„Sekundäres Ertrinken“: Was ihr über den Mythos wissen solltet

Die Begriffe „Sekundäres Ertrinken“ oder auch das „trockene Ertrinken” spuken seit Jahren durch die Medien und sorgen in Elternköpfen für Horror und viele Fragen, wenn es auf den Sommer und die Badesaison zugeht. Obwohl beide Begrifflichkeiten weder medizinisch noch wissenschaftlich anerkannt sind, werden sie immer noch und dazu häufig falsch und/oder synonym benutzt. 

Dabei sollen sie eigentlich zwei unterschiedliche Phänomene beschreiben, wenn es um Ertrinkungs- bzw. Badeunfälle geht. Weil beide Begriffe immer noch so häufig gesucht werden, benutzen wir sie zwar auch, setzen sie aber bewusst in Anführungszeichen. Wir wollen euch ohne Panikmache erklären, wovon jeweils die Rede ist und wie groß die Gefahr wirklich ist! 

„Sekundäres Ertrinken“ – Was ist damit eigentlich gemeint?

Mit dem Ausdruck „sekundäres Ertrinken“ werden umgangssprachlich Komplikationen beschrieben, die in sehr seltenen Fällen Stunden oder Tage nach einem Beinahe-Ertrinkungsunfall eintreten und unbehandelt zum Tod führen KÖNNEN. „Sekundär“ bezieht sich also darauf, dass die Beschwerden, die durch das in die Lunge gelangene Wasser hervorgerufen werden können, erst später auftauchen – und nicht schon während die Person noch im Wasser ist wie beim „klassischen“ Ertrinken.

Wichtig: „Sekundäres Ertrinken“ ist keine echte ärztliche Diagnose und extrem selten

Wenn größere Mengen dreckiges, verkeimtes oder salziges Wasser in die Lunge geraten, KANN es dort zeitverzögert zu einer Entzündung kommen. Aber: Das passiert nicht, wenn sich ein Kind beim Planschen mal kurz verschluckt oder ganz kurz unter Wasser gerät und danach kräftig hustet oder würgt. Das ist nämlich ein Zeichen, dass das Wasser gar nicht bis in die Lunge geraten ist, erklärt Kinderarzt Dr. med. Vitor P. Gatinho, auch bekannt als der Kids.Doc.

Eine Lungenentzündung geht außerdem mit Symptomen einher, die nur schwer zu übersehen sind. Das kann Fieber, Schüttelfrost, Abgeschlagenheit und eine schnelle Atmung sein. Gleichzeitig lässt sie sich gut behandeln, weshalb es sehr selten ist, dass ein Kind oder auch ein Erwachsener „nachträglich oder sekundär“ an den Folgen von Wasser in der Lunge wirklich verstirbt.

Wenn solche Symptome nach einem Beinahe-Ertrinkungsunfall bei einem Kind beobachtet werden, sollte das also IMMER ärztlich abgeklärt werden.

Das heißt also, dass Eltern keine Panik davor haben müssen, dass ihr quietschfideles Kind noch Tage später ohne vorherige Anzeichen ganz plötzlich im Schlaf erstickt, weil es sich beim Rumtoben im Wasser mal verschluckt hat. Leider wird das aber in vielen Medien immer noch so suggeriert. Es gibt zwar tragische Fälle, bei denen Kinder nach Beinahe-Ertrinkungsunfällen später verstorben sind. Aber das setzt wirklich viele unglückliche Verkettungen voraus.

Wann sollte ich mir also Sorgen machen? Was ist ein Beinahe-Ertrinkungsunfall?

Wie bereits gesagt, wenn ein Kind beim Planschen oder Baden mal wegrutscht und kurz unter Wasser gerät, kann das erschrecken und vielleicht sogar zu Tränen führen. Durch Husten oder Würgen wird eventuell verschlucktes bzw. eingeatmetes Wasser aber einfach wieder hinausbefördert. Genauso, wie wenn dein Kind sich beim Essen oder Trinken mal verschluckt.

Ärztlich vorgestellt werden sollte ein Kind aber immer, wenn es fast ertrunken wäre.

Und unser gesunder Menschenverstand sagt uns in der Regel ganz gut, wann es wirklich knapp war. Also auf jeden Fall, wenn…

  • ein Kind im Wasser (halb) bewusstlos war
  • reanimiert werden musste
  • danach nicht nur gehustet hat, sondern apathisch oder blau war und nicht regelmäßig atmete
  • wenn sich nachträglich Symptome wie Fieber, Erbrechen, Abgeschlagenheit, Schüttelfrost oder unregelmäßige Atmung zeigen

Kinderintensivmediziner der Uniklinik Bonn empfehlen dazu eine weitere Faustregel:

„Wenn beim Schwimmen Wasser eingeatmet wird und anschließend die Symptome schwerwiegender sind als beim Verschlucken eines Getränks, sollten Eltern oder Aufsichtspersonen sich mit ihren Kindern ärztlich vorstellen oder medizinische Hilfe aufsuchen.“

Und was ist das „trockene Ertrinken“?

Dieses Phänomen wird leider häufig mit dem umstrittenen Begriff des „sekundären Ertrinkens“ vermischt, da es in der Vergangenheit beschrieb, dass jemand im Wasser verstirbt, ohne dass Wasser in die Lunge gerät. Letztere galt also „trocken“ (also nicht zu verwechseln mit dem vermeintlichen nächtlichen Ersticken im trockenen Bett nach einem Ertrinkungsunfall).

Im Zusammenhang mit dem „trockenen Ertrinken“ wird häufig auch der sogenannte Stimmritzenkrampf (auch Laryngospasmus) erwähnt, der eigentlich eine Schutzfunktion des Körpers ist. Um zu verhindern, dass man z.B. beim plötzlichen Eintauchen unter Wasser einatmet, verschließt der Körper nämlich reflexartig im Kehlkopf die Stimmritze (durch die sonst die Luft strömt, die wir atmen) als Schockreaktion. So kann kein Wasser in die Lunge geraten.

In der Regel löst sich der Stimmritzenkrampf aber automatisch wieder beim Atmen von Luft oder beim Husten beim Auftauchen.

Ist das nicht möglich, kann es in der Folge zwar wegen Sauerstoffmangel zu einer Ohnmacht kommen. Aber auch dann löst sich der Krampf, da bei einer Bewusstlosigkeit ja auch Reflexe aussetzen, erklärt der Kids.Doc. Dass jemand in Folge eines Stimmritzenkrampfes tatsächlich erstickt, ist ebenfalls sehr selten.

Gefährlich ist in dem Zusammenhang natürlich, wenn die Ohnmacht im Wasser passiert und der Betroffene nicht rechtzeitig gerettet wird. Dann kann die Lunge trotzdem mit Wasser vollaufen.

Wichtiges Fazit: Viel größer als die Gefahr des „trockenen“ oder „sekundären Ertrinkens“, ist also die Gefahr des „echten“ Ertrinkens.

Denn Ertrinken ist immer noch eine der häufigsten Todesursachen bei Kindern:

Wenn du noch mehr zu dem Thema erfahren möchtest, dann schau unbedingt beim Podcast vom Kids.Doc vorbei. Er hat dem wichtigen Thema sogar eine ganze Folge gewidmet, in der er alles genau erklärt!

Und Aaron Pfisterer, Assistenzarzt in Weiterbildung zum Kinder-& Jugendarzt hat uns die wichtigsten Anzeichen für Wasser in der Lunge auch noch einmal in einem Video beschrieben:

Kommt sicher durch den Sommer, liebe Mamas!

Jana Krest

Obwohl ich ein absolutes Landkind aus der Eifel bin, lebe ich schon seit einigen Jahren glücklich in Hamburg. Hier habe ich nach meinem Bachelor in Medien- und Kommunikationswissenschaften und Soziologie auch noch meinen Master in Journalistik und Kommunikationswissenschaften gemacht. Während meines Studiums kümmerte ich mich frühmorgens, wenn die meisten noch schliefen, bei der Deutschen Presse-Agentur darum, dass die nächtlichen Ereignisse aus ganz Norddeutschland in die Nachrichten kamen. Und ich hatte jahrelang noch den für mich besten Nebenjob der Welt: Die süßen Kinder von anderen betreuen. Nachdem ich Echte Mamas zunächst als Praktikantin kennenlernen durfte, schreibe ich nun als Redakteurin über alles, was Mamas beschäftigt: Von praktischen Ratgeber-Texten über aktuelle Trends bis hin zu wichtigen Recht- und Finanzthemen.

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2 Comments
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Laura Dieckmann
Antworten  Tamara
5 Monate zuvor

Das freut uns sehr, vielen Dank für deinen lieben Kommentar!

Tamara
Tamara
5 Monate zuvor

Das ist ein sehr interessanter und auch lehrreicher Artikel, dankeschön 👍