Hast du dir als Kind Gedanken darüber gemacht, wie deine Oberschenkel aussehen, wenn du am Strand läufst? Oder darüber, wie dein Bauch aussieht, wenn du im Freibad auf der Wiese liegst? Vermutlich nicht. Als erwachsene Frau hingegen kommen dir solche Gedanken wahrscheinlich sehr vertraut vor. Denn Fakt ist: Mehr als zwei Drittel der Frauen fühlen sich in ihrem Körper nicht wohl.
Unrealistische Schönheitsideale, täglich neue Beautytrends, die ständige Bewertung von Körpern und Body shaming – tagtäglich werden wir mit dem Thema in der Werbung, auf der Straße oder in den Medien konfrontiert. Kein Wunder, dass wir uns verunsichern lassen und es schwerfällt, die unendliche Vielfalt von unseren Körpern zu akzeptieren.
Aber wie können wir unseren Kindern diese Sorglosigkeit erhalten und sie mit einem gesunden Körpergefühl fürs ganze Leben stärken?
Das haben wir die Expertin Dr. Julia Tanck gefragt. Sie ist promovierte Psychologin, psychologische Psychotherapeutin und forscht seit Jahren zum Körperbild von Frauen im Zusammenhang mit Essstörungen und Social Media.
Echte Mamas: Liebe Julia, wir können unsere Kinder nicht von der Welt abschirmen: Aber wie können wir sie in Punkto Medien am besten begleiten? Stichwort Instagram, fragwürdige „Beauty-Challenges“ auf TikTok oder Shows wie Germanys next top model.
„Um unsere Kinder bestmöglich auf dem Weg im Umgang mit den Sozialen Medien zu begleiten und zu unterstützen sind folgende Aspekte wichtig: Erstens ist eine offene Kommunikation ein zentraler Bestandteil, um einen gesunden Umgang mit den Medien zu erreichen. Das heißt konkret: Sprecht regelmäßig mit den Kindern über ihre Mediennutzung, Interessen und mögliche Bedenken. Hört dabei aufmerksam zu und nehmt die Perspektive der Kinder ernst. So kann ein Vertrauensverhältnis entstehen und das Kind hat keine Bedenken, sich offen mitzuteilen.
Ein weiterer wichtiger Punkt sind die vorgesehenen Altersgrenzen der Plattformen wie Instagram oder TikTok:
Dafür ist es wichtig dem Kind zu erklären, warum diese sinnvoll sind. Inhalte, die uns als Eltern fragwürdig erscheinen, wie bestimmte „Beauty-Challenges“, sollten offen angesprochen werden. Durch dieses offene Ansprechen regen wir das Kind dazu an, Inhalte zu hinterfragen und mögliche Gefahren selbstständig zu erkennen.
Zuletzt ist es wichtig, dem Kind bewusst zu machen, dass viele Inhalte inszeniert oder bearbeitet sind und nicht der Realität entsprechen. Insgesamt sollten gemeinsam Regeln für die Mediennutzung festgelegt werden, wie zeitliche Limits oder Nutzungszeiten. Wir als Eltern sind jedoch auch gefragt hinsichtlich unseres eigenen Medienkonsums. Wir stellen für unsere Kinder ein Vorbild dar und sollten daher auch immer unser eigenes Konsumverhalten reflektieren und gegebenenfalls anpassen.“
Echte Mamas: Wie können wir unseren Kindern schon von klein auf eine gesunde Körperwahrnehmung vermitteln und festigen, bevor sie überhaupt mit Social Media & Co in Kontakt kommen?
„Als Eltern haben wir hier eine entscheidende Vorbildfunktion. Wenn wir selbst ein positives oder wertneutrales Verhältnis zu unserem Körper vorleben, nehmen das die Kinder unbewusst bereits wahr. Negative Kommentare über den eigenen Körper, der sogenannte ‚Fat Talk‘ oder die Durchführung strikte Diäten mit radikalen Verboten bestimmter Nahrungsmittel sollten daher unbedingt vermieden werden.
Stattdessen sollten wir versuchen, unseren Körper so zu akzeptieren, wie er ist (wir müssen nicht alles an unserem Körper toll finden, um ihn zu akzeptieren). Wir könnten beispielsweise Denkmuster trainieren und verbalisieren, die unseren Körper positiv bewerten wie z.B.: ‚Ich mag meinen Körper so wie er ist, denn er ist stark und gesund.‘
Die Art und Weise, wie wir über Körper sprechen, prägt Kinder nachhaltig.
Anstatt das Aussehen in den Vordergrund zu stellen, sollten wir die Funktionen und Fähigkeiten des Körpers wertschätzen. Wenn das Kind zum Beispiel gut klettern kann, können wir sagen: ‚Toll, wie geschickt und beweglich dein Körper ist!‘ Generell ist es sinnvoll, Kinder für ihre Stärken, Talente und ihren Charakter zu loben, nicht für ihr Äußeres.
Um die natürliche Vielfalt an Körperformen und -größen aufzuzeigen, können wir Bücher, Filme und Materialien nutzen, die unterschiedliche Körper auf positive Weise darstellen. So begreifen Kinder schon früh, dass jeder Körper einzigartig und wertvoll ist. Wenn ein Kind zum Beispiel Kommentare über Dickere macht, können wir erklären:
‚Alle Menschen haben unterschiedliche Körper und das ist völlig normal. Keiner ist weniger liebenswert, nur weil er anders aussieht.‘
Statt auf ein bestimmtes Gewicht oder Aussehen zu fokussieren, sollten wir vermitteln, dass ein gesunder Lebensstil mit ausgewogener Ernährung und Bewegung wichtig ist – nicht um dünn zu sein, sondern um sich insgesamt mental und körperlich fit zu sein. Durch frühzeitige Prävention und die kontinuierliche Stärkung des positiven Körperbewusstseins können Eltern ihre Kinder auf einen selbstbewussten und respektvollen Umgang mit dem eigenen Körper und auch dem Körper anderer Menschen vorbereiten.”
Echte Mamas: Was sind typische „Fehler“ im Alltag, die viele Mütter oder Eltern in Hinblick auf die Körperwahrnehmung von Kindern machen?
Oft kommentieren Eltern unbeabsichtigt das Aussehen oder den Körperbau ihrer Kinder oder anderer Personen. Selbst scheinbar harmlose Bemerkungen wie „Schau mal, wie dünn die Frau ist“ oder „Der Junge ist aber kräftig gebaut“ können Kinder bereits in eine bestimmte Richtung lenken und Schlankheit oder Muskelmasse als persönlich erstrebenswertes Ideal überbewerten. So wird der Selbstwert ohne dies bewusst zu intendieren an das Aussehen geknüpft und es können Glaubenssätze entstehen wie z.B. ‚Wenn ich schlank bin, bin ich liebenswerter.‘
Manche Eltern machen sich auch Sorgen um das Gewicht ihres Kindes und geben diese Ängste durch Diätversuche, Verbote bestimmter Lebensmittel oder Kontrolle der Portionsgrößen an ihre Kinder weiter. Dadurch kann sich ein gestörtes Essverhalten manifestieren. Ein weiterer Fehler kann entstehen, wenn Eltern selbst ein negatives Körperbild haben und ständig mit ihrer eigenen Figur unzufrieden sind. Kinder nehmen diese Unzufriedenheit sehr genau wahr.
Äußerungen wie „Ich bin so dick“ oder exzessives Diäthalten oder Sporttreiben der Eltern können dazu führen, dass Kinder Schlankheit und bestimmte Körperideale überbewerten. Eltern sollten versuchen, die natürliche Vielfalt an Körperformen wertschätzen und den Fokus auf Talente, Stärken und die inneren Werte ihrer Kinder legen. Eine ausgewogene Ernährung und Bewegung aus Freude sind wichtiger als ein bestimmtes Gewicht oder schlankes bzw. muskulöses Aussehen.”
Du möchtest noch mehr über das Thema erfahren oder an deiner eigenen Selbstwahrnehmung arbeiten?
Mit gezielten Fragestellungen, Übungen zur Selbstreflexion und ganz viel Wissen zeigt Dr. Julia Tanck in ihrem Buch, wie wir uns von ungesunden Einflüssen abgrenzen und ein tiefgreifendes Verständnis für unser eigenes Körperbild entwickeln können.