Eigentlich versuchen wir alle, unser Bestes zu geben für unsere Kinder. Na klar, ab und zu sind wir vielleicht mal zu laut, zu streng, zu ungerecht – das wissen wir selbst. Wir sind eben auch nur Menschen und haben gute und schlechte Tage, geduldigere und gereiztere… Solange das Fundament stimmt, halten unsere Kinder das auch mal problemlos aus, denke ich.
Es gibt allerdings ein paar richtiggehend „toxische“ Verhaltensweisen, die Familien-Therapeuten oftmals in ihrem Berufsalltag mitbekommen. Erziehungsfehler, die zwar nichts mit körperlicher Misshandlung zu tun haben, aber Kinder trotzdem bis ins Erwachsenenalter hinein negativ beeinflussen können.
Zu diesen elterlichen Verhaltensweisen gehören:
1. Mit Angst arbeiten
Wenn Kinder richtiggehend Angst vor ihren Eltern haben oder bzw. vor den Strafen, die diese für sie parat haben, hat das nicht viel mit Respekt oder „gut erzogen“ zu tun. Es ist einfach falsch, wenn Kinder Erfahrungen gemacht haben, mit denen ihre Eltern sie gefügig gemacht haben.
Die Gefahr ist groß, dass solche Kinder ihre Entscheidungen im Erwachsenenalter auf Angst basierend treffen werden – und weniger darauf, was sie persönlich für richtig halten. Und vor allem, dass auch sie diesen Weg der Erziehung bei ihren Kindern wählen.
2. Nur Erfolge loben
Natürlich freuen Eltern sich, wenn ihre Kinder etwas Neues gelernt haben, gute Noten mit nach Hause bringen oder sonstige Erfolge haben. Und sie dürfen sich auch kräftig mitfreuen und sie loben, na klar. Dabei müssen sie aber genau darauf achten, dass dies nicht die einzigen Situationen sind, in denen sie ihren Kindern Anerkennung geben. Vielmehr sollten sie auch für den Weg, also für die Arbeit, die sie ins Erreichen eines Ziels oder für ihren Mut, etwas auszuprobieren, gelobt werden. Oder auch einfach dafür, dass sie so wundervoll sind.
Denn Kinder, die immer nur für ihre Leistungen gelobt wurden, können zu Erwachsenen werden, die um jeden Preis erfolgreich sein müssen – weil sie denken, dass nur das zählt. Sie lügen, betrügen und gehen „über Leichen“, damit sie immer als Sieger dastehen.
3. Kinder vor allen Schmerzen bewahren
Hier geht es eher um mentale Schmerzen als um körperliche. Denn natürlich sollen Eltern ihre Kinder nicht absichtlich körperlich abhärten! Sie sollten sie aber auch nicht vor jeder unangenehmen, unbequemen Situation bewahren, denn leider gehören diese auch zum Leben dazu. Kinder müssen lernen, dass Menschen und Tiere sterben, dass es immer jemanden geben wird, der in manchen Dingen besser ist als sie selbst… Die elterliche Aufgabe sollte dabei nicht sein, die Kinder davor abzuschirmen, sondern sie in ihrem Kummer aufzufangen.
Denn wenn Kinder allzu behütet aufwachsen, werden aus ihnen oftmals Erwachsene, die an größeren Hindernissen verzweifeln und scheitern.
4. Die eigenen Wünsche aufs Kind übertragen
„Ach, ich wollte früher immer…“ oder „Ich wünschte, ich könnte nochmal…“. Genau. „Ich“. Nicht „mein Kind“. Eltern haben unerfüllte Wünsche und Sehnsüchte, wie jeder Mensch. Es ist wichtig, zu akzeptieren, dass diese aber etwas Persönliches sind – und sich nicht ungefragt aufs Kind projizieren lassen. Denn dieses hat seine eigenen Wünsche und Träume. Mama wollte vielleicht Ballerina werden, aber ihre Tochter zieht es eher aufs Fussballfeld.
Kinder, die den Traum ihrer Eltern ausleben müssen, haben später häufig ein geringes Selbstwertgefühl und hegen einen Groll gegen Mutter und Vater.
5. Um die Gunst des Kindes werben
Meist passiert dies bei getrennten Elternpaaren, manchmal aber auch bei solchen, die noch zusammen sind: Einige Mütter und Väter tun alles, um das „Lieblings-Elternteil“ zu sein. Großzügige Geschenke, kaum Regeln und Verbote, schlechte Worte über das andere Elternteil: Die Gunst des Kindes für sich zu gewinnen, fühlt sich vielleicht ganz gut an – aber für das Kind, das an sich Mama und Papa gleich liebt, ist es eine Last.
Und im Erwachsenenleben kann es dazu führen, dass das ehemals umworbene Kind zum geschickten Manipulator wird, um stets zu bekommen, was es will.
6. Gefühle kleinreden
„Hör jetzt auf zu weinen, so schlimm ist das ja nun nicht!“ oder „Es ist doch gar nichts passiert!“ – schnell rutscht Eltern so ein Satz heraus, der meist sogar beruhigend und tröstlich gemeint ist. Fakt ist aber: Das Kind findet es gerade schlimm und doch, es ist etwas passiert, was es beunruhigt oder traurig macht. Wenn wir das kleinreden, zweifelt es an seinen eigenen Gefühlen.
Man ahnt die Folgen: Kinder, deren Gefühle häufig für ungültig erklärt werden, tun sich noch als Erwachsene richtig schwer, Emotionen zu zeigen oder geschweige denn über diese zu sprechen.
7. Schuldgefühle beim Kind erzeugen
„Willst du, dass Mama traurig wird?“, „Weißt du, wie lange ich dafür gearbeitet habe!?“ oder „Wenn du ein wirklich liebes Mädchen wärst, dann…“ Puh, ja, diese Sätze wirken. Mit Schuldgefühlen können Eltern Kinder wunderbar dazu bringen, dass sie tun, was sie möchten.
Aber diese Sätze wirken auch noch lange nach – eventuell ein Leben lang. Denn Kinder, die dies gewohnt sind, lassen sich leichter von Freunden oder auch Partnern manipulieren, wenn diese ihnen ein schlechtes Gewissen einflößen. Oder aber sie werden zu Erwachsenen, die ebenfalls Schuldgefühle als Waffe gegen ihre Liebsten einsetzen.
8. Kindern zu viel Verantwortung geben
Jeder möchte seine Kinder zu selbstständigen Personen erziehen – aber manche Eltern, denen eine erwachsene Bezugspersonen fehlt oder die selbst schlecht Entscheidungen treffen können, übertreiben dabei manchmal. Sie stecken ihre Kinder frühzeitig in eine zu erwachsene Rolle und übertragen ihnen Entscheidungen, die diese noch gar nicht treffen können. Die Folge: Das Fehlen der kindlichen Unbeschwertheit und pure Überforderung.
Als Erwachsene sind diese Kinder häufig sehr ängstlich und besorgt und haben daher den Zwang, ständig alles um sich herum kontrollieren zu müssen, um sicher zu sein.
9. Nicht wirklich erreichbar sein
Es gibt Eltern, die zwar physisch da sind – aber emotional ganz weit weg. Weil sie immer etwas anderes zu tun haben, das wichtiger ist als ihr Kind. Wie es den Kleinen gerade WIRKLICH geht? Das geht an diesen Eltern häufig komplett vorbei.
Menschen, die mit emotional unerreichbaren Eltern aufgewachsen sind, haben häufig Probleme damit, gesunde und bedeutsame Beziehungen zu entwickeln und zu führen.