Manche Kinder können es schon als Kleinkind wunderbar, andere tun sich noch im Grundschulalter schwer: Wenn der Nachwuchs sich auch mal mit sich alleine beschäftigen kann oder sogar gerne alleine spielt, kann das den Alltag entspannen. Andersherum ist es manchmal anstrengend, wenn das Kind sich so gar nicht selbst beschäftigen kann.
Uns hat dazu die Nachricht einer Mama erreicht, die sich fragt, wie sie damit umgehen soll, dass ihre vierjährige Tochter gerade gar nicht mehr alleine spielen möchte. Wenn du wissen möchtest, was unsere Expertin dazu sagt, dann lies unbedingt weiter!
„Hilfe, unsere Vierjährige will absolut nicht alleine spielen”
Die Mama, die lieber anonym bleiben möchte, beschreibt die Situation so: „Meine vierjährige Tochter kann sich absolut null selber beschäftigen. Sie geht natürlich in den Kindergarten, aber kaum sind wir zuhause, fragt sie sofort, ob wir noch irgendwo hinfahren oder ob wir noch Besuch bekommen. Ist die Antwort ‚nein‘, wird sie maximal nölig und unerträglich.
Wir haben mehrere Spiel-Verabredungen pro Woche und sind auch einmal pro Woche beim Kinderturnen, das finde ich eigentlich genug Input für eine Vierjährige. Bald kommt auch noch der Schwimmkurs dazu.
„Mein Problem ist, dass sie einfach nicht alleine spielen kann.”
Ein eigenes Zimmer mit Spielsachen, Kaufladen, Playmobil, Kinderküche und Co ist vorhanden, da verbringt sie aber faktisch null Zeit. Jeder Vorschlag wird abgelehnt. Es sei denn, wir wollen uns abends bettfertig machen, DANN wird das Spielzeug plötzlich interessant.
Sie möchte also tagsüber ausnahmslos von mir beschäftigt werden, mit mir malen, mit mir spielen, mit mir Bücher gucken. Natürlich mache ich das auch jeden Tag eine Weile, aber erstens bin ich nicht so die Spiele-Mama und zweitens habe ich auch noch ein Baby und einen Haushalt..
Egal, wie lange ich mich mit ihr beschäftige, es ist ihr nie genug und sie schiebt dann richtige Wutanfälle, wenn ich sage, jetzt möchte/muss ich was anderes machen. Ist das normal für das Alter….?”
Kind will nicht alleine spielen: Das rät die Expertin
Wir haben unsere Expertin Sonja Sidoroff gefragt, sie ist Mama-Coach und Sozialpädagogin. Sie stellt klar: „Jedes Kind ist anders. Manche können sich von Anfang an gut alleine beschäftigen und sind sich selbst genug, während andere lieber mit ihrer Bezugsperson spielen und wenig wissen, was sie alleine tun sollen. Hier spielt einerseits die Persönlichkeit des Kindes eine Rolle, andererseits haben wir aber auch als Eltern Einfluss darauf, ob unser Kind gut alleine spielen kann oder nicht.”
Kinder können diese Fähigkeit bereits sehr früh entwickeln: „Bereits Babys beginnen, alleine zu spielen, wenn auch nur für wenige Minuten. Zum Beispiel, wenn sie mit ihrer Rassel oder ihren Fingern spielen oder ganz versunken auf ihrem Teddy herumkauen. Auch das ist bereits ‚spielen‘, und hier dürfen wir Eltern uns zurücknehmen und dem Baby Zeit für sich selbst geben.”
Typischer Fehler vieler Eltern beim Spielen
Ein klassischer Fehler in dieser frühen Phase: „Oft haben Eltern den Impuls, das Kind aktiv beschäftigen zu müssen, weil sie sonst ein schlechtes Gewissen haben: ‚Ich kann doch nicht einfach so rumsitzen, während mein Kind alleine da liegt oder sitzt.‘ Doch genau das sollten wir tun. Wenn wir ständig in das Spiel des Kindes eingreifen, tun wir ihm keinen Gefallen. Es wird schnell lernen, dass Mama oder Papa immer bereit sind, es zu unterhalten, und dass es viel mehr Spaß macht, wenn die Eltern mitspielen, da es dann oft mehr Action gibt.
Warum sollte ich mich selbst beschäftigen, wenn ich auch unterhalten werden kann? Es ist kein natürliches Verhalten, das Kind ständig zu entertainen. Diese Erwartung ist erst seit wenigen Jahrzehnten in der westlichen Welt verbreitet. In vielen Ländern der Welt ist es noch heute unüblich, dass Erwachsene mit den Kindern spielen.
Wie viel sollten wir mit dem Kind spielen?
Heißt das nun, dass wir gar nicht mehr mit unseren Kindern spielen sollten? Nein, natürlich nicht, ABER: „Vielmehr sollten wir uns bewusst machen, dass wir sie ihrer Fantasie und Selbstständigkeit berauben, wenn wir zu häufig in ihr eigenes Spiel eingreifen. Wenn wir das tun, machen wir sie von uns abhängig, indem wir ihnen die Möglichkeit nehmen, sich selbst genug zu sein.
Bereits Babys (ab 3-4 Monaten) können für kurze Zeit alleine ‚spielen‘. Mit 1-2 Jahren schaffen es Kinder in der Regel schon 15-30 Minuten. Kindergartenkinder können sich schon mehrere Stunden, mit Unterbrechungen alleine beschäftigen. Am besten übt man das, indem man selbst den Haushalt macht (kocht, aufräumt) oder kurz die Ruhe auf der Couch genießt, während das Kind sich selbst beschäftigt.”
Wie kann ich mein Kind ans alleine Spielen gewöhnen?
Für den Übergang hat Sonja Sidoroff folgende Empfehlung: „Man kann sich auch zu dem Kind setzen, aber darauf achten, dass man nicht permanent aktiv ins Spiel eingreift, sondern eher neben dem Kind spielt. So ist man zwar zusammen, aber jeder beschäftigt sich für sich. Dadurch wird das Kind langsam an das Alleinespielen herangeführt.
Wenn ältere Kinder sich noch immer nicht gut alleine beschäftigen können, liegt das oft daran, dass sie es nie lernen mussten. Wenn wir dann beginnen, sie an das Alleinespielen heranzuführen, kann es sein, dass sie zunächst protestieren. Druck oder Zwang sind jedoch keine gute Lösung. Zu Beginn könnte man das Spiel gemeinsam beginnen und sich dann nach und nach mehr zurückziehen.
Eine andere Möglichkeit ist, das Kind ein Spiel auswählen zu lassen, das es besonders gerne macht (das könnte auch etwas zu malen oder basteln sein), sodass es die Motivation hat, sich selbst damit zu beschäftigen. Als Eltern sollten wir außerdem sicherstellen, dass das Kind einen sicheren und einladenden Ort zum Spielen hat, an dem es seine Kreativität frei entfalten kann.”
Die Empfehlung: Freies Spielen ohne Druck
„Wir sollten es auch vermeiden, das Kind im Spiel ständig zu korrigieren, nur weil wir es vielleicht für unlogisch oder ‚falsch‘ halten. Das Kind soll ganz in seine Fantasiewelt abtauchen dürfen, ohne ständig gestört zu werden.
Für die betroffene Mama empfehle ich, sich weder selbst noch das Kind unter Druck zu setzen und am besten schon heute mit diesen kleinen Schritten zu beginnen, um das eigenständige Spielen zu fördern.”
Wichtig: Dies alles ist natürlich kein Aufruf dazu, Kinder immer alleine spielen zu lassen!
Ganz im Gegenteil, es ist nichts so schön für sie, als wenn sie Zeit mit Mama und/oder Papa verbringen. Und zwar „Quality Time“ ohne Handy etc., dafür aber mit der vollen Aufmerksamkeit der Erwachsenen. Beides ist wertvoll: Das gemeinsame Spielen, aber eben auch, dass Kinder alleine spielen. Mehr dazu auch HIER >>>