Aufgaben zu übertragen, stärkt sein Gefühl für Selbstwirksamkeit. Traut ihm also ruhig etwas mehr zu, als dass es gerade mal den eigenen Teller zum Geschirrspüler trägt.
6. Warum feiert ihr den Geburtstag nicht zu Hause?
Klettergarten, Trampolin-Park,… gab’s früher nicht. Ich erinnere mich trotzdem daran, immer gerne Geburtstage (mit-)gefeiert zu haben. Auch ganz ohne übertriebene Mitgebsel-Tüten, einen angemieteten Zauberer oder eine wochenlang in akribischer Detailarbeit ausgetüftelte Schnitzeljagd.
Das Größte war doch, das man Quatsch essen durfte, bis einem schlecht wurde – und man ganz viel miteinander gespielt hat. Auch wenn die anderen Eltern um euch herum richtig krasse Aktionen starten und ihr euch unter Zugzwang fühlt: Eure Kinder brauchen das nicht. Topfschlagen, Schokoladen-Wettessen und Wasserbombenschlachten kommen auch heute noch gut.
7. Dann musst du dich halt mal langweilen
Alle paar Minuten ein neues Angebot, damit das Kind sich nur nicht langweilt? Das wäre unseren Eltern ganz sicher nicht eingefallen. „Dann überleg dir halt was!“, habe ich ziemlich oft zu hören bekommen. Das klingt vielleicht erstmal nicht sehr liebevoll (und lässt sich ganz bestimmt auch feinfühliger verpacken). Aber das Erstaunliche daran ist: Wenn man Langeweile zulässt, kommen Kindern nach dem ersten Murren oft tatsächlich die coolsten und kreativsten Ideen!
Was wir also von unseren Eltern lernen können: Du musst dir nicht permanent ein Bein ausreißen. Und lass dein Kind auch mal Fehler machen und genervt oder gelangweilt sein. Es wird ihm trotzdem gut gehen – vielleicht sogar noch besser, weil es so das beste aus zwei Welten mitnehmen darf – denn natürlich gibt es auch viele Dinge, die wir heute besser machen als unsere Eltern.