Wie lebt man, wenn man weiß, dass man jeden Augenblick sterben könnte?!
Glücklicherweise müssen sich nicht viele von uns ernsthaft mit dieser Frage auseinandersetzen. Aber einige Mütter leider eben schon. Eine von ihnen ist Carina, die vor fünf Jahren erfuhr, dass sich ein lebensbedrohliches Aneurysma in ihrem Kopf gebildet hatte. Ein Aneurysma ist eine krankhafte Aussackung einer Schlagader. Platzt ein Aneurysma auf, kann eine gefährliche Blutung entstehen, die im schlimmsten Fall für den Betroffenen den Tod bedeutet.
Carina wollte sich trotz der Diagnose ihren Traum von einer Familie erfüllen. Hier erzählt sie ihre Geschichte:
„Alles fing damit an, dass ich täglich unter starken Kopfschmerzen litt. Ich war Anfang Zwanzig und lebte ein ganz normales Leben. Ich war in einer glücklichen Beziehung mit meinem Freund und arbeitete als sozialpädagogische Assistentin in einem kleinen ländlichen Kindergarten in der Nähe von Flensburg.
2012 ließ ich mich zum ersten Mal wegen der dauerhaften Schmerzen in meinem Kopf untersuchen.
Mein Hausarzt schrieb mir eine Überweisung für ein MRT und nach dieser Untersuchung bekam ich die Schock-Diagnose. In meiner linken Gehirnhälfte hatte sich ein kleines Aneurysma gebildet.
Wie sich herausstellte, hatte das Aneurysma allerdings nichts mit meinen Kopfschmerzen zu tun und war so etwas wie ein Zufallsbefund. Was es natürlich nicht besser machte.
Ich dachte nur noch an eins: „Muss ich jetzt sterben?“, „Ist mein Leben schon vorbei?“.
Die Ärzte klärten mich auf: Ein Aneurysma kann zum Tod führen, muss aber nicht. Und das Aneurysma in meinem Kopf war klein, und eine Operation wäre ein großes Risiko.
Für mich kam eine sofortige Operation nicht in Frage, ich hatte schließlich noch so viel vor.
Ich entschied aber, mein Leben meiner Krankheit anzupassen. Ich beschloss, sofort mit dem Rauchen aufzuhören und mir mehr Ruhe zu gönnen. Ich ging abends nicht mehr aus und Alkohol trank ich auch keinen mehr.
Ich stellte meinen Lebensstil komplett um und achtete sehr penibel darauf, dass ich nichts tue, was meinen Zustand verschlechtern könnte.
Und ich machte mir viele Gedanken. Ein Gedanke, der mir immer wieder kam, war mein großer Wunsch nach einer eigenen Familie.
Es war schon immer mein Traum, Kinder zu bekommen, und diesen Traum wollte ich unbedingt verwirklichen.
Ich sprach also wieder mit den Ärzten. Sie sagten mir, dass eine Schwangerschaft kein Problem wäre, nur die Geburt wäre ein Risiko. Während der Geburt würde die Gefahr bestehen, dass das Aneurysma platzt, wenn ich etwa „falsch“ pressen würde.
Ich hatte wirklich großes Glück und wurde schnell schwanger. Im September 2015 wurde unsere wundervolle Tochter Martha geboren. Sie wurde, wie auf Anraten der Ärzte, per Kaiserschnitt geholt.
Und da ich nie wusste, wie viel Zeit mir noch bleibt, entschieden wir uns direkt für ein zweites Kind. Wieder klappte es sofort, und im März 2017 erblickte unser Strahlemann Iver das Licht der Welt.
Die beiden sind mein größtes Glück und ich bin sehr dankbar, dass ich es erleben durfte, Mutter zu werden.
Aber der Alltag mit zwei Kindern ist natürlich auch eine große Herausforderung und ich merkte, dass meinem Körper einiges abverlangt wurde. Immer häufiger fragte ich mich nach der Geburt von Iver, was wäre, wenn das Aneurysma platzen würde oder ich einen Schlaganfall bekomme würde.
Ich könnte nicht mehr für die beiden da sein.
Die Sorge wuchs von Tag zu Tag, und ich besprach mich mit meinem Mann. Wir kamen zu dem Entschluss, dass ich das Aneurysma behandeln lassen muss.
Ich habe Kontakt zur Uniklinik in Kiel aufgenommen und wurde dort genauestens untersucht. Wie sich herausstellte, war das Aneurysma größer geworden, und ich hätte auch gar nicht mehr lange abwarten können. Eine Operation war unumgänglich und es wurde ein schneller Termin zur Entfernung vereinbart.
Die drei Wochen zwischen der Untersuchung und der Operation waren extrem nervenaufreibend. Ich hatte große Angst zu sterben.
Aber ich wusste auch, dass kein Weg an der Operation vorbei führen würde. Ich war schließlich zu einer tickenden Zeitbombe geworden.
Wir haben unseren Kinder erklärt, dass ich erst einmal nicht zu Hause schlafen würde, und dann bin ich ins Krankenhaus gefahren.
Die Operation verlief genau nach Plan und ich bin unendlich dankbar, dass ich leben darf.
Unsere Familie hat uns während der Zeit großartig unterstützt und war immer für uns da. Meine Eltern, meine Schwiegereltern und meine Freunde haben sich rührend um uns gekümmert und mich aus jedem Tief wieder herausgeholt. Sie haben mir zugehört und mich immer wieder aufgebaut.
Ich rechne das jedem Einzelnen sehr hoch an. Was wären wir nur ohne sie gewesen.
Als meine Tocher zum ersten Mal das große Pflaster auf meinem Kopf gesehen hat, haben wir ihr erklärt, dass Mama „Aua“ hat und ich sie beispielsweise nur sehr vorsichtig hochheben darf.
Sie war so verständnisvoll und voller Fürsorge.
Mir geht es heute wieder gut und die Narbe erinnert mich jeden Tag daran, wie sich mein Leben seit der ersten Diagnose verändert hat.
Mit meiner kleinen Familie lebe ich nämlich genauso, wie ich es mir immer erträumt habe.“