„Nach meiner Fehlgeburt erfuhr ich so viel Mitgefühl wie noch nie.”

Uns hat Selina geschrieben, die zwei Sternchen viel zu früh gehen lassen musste. Sie hat die Geschichte von Vanessa gelesen, die nach ihrer Fehlgeburt um eine Krankschreibung betteln musste. Selina hatte Glück: Sie traf auf verständnisvolle Ärzte und ein liebevolles Umfeld und möchte nun ihre Geschichte erzählen, um ein positives Beispiel zu zeigen.

„Als ich nach unserem Sohn wieder schwanger wurde, war die Freude groß. Ich habe es sofort an den typischen Anzeichen gemerkt – und der Frühtest bestätigte es dann. Beim Frauenarzt folgte dann eine Überraschung: Ich erwartete sogar ein doppeltes Wunder.

Wir waren total überwältigt und freuten uns.

Wir planten schon, wie es sein würde, von einem Kind auf drei. Leider sah man beim zweiten Termin beim Frauenarzt immer noch keinen Herzschlag. Die Ärztin meinte: ‚Wir schauen nach dem Wochenende noch mal. Es ist früh und vielleicht brauchen die Zwillinge noch ein bisschen.‘

Beim dritten Termin saß ich so ängstlich wie noch nie beim Frauenarzt. Da waren tatsächlich zwei Herzschläge. Ich war erleichtert, doch es sollte alles anders kommen.

Kurze Zeit später kam die Blutung, ich war gerade in der 11. Woche.

Zunächst nur ganz leicht, doch meine Frauenärztin schickte mich sofort ins Krankenhaus. Dort folgte die erschütternde Nachricht: Eines meiner Babys hatte sich an der Gebärmutterwand festgesetzt. Ich sollte eine Nacht im Krankenhaus bleiben, um sicherzustellen, dass mit dem zweiten Baby alles gut ist. Die Nacht kommt mir rückblickend vor wie ein Film. Morgens gab es einen weiteren Ultraschall und dort erfuhr ich, dass auch das zweite Herz aufgehört hatte, zu schlagen.

Ich bekam aber sofort sehr viel Mitgefühl von allen Beteiligten. Keiner sagte etwas Unsensibles oder nahm uns nicht ernst. Im Gegenteil: Mir wurden Hilfestellungen gegeben und Blut abgenommen, um zu schauen, ob man eine Ursache finden kann, weil es für meinen Mann und mich so unbegreiflich war.

Da wir schon im Krankenhaus waren, meldeten wir mich direkt zur Ausschabung an.

Die nächsten 24 Stunden waren für mich unwirklich. Aufgrund meiner großen Trauer bekam ich mehrere Beruhigungstabletten und es wurde für uns beide eine Trauerbegleitung gerufen. Doch daran kann ich mich tatsächlich kaum noch erinnern. Ich weiß, wie ich im Raum lag, nur geweint habt und es nicht verstanden habe, was passiert. Aber ich erinnere mich auch an das Mitgefühl, das mir von allen Seiten entgegengebracht wurde.

Nach der OP kam der Anästhesist, um nach mir zu schauen und sich zu entschuldigen, da er mir wesentlich mehr Medikamente geben musste als angesetzt. Seine Worte waren: ‚Ich musste Ihnen mehr geben. Ihr Körper wollte die beiden nicht loslassen.‘ Das war für mich in dem Moment sehr traurig zu hören.

Ich wusste, sie wollten nicht gehen, ich wollte sie nicht gehen lassen. Im Nachhinein sage ich: Diese Worte waren die schönsten Worte in dieser Zeit. Weil ich weiß, dass mein Körper bis zum Schluss für die Kleinen kämpfen wollte.

Dass ich mit Zwillingen schwanger war, sprach sich bei uns im Ort ganz schnell rum.

Wir waren auf einer Hochzeit eingeladen und ich war Fahrerin, was ungewöhnlich war. Es wussten deswegen schnell alle Bescheid. Doch genauso schnell sprach es sich dann auch rum, dass ich die beiden wieder verloren hatte.

Gleich ein Wochenende später war wieder ein Ortsfest. Mein Mann und wollten uns dort nur kurz etwas Kleines zu essen holen und unseren Sohn bei Oma und Opa abgeben. Doch als wir ankamen, habe ich so viele tolle Reaktionen erlebt. Ich habe das größte Mitgefühl bekommen, was ich jemals in meinem Leben erhalten habe. Sowohl von Menschen, von denen ich es erwartet habe, als auch von Menschen, von denen ich es nie gedacht hätte.

Viel sagten einfach nur: ‚Ich weiß nicht, was ich sagen soll.‘

Und nahmen mich in den Arm. Andere standen einfach mit offenen Armen vor mir. Mit tat es irgendwie total gut, dass ich nicht darüber sprechen musste, aber jeder Bescheid wusste.

Nach einer Zeit, in der ich viele Höhen und Tiefen hatte, spreche ich mittlerweile ganz offen und mit jedem. Man erfährt so vieles über seine Mitmenschen, denn ich stellte fest, dass ganz viele Menschen eine ähnliche Erfahrung durchmachen mussten. Jede zweite bis dritte Mama oder Papa erzählte mir: ‚Wir auch!‘ Für mich war es unbegreiflich, dass sie in meinem Freundeskreis waren und sie nie darüber gesprochen haben.

Für mich war es zum Glück kein Problem, krankgeschrieben zu werden.

Ich wurde sofort für vier Wochen krankgeschrieben und habe im Anschluss weitere zwei Wochen bekommen. Die Ärztin meinte: ‚Nehmen Sie sich die Zeit‘. Da mein Chef auch darüber Bescheid wusste und mir den Rücken stärkte, wusste ich, dass ich die zusätzlichen zwei Wochen mit gutem Gewissen nehmen kann. Ich habe sogar von ihm den Geburtstermin frei bekommen – ohne, dass ich was gesagt habe.

Ich weiß, es ist nicht selbstverständlich, aber ich wollte meine Geschichte erzählen, um zu zeigen, wie wichtig es ist, dass das Umfeld richtig reagiert. Es macht für Betroffene einen großen Unterschied und ich bin sehr dankbar dafür.


Liebe Selina, vielen Dank, dass wir deine Geschichte erzählen durften. Wir wünschen dir und deiner Familie alles Liebe für die Zukunft!

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Lena Krause

Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach!

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