Für ein Kind gibt’s in Deutschland jeden Monat 250 Euro Kindergeld – eine Finanzspritze, die den Familien direkt zugute kommt. Nun schlägt der FDP-Landesvorsitzende von NRW, Henning Höne, vor, das Kindergeld zu halbieren, um die frei werdenden Mittel (immerhin 27 Milliarden Euro bundesweit) in Kitas und Schulen zu stecken. Gute Idee oder völlig an der Realität vorbei? Insa Tietjen, Sprecherin der Hamburger Linken im Bereich Kinder und Kindertagesstätten, antwortet bei uns darauf.
Der Vorschlag: Kindergeld kürzen, damit Kitas und Schulen profitieren
In einem Gastbeitrag bei t-online.de forderte Henning Höne (FDP) „eine mutige Veränderung“, und zwar: „Wir müssen das Kindergeld halbieren, um den Bildungserfolg zu verdoppeln. Eine Hälfte des Kindergelds sollte künftig direkt in den Ausbau und die Qualität unserer Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur fließen. Damit bieten wir nicht nur Unterstützung, sondern schaffen die Bedingungen für wahre Chancengerechtigkeit und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.“
Höne argumentiert in diesem Beitrag, das Kindergeld sei „in Zeiten, in denen Kinder noch hauptsächlich von der Mutter im häuslichen Umfeld betreut wurden, (…) eine eintscheidende Entlastung für Familien (gewesen).“ Allerdings sähe die Realität heute anders aus, und er fügt hinzu: „(…) In einem wirtschaftlich starken Land wie Deutschland sollte kein Elternpaar zwischen Beruf und Betreuung wählen müssen.“
Eine verbesserte Betreuung hätte direkte Effekte auf die Erwerbstätigkeit von Eltern
Höne nennt die Halbierung des Kindergeldes keine Sparmaßnahme, sondern eine „Umschichtung direkter Familienleistungen in indirekte Familienleistungen“, von denen am Ende alle profitieren würden. Er führt zudem an: „Laut einer Stepstone-Studie sind etwa zwei Drittel aller berufstätigen Eltern bereit, ihre Arbeitszeit aufzustocken, wenn verlässliche Betreuungsangebote vorhanden wären.“
Dass Deutschland dringend mehr Geld in Kitas und Schulen investieren muss, ist klar.
Allerdings bleibt die Frage: Muss man dazu den Rotstift wirklich direkt bei den Familienleistungen anlegen? Gäbe es nicht andere Wege, um Gelder dafür frei zu machen, wie zum Beispiel eine Lockerung der Schuldenbremse oder eine Vermögenssteuer, wie andere Länder sie erheben?
Insa Tietjen, Sprecherin der Hamburger Linken im Bereich Kinder und Kindertagesstätten, antwortet bei Echte Mamas auf diesen Vorschlag:
„Der Vorschlag des FDP-Vorsitzenden von Nordrhein-Westfalen, das Kindergeld zu halbieren, wäre ein Schlag ins Gesicht vieler Familien in diesem Land. Die Unterfinanzierung der sozialen Infrastruktur mit der Halbierung des Kindergelds beantworten zu wollen, würde insbesondere Familien mit mehreren Kindern und/oder geringem Einkommen treffen und das in einem Land, wo das Einkommen der Eltern die Bildungs- und Aufstiegschancen von Kindern maßgeblich mit beeinflusst. Wir leben in einem Land, wo jedes 5. Kind in Armut aufwächst oder von Armut bedroht ist. 41 Prozent der Alleinerziehenden gelten laut Bertelsmann-Stiftung als arm oder armutsgefährdet. An dieser Stelle beim Kindergeld die Axt anlegen zu wollen, halte ich für völlig verantwortungslos und verkennt die soziale Lage in unserem Land. Eine bessere Ausfinanzierung der sozialen Infrastruktur kann gelingen, wenn Deutschland und die Bundesländer die Schuldenbremsen aussetzen oder zumindest reformieren. Selbst Angela Merkel hat bereits erkannt, dass die Schuldenbremse den notwendigen Investitionen im Wege steht. Vielen ist nicht bewusst, dass Kitas die erste Bildungseinrichtung für die allermeisten Kinder sind. Daher ist es zwingend notwendig, sie umfassend auszufinanzieren und gleichzeitig den Beruf als Erzieherin zu attraktiveren, um ein weiteres Abwandern der Fachkräfte zu verhindern. Gut ausfinanzierte Kitas wirken auch präventiv, da etwaige Folgekosten im weiteren Bildungsweg der Kinder hierdurch minimiert werden können. Abschließend: Ich halte den Vorschlag des Vorsitzenden der NRW-FDP für aberwitzig und hoffe, nein, gehe davon aus, dass dieser gesellschaftlich keine Mehrheit hat.“
Wem stimmt ihr zu?
Wärt ihr mit einer Kürzung des Kindergeldes einverstanden, oder stimmt ihr eher Insa Tietjen zu? Wir sind gespannt auf eure Meinung!