Zum ersten Mal habe ich vor ein paar Wochen davon gehört: Eine Kollegin erzählte, dass ihre Ärztin von Polioviren im Abwasser gesprochen hätte. Polioviren können im Fall einer Infektion Kinderlähmung auslösen. Ich war beunruhigt, konnte es aber auch nicht richtig glauben. Inzwischen rät auch das Gesundheitsamt dazu, den Impfstatus von Kindern zu überprüfen.
Eigentlich galt die Kinderlähmung in Europa angesichts hoher Impfraten als nahezu ausgerottet. Doch nun haben Wissenschaftler in mehreren europäischen Ländern ungewöhnlich große Mengen an Polioviren festgestellt. Bisher ist noch nicht bekannt, woher diese stammen.
Abwassermonitoring: Viren an allen Test-Standorten nachgewiesen
Die Viren wurden in dem vom Robert-Koch-Institut (RKI) als Frühwarnsystem eingesetzten Abwassermonitoring in mehreren deutschen Städten nachgewiesen. Erkrankungen oder Verdachtsfälle wurden allerdings bisher nicht gemeldet.
Auf den Seiten des RKI ist nachzulesen: „Im Moment wird das Abwasser im Rahmen des Forschungsprojekts PIA an mehreren Standorten in Deutschland regelmäßig auf Polioviren getestet: München, Mainz, Köln, Bonn, Düsseldorf, Dresden und Hamburg. All diese Standorte sind derzeit betroffen (…). Dass der Erreger aktuell auch in anderen Regionen vorkommt, ist möglich.”
Vollständige Impfung ist der wichtigste Schutz
Eltern sollten in Anbetracht dieser Befunde den Impfstatus ihrer Kinder prüfen, dieser lässt sich ganz einfach am Impfausweis ablesen. Das RKI schreibt dazu: „Kinder im Alter zwischen 12 Monaten und 8 Jahren sollten mindestens dreimal gegen Poliomyelitis geimpft worden sein.” Eine dreimalige Impfung biete einen Schutz von nahezu 100 Prozent vor der Erkrankung.
In Deutschland gab es seit etwa 20 Jahren keinen Fall mehr, doch dadurch hat das Virus offenbar für viele seinen Schrecken verloren: die Zahl der Eltern, die ihre Kinder vollständig impfen lassen, sinkt seit Jahren. Dem RKI zufolge haben heute nur etwa 90 Prozent der Babys in Deutschland die nötige Polio-Impfung. Experten mahnen aber, dass eigentlich eine Impfquote von 95 Prozent nötig wäre, um das Virus weiterhin im Griff zu haben.
Kinder unter fünf Jahren sind besonders gefährdet
Für die durch das Polio-Virus ausgelöste Krankheit (auch Poliomyelitis genannt) gibt es bis heute keine Medikamente zur Behandlung und sie ist nicht heilbar. Das hoch ansteckende Virus überträgt sich über Schmierinfektionen von Mensch zu Mensch und greift das zentrale Nervensystem an.
Dabei kommt es zu unterschiedlich schweren Verläufen: Polio kann zum Beispiel zu Lähmungen führen, wie bei Rita, die uns ihre Geschichte erzählt hat. Unter Umständen aber auch zum Tod. Besonders gefährdet sind Kinder unter 5 Jahren.