„Ich habe mein Wunschkind abgetrieben, weil bei mir Brustkrebs festgestellt wurde“

Sie war gerade schwanger mit ihrem Wunschkind, als sie erfuhr, dass sie Brustkrebs hatte: Eine Mama aus unserer Community erzählt uns von der schwersten Entscheidung ihres Lebens. Sie möchte dabei anonym bleiben. Der Name ist der Redaktion bekannt.

„Als meine erste Tochter zur Welt kam, war ich allein. Ihr Vater hatte mich schon während der Schwangerschaft verlassen. Doch eineinhalb Jahre später traf ich endlich den Richtigen, oder wie meine Tochter sagt: „Da haben wir Papa gefunden!“ Er übernahm die Vaterrolle komplett und mit ganzem Herzen. Meine Tochter und er lieben sich so sehr.

Bald wünschten wir uns ein zweites, gemeinsames Kind. Es war Winter, ein neues Jahr hatte gerade begonnen. Wir beschlossen, im Jahr darauf zu heiraten und legten mit Hilfe von Ovulationstests gleich mit der Familienplanung los. Doch leider war es einige Monate lang vergeblich.

Eines Freitagabends im darauffolgenden Herbst fühlte ich durch Zufall einen Knoten in meiner Brust.

Ich erschreckte mich, dachte aber gleich, es wird schon nichts sein. Vielleicht ist nur etwas in der Brust geschwollen. Ich zeigte es meinem Mann und er sagte, wenn es bis Montag nicht weg ist, gehen wir zum Arzt.

Am Sonntag gab uns der Ovulationstest grünes Licht. Ich zögerte kurz, doch dann dachte ich: „Naja, ich kann mir die Chance schwanger zu werden jetzt ja nicht wegen eines so lächerlichen Knotens entgegen lassen.“

Wir hatten es einfach schon so lange versucht und ich wollte keinen weiteren Monat „ungenutzt“ verstreichen lassen. Außerdem glaubte ich immer noch nicht daran, dass der Knubbel in meiner Brust etwas Ernstes war.

Am Montag gingen wir dann zum Arzt. Nun sah ich den Knoten im Ultraschall und hatte plötzlich die schreckliche Realität vor Augen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um ein bösartiges Geschwür handelte, lag bei 80 Prozent!

Deshalb musste nun alles schnell gehen. Schon am nächsten Tag wurde eine Mammografie und Biopsie gemacht werden. Bei der Mammografie wurde meine Brust geröntgt, um den Knoten deutlich sichtbar zu machen. Bei der Biopsie wurden einige Zellen aus dem Knoten entnommen, die dann im Labor untersucht wurden, um festzustellen, ob es sich um gutartige oder bösartige Krebszellen handelt.

Mir sollte nicht viel Hoffnung bleiben, denn direkt nach den Untersuchungen sagte die Ärztin: „Es tut mir sehr leid. So sehen Krebstumore aus.“ Es war ein furchtbarer Tag. Für mich brach eine Welt zusammen.

Obwohl das Ergebnis der Biopsie noch nicht vorlag, war ich mir nun sicher: Ich hatte Brustkrebs!

Ich weinte und schrie. Ich klammerte mich an die Arzthelferein und sagte immer wieder: „Ich darf nicht sterben! Ich habe doch ein kleines Kind! Bitte, bitte nicht!“

Später, als mein Mann in den Behandlungsraum durfte, brach ich zusammen. Ich war doch erst 30 und meine Tochter gerade mal 3 Jahre alt!
 Das durfte doch einfach nicht sein!

Doch am Freitag hatte ich es dann schwarz auf weiß. Der Arzt hatte sofort einen Fahrplan gemacht: Port legen, Lymphknoten-Entnahme, 16 Einheiten Chemo, Operation, Bestrahlung,
Reha. In einem Jahr sollte ich mit allem durch sein.

Erst jetzt, wo alles so klar war, stellte ich die Frage, die mir die ganze Zeit schon auf den Lippen brannte: „Was passiert, wenn ich schwanger bin?“

Der Arzt sagte, ich solle erst einmal abwarten. Es sei ja unwahrscheinlich. Doch irgendwie hatte ich zu dem Zeitpunkt schon gespürt, dass ein neues Leben in mir entstand. Und tatsächlich, zwei Wochen später hielt ich den bis dahin so lang ersehnten positiven Schwangerschaftstest in der Hand.

Ich war so wütend auf meinem Körper. WARUM JETZT?

Es folgten lange Gespräche mit den Ärzten. Das schlimmste war, dass die Entscheidung, wie es mit meinem Baby weiter geht, mir allein überlassen wurde. Es wäre für mich so viel leichter gewesen, wenn die Ärztin gesagt hätte, es geht auf keinen Fall.

Doch sie schilderten mir die folgende Möglichkeit, das Baby doch noch zu bekommen:
 Wir würden mit der Chemo bis zur 17. Schwangerschaftswoche warten. Dann wurde ich die ersten vier Chemos mit Baby im Bauch bekommen. Das Baby würde dann in der 27. Schwangerschaftswoche geholt werden und ich würde im Anschluss die nächsten 12 Chemos erhalten.

Mein Tumor war jedoch extrem aggressiv und hatte sich in nur zwei bis drei Wochen mehr als verdoppelt. Das machte mir solche Angst.
 Mein Mann sagte mir, egal wie ich mich entscheide, er stünde voll und ganz hinter mir und würde mich unterstützen.

So sehr ich mein ungeborenes Baby in diesem Moment schon liebte, alles in mir entschied sich gegen das Kind.

Ich verspürte nicht mal einen Hauch von „Wir schaffen das schon!“ Immer wieder sagte ich mir, ich kann doch meinem Baby nicht vier Chemo-Therapien zumuten, es viel zu früh auf die Welt holen und mich dann vielleicht nicht kümmern können. Außerdem hatte ich ja auch noch meine Tochter, die mit Sicherheit in den folgenden Monaten genug mitmachen würde.

Doch es war auch die große Angst um mich selbst und mein Leben! Ich war 30 Jahre alt. Das Krebsgeschwür wurde früh entdeckt. Die Lymphknoten waren noch nicht betroffen. Könnte ich noch drei Monate warten? Dieser furchtbare Tumor wuchs so schnell und ich wollte kein Risiko eingehen. Ich wollte nicht sterben! Meiner Tochter zuliebe wollte ich um jeden Preis alles dafür tun, wieder gesund zu werden. Also entschied ich mich gegen das ungeborene Kind.

Dann kam der Tag der Ausschabung. Meine beste Freundin begleitete mich. Ich saß im Wartebereich der ambulanten Praxis. An diesem Tag wurden nur Ausschabungen gemacht. Eine Frau nach der anderen wurde aufgerufen. Die ganze Zeit fühlte ich mich wie eine Verräterin. Ich konnte nur eines denken: „Mein Baby wächst glücklich und nichtsahnend in mir und in 10 Minuten entscheide ich, es zu töten.“

Als ich die Narkose bekam, weinte ich und rief mein Baby. Auch als ich aufwachte, fühlte ich mich schrecklich. Ich hatte das Gefühl, eine Mörderin zu sein.

Heute, eineinhalb Jahre später weiß ich, dass es die richtige Entscheidung war. Ich hätte es nicht geschafft. Weder körperlich noch emotional. Ich hätte meinem Baby das alles nicht antun wollen. Trotzdem vermisse ich mein Baby jeden Tag und kann mir nicht verzeihen, was ich getan habe. Ich werde für immer damit leben müssen, dass ich mein Kind umgebracht habe, weil mir mein Leben wichtiger war.

Die Krebsbehandlung habe ich gut überstanden und das bestmögliche Behandlungsergebnis erreicht. Doch die Angst sitzt mir in den Knochen.
 In einigen Monaten dürften wir laut Aussage der Ärzte erneut versuchen, ein Baby zu bekommen. Doch ob ich das kann… ich weiß es nicht!“

Laura Dieckmann

Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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