„Mama, kannst du mich in den Arm nehmen?“ Ich lege den Arm um meine Tochter und ziehe sie näher an mich. Ihr Rücken liegt jetzt an meiner Brust, ihr Atem wird langsam ruhiger und tiefer. In diesem Moment fühlt sich ihr Körper doch noch klein und zerbrechlich an, obwohl sie mit ihren drei Jahren tagsüber schon so groß wirkt. Mein Herz, mein Bauch, mein Kopf sind voller Liebe in diesem Moment – und ich bin dankbar, dass ich ihr beim Einschlafen so nah sein darf.
Also sie noch kleiner war, ist meine Maus tatsächlich „total unkompliziert“ und alleine eingeschlafen. Nach unserem ausgiebigen und kuscheligen Abendritual legte ich sie in ihr Bettchen, saß noch ganz kurz bei ihr und ging dann raus. Durchs Babyphone hörte man dann noch ein wenig vergnügtes Brabbeln, dann war es still – und sie schlief friedlich.
Ja, na klar: In diesen Zeiten hatte ich früher „Feierabend“ und schaffte abends viel mehr: Wäsche, Spüler ausräumen, fix noch das Klo putzen und dann vielleicht noch eine schnelle Folge meiner Lieblingsserie (das war dann meine Ich-Zeit des Tages).
Deswegen fand ich es auch erst richtig nervig, als sich das Blatt wendete und sie immer öfter einforderte, dass ich „noch sitzen bleiben“ oder mich sogar (!) zu ihr legen sollte. Ich lag im dämmrigen Zimmer und versuchte ständig, die Zeit auf meiner Armbanduhr zu entziffern – im Hinterkopf all die Dinge, die ich danach noch zu erledigen hatte… Ich schäme mich ein bisschen, es zu schreiben, aber: An vielen Abenden, wenn der Tag vorher kein besonders entspannter gewesen war, wurde ich innerlich minütlich aggressiver. Das spürte meine Tochter natürlich mit ihren feinen Kinder-Antennen genau, und ich glaube nicht, dass es ihr das Einschlafen erleichtert hat.
Und trotzdem, ich blieb liegen.
Denn ich spürte: Sie braucht das. Und mich.
Und obwohl wirklich alle gesagt haben, dass sie es nun wirklich mal lernen müsste, alleine einzuschlafen und ich sie total verwöhne: ich blieb liegen.
Denn ich spürte: Ihr Alltag wird immer aufregender, auch wir streiten uns tagsüber (danke, olle Trotzphase) häufiger – zum Einschlafen braucht sie meine Nähe, die Gewissheit, dass ich da bin für sie und dass einfach alles gut ist.
Mein Mamasein endet doch nicht um 19.30 Uhr. Ich schalte es nicht automatisch mit aus, wenn ich das Licht im Kinderzimmer ausknipse. Wenn dieser kleine Mensch, den ich auf die Welt gebracht habe, mich braucht – dann bin ich da, wenn es mir nur irgendwie möglich ist.
Deswegen blieb ich liegen, auch mal länger, obwohl es mir schwer fiel.
Und irgendwann, irgendwann habe ich dann tatsächlich gelernt, loszulassen. Ich dachte mir: Wenn ich hier schon liege, dann muss ich das Ganze ja nicht noch schlimmer machen, indem ich mich so richtig reinsteigere!
Zuerst mahnte ich mich ganz bewusst zur Ruhe.
Und irgendwann hat es „Klick“ gemacht – und mittlerweile genieße ich es wirklich, meine Tochter beim Einschlafen zu begleiten. DAS ist meine neue Ich-Zeit.
Ich genieße es, dass ich gemütlich im Dunkeln liegen kann und endlich mal an gar nichts denken und gar nichts tun muss. Es ist auch mein Wohlfühl-Ritual geworden, das mich zur Ruhe kommen lässt nach einem lauten, schnellen Tag.
Ich genieße es, dass meine Tochter mir in der vertrauten Sicherheit unserer kleinen Schlafhöhle erzählt, was sie am Tag erlebt hat und was sie bewegt.
Ich genieße es, ausgiebig mit ihr zu kuscheln. Schließlich, und es klingt wirklich schrecklich, wenn ich es niederschreibe, sind wir unter der Woche den größten Teil des Tages getrennt. Ich arbeite, sie ist in der KiTa.
Ich genieße es, Zeit mit ihr, ganz ohne Hektik, zu verbringen. Kein „Kuschel, Kuschel, jetzt müssen wir aber auch los!“ oder „Ich komme gleich, ich muss vorher nur noch kurz…“
Ich genieße es, meine Nase tief in ihre Haare zu stecken und diesen einzigartigen, vertrauten Geruch einzuatmen. Der, je nachdem, wie lange das letzte Bad her ist, eher in Richtung Babyshampoo oder aber in Richtung große Abenteuer an der frischen Luft tendiert.
Am meisten genieße ich es aber, dass meine kleine große Tochter mich darum bittet, bei ihr zu liegen. Denn ich weiß: Viel zu schnell wird der Abend komme, an dem ich das letzte Mal zu ihr ins Bett schlüpfen soll – und ich werde es an diesem Tag noch nicht einmal ahnen.