Ich habe vor vier Monaten meinen kleinen Sohn auf die Welt gebracht. Die Geburt war zwar schmerzhaft, aber es gab eigentlich keine Komplikationen. Jetzt habe ich folgendes Problem: Sobald ich huste, niese, oder auch nur etwas anheben will, verliere ich ein paar Tropfen Urin. Nicht so schlimm, dass man es von außen sieht, aber meine Unterhose ist nass, und – mega peinlich – man riecht es natürlich auch nach einer Weile, wenn ich mich nicht sofort umziehe. Ich war auch schon beim Frauenarzt – er hat zwei Finger in meine Vagina gesteckt, gesagt, ich soll mal anspannen, und meinte: „Ist doch alles top.“ Aber das ist doch nicht normal? Oder muss ich mich jetzt damit abfinden?“
Du wirst es kaum glauben, aber diese oder ähnliche Probleme hat jede dritte Mama nach der Geburt. Es ist nur ein solches Tabuthema, dass kaum eine darüber spricht. Ist ja auch peinlich, wenn man zugeben muss, dass man sich in die Hose pinkelt. Dabei ist das Problem in vielen Fällen mit konsequentem Training und den richtigen Reizen zu beheben.
Juliana Afram ist pre- und postnatal Trainerin und spezialisiert auf Beckenbodenprobleme bei Müttern. Sie gibt folgende Tipps: „Zuerst einmal musst du feststellen lassen, ob das Problem ein muskuläres ist. Also ob deine von der Geburt überdehnten und den Schwangerschaftshormonen gelockerten Muskeln zu schwach sind. Oder ob eine andere Geburtsverletzung die Ursache ist.
Ich habe schon oft gehört, dass der „Fingertest“ ergeben hat, dass die Muskeln kräftig genug sind. Aber: Wenn du halbschräg und entspannt beim Gynäkologen auf dem Stuhl liegst und den Beckenboden anspannst, ist dein ganzer Beckenboden weniger belastet, als würdest du dich aus dem Stand bücken und etwas Schweres anheben.
Man muss den ganzen Körper betrachten: Durch die Schwangerschaft entsteht oft eine Beckenkippung nach vorne, das Becken insgesamt weitet sich und es entsteht häufig der „Watschelgang“. Auch der Bereich unter den Rippen hat sich geweitet, um Platz für das Baby zu machen. Durch all diese Veränderungen erhöht sich der Druck auf den Beckenboden.
Vielen meiner Kundinnen muss ich neben dem Training der Beckenbodenmuskeln erstmal wieder die richtige Haltung und Atmung beibringen. Das ist kein Hexenwerk, jeder kann das lernen – auch die, die von sich sagen, gar kein Körpergefühl zu haben. Für manche Mamas ist es schwieriger, da man die Beckenbodenmuskeln nicht sieht, und nicht offensichtlich weiß, was man da eigentlich anspannen soll.
Du musst dich keinesfalls damit abfinden, dass da jetzt einfach immer mal ein paar Tropfen Urin abgehen. Ganz im Gegenteil – das ist so eine Einschränkung der Lebensqualität! Vor allem, wenn du aus der „Babyblase“ auftauchst, und das Leben wieder mehr draußen stattfindet, ist es schrecklich, nie zu wissen, ob man in eine Situation kommt, wo die Hose nass werden könnte. Lass zuerst abklären, ob du eine muskuläre Schwäche hast und in welchem Bereich diese genau sitzt. Es gibt Fachärzte genau für diesen Bereich: Uro-Gynäkologen. Sie können gezielt helfen, auch bei Gebärmutter-Senkungen, anderen Geburtsverletzungen oder Lageverschiebungen der inneren Organe
Sind die Muskeln das Problem, bekommst du das in den Griff. Fang sofort mit Beckenbodentraining an – je früher, desto besser (auch ein Grund, weshalb die Krankenkassen die Rückbildung nur in den ersten Monaten nach der Geburt bezahlen, um die Mamas zu zwingen, im richtigen Zeitraum zu trainieren). Aber nicht einfach irgendwas machen, lass dir die Übungen unbedingt von Experten zeigen! Falsches Training ist fast genauso schlimm wie gar kein Training.
Um dir Hoffnung zu machen: Ich hatte von all meinen Kundinnen mit muskulärer Beckenbodenschwäche noch nicht eine, der ich – oder eine zusätzliche physiotherapeutische Intervention – nicht helfen konnte, und die immer noch inkontinent ist. Du musst aber mitmachen! Und sicher ein halbes Jahr konsequent trainieren – aber beispielsweise 100 Kontraktionen über den Tag zu verteilen kann jede Mama schaffen.“
Juliana Afram kann übrigens auch Müttern helfen, die nicht vor Ort mit ihr trainieren können: Sie hat eine Facebook-Gruppe für Mamas, in der du live mit ihr trainieren kannst, außerdem findest du weitere Informationen und Videos zu diesem Thema auf ihrer Website www.thecenter.tv