Stillen ist das Beste für Mama und Kind. Das ist unbestritten – doch manchmal wird es einfach zu viel für den Körper und die Seele der Mutter. So war es auch bei der 29jährigen Lena (der echte Name ist der Redaktion bekannt) aus Nürnberg, die nach eineinhalb Jahren Stillen bis zum Umfallen die Notbremse zog:
„,Wann ist der richtige Zeitpunkt zum Abstillen?` Ich dachte nie, dass ich mir diese Frage mal stellen würde. Irgendwie ergibt sich das doch immer von selbst, hätte ich gedacht, oder es gibt eben medizinische Gründe dafür.
Wie gesagt: Hätte ich gedacht. Aber auch, als mein Sohn schon eineinhalb Jahre alt war, war beides noch nicht passiert. Langsam begann ich an meiner Theorie zu zweifeln. Tagsüber trank er oft noch zwei Mal, in der Nacht ebenfalls, zum Einschlafen und dann manchmal noch zwischendurch…
Alle meine Versuche, das Stillen einzudämmen, waren dramatisch gescheitert. Er wehrte sich, schrie und tobte, zerrte an meinem Shirt und verweigerte das normale Essen – bis ich ihn am Ende dann doch wieder an die Brust ließ.
Und das alles hatte Spuren hinterlassen. Mein Körper konnte nicht mehr. Es war tatsächlich Stillen bis zum Umfallen.
Jeder, der mich sah, forderte mich auf, doch bitte etwas mehr zu essen. Dabei fraß ich Mengen in mich hinein, die mich fast schon in den finanziellen Ruin trieben! Binge-Eating heißt das wohl in den Kreisen der Essgestörten – nur, dass ich danach nicht aufs Klo rannte.
Bei jeder Mahlzeit futterte ich zwei Mal so viel wie mein Mann, zwischendurch nahm ich jedes Mal einen Bissen, wenn ich am Obst-/Brot-/Süßigkeitenkorb oder dem Kühlschrank vorbeikam. Trotzdem hatte ich innerhalb von sechs Monaten fast zehn Kilo verloren und war damit fast 14 Kilo unter mein Vor-Schwangerschaftsgewicht gefallen.
Dazu kam eine bleierne Müdigkeit. Ich hatte keine Energie mehr für Unternehmungen. Wir, die früher ständig unterwegs waren und immer die tollsten Abenteuer erlebten, blieben zuhause. Oder, und das fand ich noch besser, auf dem Spielplatz vor dem Haus. Dort beschäftigten sich die Kinder alleine, ich lag auf der Decke und versuchte, nicht einzuschlafen. Total kaputt vom Stillen bis zum Umfallen.
Abends kam ich nach dem Zubettbringen selbst nicht mehr aus dem Bett und schlief manchmal schon um sieben Uhr ein. Morgens um sieben Uhr kam ich trotzdem nicht hoch und war tagsüber todmüde.
Das führt zu einem Teufelskreis: Mir fehlte die Kraft für Sport, dadurch wurde ich nur noch viel energieloser. Nicht mal in den ersten Stock schaffte ich es noch, ohne dass mir die Luft wegblieb.
Meine Psyche neigte schon immer zur Hypochondrie, weshalb ich das Schlimmste vermutete. Ich dachte an Krebs, Herzmuskelentzündungen und all die fürchterlichen Dinge, die meine Schlappheit verursachen könnten.
Im Hinterkopf aber spukte immer wieder das Gespenst des Stillens herum. Ob es vielleicht alles davon kommen könnte?
Ob mein Kind mich aussaugte, im wahrsten Sinne des Wortes?
Nachdem ein großes Blutbild und ein Gesundheitscheck beim Arzt nichts Ungewöhnliches ergaben, musste ich es ausprobieren. Es war so weit, der richtige Zeitpunkt fürs Abstillen gekommen, sagte die Vernunft. Alles andere in mir schrie: ,Nein! Ich will nicht!`
Aber: Sollte ich wirklich Stillen bis zum Umfallen?
Die Vernunft fand einen Kompromiss mit meinen Gefühlen: So schwer es mir auch fiel, ich stillte zumindest tagsüber nicht mehr – und hielt das auch tapfer durch.
Wer mir dabei half, waren meine Familie und mein Mann. Sie nahmen mir den Kleinen abwechselnd ab und betüddelten ihn ein paar Stunden – bewusst ohne Mama, damit die Möglichkeit des Stillens gar nicht erst bestand. Abends zum Einschlafen stillte ich ihn weiterhin.
Schon bald bemerkte ich, wie ich begann, mich zu entspannen. Durch die neugewonnene Kinder-Freiheit konnte ich – nachdem ich die ersten paar Tage geschlafen hatte – wieder langsam anfangen, Sport zu machen.
Obwohl ich fürchtete, dass mein Sohn mich nun nachts öfters aufwecken würde, war das Gegenteil der Fall: Dadurch, dass er tagsüber echtes Essen aß, das nahrhafter und sättigender für ihn war als meine Milch nach anderthalb Jahren, schlief er viel besser und hatte nachts kaum Hunger.
Über die nächsten Wochen entwickelte es sich so, dass ich nur noch abends zum Einschlafen stillte.
Meine Eltern und mein Sohn hatten großen Gefallen an der gemeinsamen Zeit gefunden, sodass wir ein regelmäßiges Babysitten beibehielten. Ich hatte also weiterhin regelmäßig etwas Zeit für mich. Ich nahm wieder zu, wurde stärker.
Woran meine schlechte Verfassung am Ende genau gelegen hat? Keine Ahnung. Ganz abgestillt habe ich tatsächlich immer noch nicht, aber es geht mir so gut, dass ich gar nicht mehr darüber nachdenke.
Am vergangenen Wochenende haben wir alle zusammen einen Ausflug in den Wildpark gemacht. Und anschließend haben wir sogar noch zusammen auf der Wiese Fußball gespielt – und ich habe ein spektakuläres Tor geschossen!“