Es ist ein absolutes Tabu: Eltern, die eines ihrer Kinder bewusst oder unbewusst bevorzugen. Das Gefühl, besonders geliebt zu werden oder um die Aufmerksamkeit der Eltern kämpfen zu müssen, kann das Leben von Geschwisterkindern nachhaltig prägen.
Laut einer Studie der Brigham Young University ist die Bevorzugung eines Kindes jedoch nicht so wild, wie vermutet ist. Vor allem, wenn das Lieblingskind der jüngste Spross in der Familie ist, wie es bei vielen der Fall ist.
Wer sich also ertappt fühlt, den kann Professor Alex Jensen, Leiter der Studie, beruhigen. Denn für jüngere Geschwister ist es offenbar wesentlich wichtiger, wer der Favorit ihrer Eltern ist, als für ältere. Sind sie es selbst, stärkt das die Eltern-Kind-Beziehung ungemein. Fühlen sie sich nicht als das bevorzugte Kind, kann genau das Gegenteil passieren: Die Bindung leidet.
Bei den älteren Geschwistern hat es überraschenderweise keine Auswirkung auf die Beziehung zu ihren Eltern, ob sie sich als das Lieblingskind fühlen oder nicht.
Wie kann das sein? Laut Professor Jensen liegt es daran, dass sich Kinder miteinander vergleichen – und zwar vor allem die jüngeren.
„Es ist natürlich nicht so, dass ältere Geschwister nie über ihren kleinen Bruder oder ihre kleine Schwester nachdenken – es ist längst kein so großer Teil ihres Lebens [wie umgekehrt].“ Denn Eltern würden eher selten zu den Großen sagen: „Warum kannst du nicht ein bisschen mehr wie dein jüngeres Geschwisterkind sein?“. Eher sei es andersherum. Das sporne die Kleineren an, mit den Älteren zu konkurrieren.
Für die Studie wurden über 300 Familien mit jeweils zwei Kindern im Teenageralter befragt. Professor Jensen ist aber der Meinung, dass die Ergebnisse bei größeren Familien sehr ähnlich ausfallen würden. „Das jüngste Kind schaut zu allen älteren auf, das zweitjüngste zu allen, die älter als es selbst sind und so weiter.“
Eltern denken oft, dass es wichtig sei, alle Kinder gleich zu behandeln. Das ist laut des Studienleiters aber nicht der Fall. „Wenn Eltern alle Kinder liebevoll und unterstützend behandeln, macht es nicht viel aus, wenn sie eines favorisieren.“
Seine Meinung: Eltern sollten ihre Kinder nicht gleich, sondern fair behandeln. Wenn man sich darauf konzentriert, ist es okay, sie unterschiedlich zu behandeln. Schließlich ist auch jedes Kind anders und hat seine eigenen Bedürfnisse.
Das klingt beruhigend. Wenn alle Kinder genug Liebe und Aufmerksamkeit bekommen, sind sie zufrieden mit ihrer Rolle in der Familie.