Die meisten Paare in Deutschland wünschen sich zwei Kinder – und dennoch liegt die Zahl der Geburten pro Frau in Deutschland seit Jahrzehnten unter 1,5 Kindern.
Woran liegt das? Wieso wird aus dem Wunsch nach einer vierköpfigen Familie offenbar bei vielen Eltern plötzlich doch „nur“ eine Kleinfamilie mit Einzelkind?
Eine mögliche Ursache hat das Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) gefunden: Eltern werden nach der Geburt des ersten Kindes offenbar deutlich unglücklicher und unzufriedener mit ihrem Leben – zumindest vorübergehend.
Die meisten frischgebackenen Eltern würden ihre Unzufriedenheit natürlich nicht offen zugeben. Schließlich wird ja erwartet, dass sie in Glück und Erfüllung schwelgen. Deshalb wäre es für die meisten ein Tabu zuzugeben, dass die ersten Jahre mit einem Baby hart sind – und unglücklich machen können.
Die Untersuchung wurde deshalb auf einem „Umweg“ vorgenommen, und zwar mit Hilfe der Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP). Dabei werden jährlich etwa 20.000 Teilnehmer befragt, unter anderem zu ihrer persönlichen Lebenszufriedenheit.
Die Teilnehmer bewerten ihr Lebensglück auf einer Skala von 1 bis 10. Zusätzlich werden bedeutende Ereignisse und Veränderungen im Leben erfragt, so zum Beispiel auch die Geburt eines Kindes.
Vergleicht man die Ergebnisse aus mehreren Jahren, kann man die Schwankungen in der Zufriedenheit messen. Bei der Auswertung dieser Zahlen kam das Max Planck Institut zu folgenden Erkenntnissen:
1. Mütter und Väter fühlten sich im ersten Jahr mit Baby im Durchschnitt um 1,4 Einheiten weniger glücklich, als während der vorangegangenen zwei Jahre. Mehr als ein Drittel der Studienteilnehmer empfanden es sogar noch schlimmer und zogen 2 oder mehr Glückseinheiten von der Skala ab.
Damit empfanden sie sogar einen intensiveren Einschnitt in ihre Lebenszufriedenheit als Menschen, die Arbeitslosigkeit, eine Scheidung oder sogar den Tod des Partners erfahren mussten.
Hier muss allerdings ergänzt werden, dass die Zufriedenheitsskala bis kurz vor der Geburt des ersehnten Nachwuchses deutlich angestiegen war.
2. Nur 58 Prozent derjenigen, deren Zufriedenheit nach der Geburt des ersten Kindes um drei oder mehr Glückseinheiten sank, bekamen innerhalb der nächsten 10 Jahre ein zweites Kind.
3. Besonders diejenigen Eltern, die bei der Geburt des ersten Kindes 30 Jahre oder älter waren und eine mindestens 12-jährige Ausbildung absolviert haben, machten es von ihrer Zufriedenheit abhängig, ob sie nach dem ersten Kind weiteren Nachwuchs bekamen.
„Die Erfahrungen der Eltern während und nach der ersten Geburt bestimmen mit, wie groß die Familie am Ende wird“, schlussfolgert Mikko Myrskylä, Direktor und Wissenschaftliches Mitglied am MPIDR.
„Politiker, die sich Sorgen um niedrige Geburtenraten machen, sollten darauf achten, dass es den jungen Eltern schon beim ersten Kind gut geht – und zwar rund um die Geburt und danach.“
Was genau die sinkende Zufriedenheit verursacht, wurde zwar nicht untersucht, Myrskylä vermutet jedoch Folgendes:„Generell beklagen junge Eltern zunächst häufig Schlafmangel, Schwierigkeiten in der Partnerschaft und den Verlust von Freiheit und Kontrolle über ihr Leben.“
Auch das Hin-und-Hergerissen-Sein zwischen Beruf und Familie oder eine traumatische Geburtserfahrung können eine Rolle spielen, heißt es in der Pressemitteilung zur Studie.
Doch Myrskylä macht Eltern Mut, die aufgrund der herausfordernden Babyjahre ins Grübeln kommen: „Trotz der Unzufriedenheit nach dem ersten Kind wirken sich bis zu zwei Kinder insgesamt und langfristig eher positiv auf das Lebensglück aus“.
Also, habt Mut und haltet durch, wenn ihr gerade euer zweites Kind plant oder bereits erwartet. Ihr werdet mit neuem Lebensglück belohnt, auch wenn ihr es vielleicht erst später merkt.