„Liebe Mütter, nur, wenn es euch selbst gut geht, könnt ihr auch für andere da sein!“
Wie oft ich diesen klugen Satz schon gelesen hab, weiß ich nicht. Natürlich ergibt er auf den ersten Blick Sinn: Damit ich stets fröhlich, liebevoll und leistungsfähig in all meinen Rollen als Mama, Partnerin, Freundin, Tochter und Arbeitnehmerin aufgehen kann, muss ich zuerst an mich denken. Mir Zeit für mich nehmen. Für Dinge, die mir gut tun.
Allerdings kann ich ihn nicht mehr sehen, diesen Satz. Denn wenn man mal eine Sekunde länger über ihn nachdenkt, bringt er ungewollt das eigentliche Problem auf den Punkt:
Es soll uns Mamas gut gehen – damit wir für andere da sein können. Damit wir funktionieren. Und nicht etwa einfach „nur“, damit es uns selbst… nun ja, eben gut geht!
Überhaupt, dieses ganze Selfcare- und Me-Time-Thema… Klingt nach ner guten Sache, oder? Es klingt nach Sauna-Gängen, Gesichtsmasken, bewusstem Atmen, Tagebuch schreiben. Super! Oder?
Ich finde: Nee, geht so.
„Nimm´dir bloß Zeit für dich!“ ist nett gemeint, heißt doch aber auch, dass ich mich gefälligst selbst darum kümmern muss, dass das auch klappt.
Kennt ihr das nicht auch? Ich selbst habe wirklich eine große Sehnsucht nach mehr Zeit für mich. Ich mag mein Leben sehr, ich finde meinen Job meistens super, ich liebe meine Familie und die Zeit mit ihnen. Klar tanke ich emotional auch auf, wenn ich mit meiner Tochter rumalbere und spiele. Ich bin gerne für sie da, das ist eine wundervolle Aufgabe im Leben.
Aber das ändert einfach nichts daran, dass ich kaum mal dazu komme, richtig durchzuatmen. Die Dinge zu tun, die nur mir wichtig sind, ohne Kompromisse. Ich hätte auf so viele Sachen Lust, würde so gerne ganz viel ausprobieren. Theoretisch. Denn wenn ich spätabends endlich „Feierabend“ habe, meine Tochter im Bett und die wichtigsten meiner 1001 Aufgaben erledigt sind, bin ich meistens so leer, dass es nur noch für Sofa & Serie reicht. Und das möglichst regungslos. Nägel lackieren? Zu faul. Wimpern färben? Och nö.
Wie oft habe ich schon darüber nachgedacht, im Morgengrauen vor allen anderen aufzustehen, um in Ruhe meinen Kaffee zu trinken und vielleicht ein kleines Stretching zu machen, bevor der laute Tag beginnt. Liest man ja immer wieder, diesen Tipp. Ja, ne, klar. Als ob ich freiwillig meinen Wecker früher stellen würde. Das fehlt mir noch.
Die To-Do-Liste von Müttern ist unendlich lang. Sie kann es nicht gebrauchen, dass mit „Selfcare“ noch ein weiterer Punkt dazu kommt.
Um sich Zeit für einen Wellness-oder-was-auch-immer-Termin freizuschaufeln, ist ein Haufen Organisation nötig. Und kann man sich diese Zeit denn wirklich leisten? Eigentlich hätte man doch noch so viel zu tun… Aber man MUSS sich doch auch um sich kümmern! Und so liegen wir am Ende abgehetzt in Kindhaltung auf der Yogamatte und gehen dabei im Kopf die Packliste für die Klassenreise der Tochter durch.
Der Tipp, als Mama unbedingt auf genügend „Me-Time“ zu achten, nützt also eher allen anderen.
In mitfühlendem Ton gegeben, beruhigt er das Gewissen des Umfelds. Jahaaaa, man sieht sehr wohl, dass diese Frau von morgens bis abends rödelt und sie zutiefst erschöpft ist! Man kümmert sich!
Pustekuchen. Kümmern braucht so viel mehr als eine Floskel. Wirklich helfen würden familienfreundlichere Strukturen in der Arbeitswelt und Partnerschaften, in denen die Care-Arbeit wirklich fair verteilt ist. Nützen würde ehrliches Verständnis von allen Seiten und ein Mitdenken.
Denn so, wie es jetzt ist, ist das Konzept von Selfcare für viele praktikabel und wunderbar – nur nicht für Mamas. Ehrlich gesagt artet für sie das Ganze eher in Stress aus, als dass es ihn nimmt.
Und so, wie es jetzt ist, ist es auf lange Sicht auch brandgefährlich: Denn so ist eine Mama, wenn sie dann vielleicht irgendwann unter völliger Erschöpfung leidet, „auch ein wenig selbst schuld, ne?“ Schließlich hätte sie sich ja mal ein wenig mehr Zeit für sich einräumen können!
So, wie es jetzt ist, nützt eine Stunde Me-Time ab und zu einfach gar nichts.