Dies ist die Geschichte einer echten Mama aus unserer Community. Aus persönlichen Gründen möchte sie gern anonym bleiben. Der Name ist uns bekannt.
„Die Geburt meiner jüngsten Tochter lag gerade erst vier Monate zurück, als ich erfuhr, dass ich ungeplant wieder schwanger war. Es war ein Schock! Ich hatte bereits drei kleine Kinder und war mit diesen schon mehr als ausgelastet.
Ich fühlte, dass ich drei kleinen Kindern und einem weiteren Baby körperlich und nervlich einfach nicht gewachsen war. Und vom Vater der Kinder konnte ich leider keine große Hilfe und Unterstützung erwarten.
Ich wusste, weil ich ja gerade tagtäglich die Erfahrung machte: Wenn es hart auf hart kam, würde ich allein da stehen. Klar sagten mir auch Freunde immer wieder, sie seien für mich da. Doch wenn ein Baby schreit, krank ist, nachts nicht schläft, dann bin ich letzten Endes doch allein damit.
Niemand würde mir meine Kinder abnehmen, wenn ich mal nicht mehr kann. Ich würde alles allein stemmen müssen, doch ich fühlte mich schon mit drei Kindern kurz vor dem Burnout. Ich wusste, ich würde eine Entscheidung meines Lebens treffen müssen.
Eine schwerwiegende und weitreichende Entscheidung.
Damals und auch heute wurde ich von einer Familienhilfe betreut. Sie war die erste, der ich mich anvertraute, als ich sicher wusste, dass da wirklich ein weiterer kleiner Mensch in mir heranwachsen sollte.
Ich sagte ihr, ich würde es nicht schaffen und dass ich glaubte, eine Abtreibung wäre die einzig richtige Entscheidung in meiner Situation. Zumindest sagte mir das meine Vernunft immer und immer wieder.
Es ging dann alles sehr schnell. Fast schon zu schnell. Ich wurde beraten und schon stand auch der OP-Termin, zu dem mich meine Familienhilfe begleiten würde.
Vor dem Termin waren mir immer wieder Zweifel an meiner Entscheidung gekommen, doch ich verdrängte sie. Als ich dann im Warteraum der Klinik saß, hörte ich eine andere Patientin im Gehen sagen, wie froh sie sei, dass sie es nun hinter sich habe. Jetzt könnte sie wieder feiern gehen, ohne ein Kind „an der Backe“ zu haben.
Ich war entsetzt, wie man nur so reden konnte. Und dennoch hatte ich das Gleiche vor wie sie: Ich wollte meinem ungeborenen Kind das Leben nehmen.
Als ich in den OP-Bereich geholt wurde, kämpften mein Herz und mein Verstand wie verrückt miteinander. Als der letzte Ultraschall gemacht wurde, merkte der Arzt, dass ich zweifelte. Ich weinte und konnte einfach nicht auf den Ultraschall gucken.
Da sagte der Arzt: „Ihr Baby hat Ihnen die Entscheidung abgenommen. Es ist kein Herzschlag mehr zu sehen.“ Erst da habe ich hingesehen – und tatsächlich: Es war kein Herzschlag mehr zu erkennen.
Was ich in diesem Moment für ein Gefühlschaos erlebte, ist schwer zu beschreiben. Einerseits war da Erleichterung, doch es kamen auch Schuldgefühle auf, weil mein Kind vielleicht gemerkt hatte, dass es unerwünscht war. Ich bin dann in den OP gebracht worden und wachte nach dem Eingriff weinend wieder auf.
Nach der Abtreibung begann ich eine Therapie. Sie sollte mir in erster Linie mit meinem Burnout helfen und so wurde die geplante Abtreibung und der Verlust meines Kindes auch nur am Rande besprochen. Dennoch half mir die Therapie sehr, alles zu bewältigen.
Ich hatte bis dahin versucht, alles allein mit mir selbst auszumachen, hatte mich kaum jemandem anvertraut. Kraft und Trost gaben mir nur meine Kinder und meine Familienhilfe.
Mit dem Vater bin ich heute nicht mehr zusammen. Wir konnten über unser viertes Kind niemals sprechen, es war ein absolutes Tabu zwischen uns. Ich wusste, wenn ich versucht hätte, mich ihm zu öffnen und um Trost zu bitten, wäre seine Antwort gewesen: „Selber Schuld!“
So bin ich bis heute allein mit meiner Trauer, komme aber inzwischen ganz gut damit klar.
Für mein Sternenkind habe ich eine kleine Gedenkecke eingerichtet. Ich werde es niemals vergessen.“