Autoaggression: Hilfe, mein Kind tut sich selbst weh

Mit dem Kopf durch die Wand! Dieses Sprichwort nehmen einige Kinder wörtlich, meines inklusive. Sie schlagen ihren Kopf gegen Wände oder Fußböden. Manche beißen sich selbst in die Hände oder hauen sich auf den Bauch. Dieses gegen sich selbst gerichtete aggressive Verhalten, diese sogenannte Autoaggression beim Kind – gibt es dagegen Hilfe? 

Autoaggression beim Kind: Hilfe, gibts das nur bei uns?

Autoaggression bei ihrem Kind ist für Eltern erstmal ein riesiger Schrecken. Mein noch nicht mal Zweijähriges legt sich hin und schlägt den Kopf auf den Fußboden, wenn es wütend ist? Für mich jedes Mal eine furchtbare Situation. Ich frage mich immer, was schief gelaufen ist, was ich falsch gemacht habe und was ich dagegen tun kann. Weil ich die Schuld bei mir suche, schäme ich mich, mit anderen darüber zu sprechen. Dabei sollte ich vielleicht genau das tun, denn dann würde ich merken:

Wir sind nicht alleine.

Ungefähr 20 Prozent aller Kinder verletzen sich manchmal selbst, meist beginnt diese Phase im Alter von ca. 16 bis 18 Monaten. Zu sagen, dass diese Autoaggression beim Kind „ganz normal“ ist, ist trotzdem schwierig, weil es in ganz unterschiedlichen Ausprägungen vorkommt und in seltenen Fällen (!) tatsächlich auf eine psychische Störung hindeuten kann.

Warum tun sich Kinder selbst weh?

Allerdings ist es meistens so, dass die Kinder sich nicht ernsthaft dabei verletzen, auch wenn es ab und zu so aussieht. Vielmehr ist es ein Ventil, um Stress und Druck abzubauen. Vor allem für Kleinkinder, die noch nicht gelernt haben, wie sie ihre negativen Gefühle ausdrücken, verbalisieren und kanalisieren können. Der Impuls, andere oder eben sich selbst zu verletzen, hat dabei nichts mit Gewalt zu tun, wie Familientherapeut Jesper Juul in seinem Buch über Aggressionen (Affiliate Link)schreibt.

Autoaggression Kleinkind Hilfe: Auch Mama wehzutun, lässt auf Verzweiflung schließen.

Nicht nur eine Autoaggression ist meist ein Ventil für ein Kind, sondern auch ein Hieb gegen Mama.  Foto: Bigstock

Seine Quintessenz ist: Wir müssen aufhören, so zu tun, als wäre die ganze Welt voller Liebe. Wut und Zorn gehören genauso zu unserem Wesen. Wir müssen also die negativen Gefühle unserer Kinder akzeptieren und ihnen helfen, zu lernen, damit umzugehen.

Dass schon so kleine Kinder sich selbst verletzen, hängt damit zusammen, dass sie in diesem Alter eine schwierige Phase durchmachen, in der sie zwischen dem Bedürfnis, sich von der Mutter zu lösen und dem Bedürfnis, in den Arm genommen zu werden, hin und her schwanken. Es ist ein Wechselbad der Gefühle und eine Zeit großer Frustrationen für unsere Minis.

Die Autoaggression ist für viele Kinder ein Teil des Entwicklungsprozesses. Seit ich das weiß, fällt es mir etwas leichter, mein tobendes Kind zu ertragen.

Und auch, weil es klare Verhaltensregeln für Eltern gibt, wenn es zu einem solchen Wutanfall kommt, an die ich mich halten kann.

Wie reagiere ich bei Autoaggression bei meinem Kind?

  • Es ist für mich wichtig, trotz der angespannten Situation ruhig und gelassen zu bleiben. Auf keinen Fall darf ich selbst schreien, schimpfen oder toben – schließlich würde das meinem kleinen Wutzwerg den Eindruck vermitteln, dass eben dieses Verhalten total in Ordnung ist. Stattdessen muss ich versuchen, die Ursachen zu verstehen und entsprechendes Verständnis zeigen.
  • Tobt mein Kind, weil es etwas nicht bekommen hat oder etwas nicht darf, muss ich konsequent bleiben. Würde ich meine Meinung ändern, weil mein Kind sich selbst verletzt, wäre das fatal und es würde die Autoaggression in Zukunft immer öfter anwenden, um zu bekommen, was es will und es würde nie ein Ende finden.
  • Ist mein Kleiner von sich selbst frustriert, möchte er vielleicht gar nicht getröstet werden. Ich kann versuchen, ihm ein Kissen unter den Kopf zu schieben oder anderweitig zu verhindern, dass er sich weh tut, aber nur, wenn ich ihn dadurch nicht noch mehr in Rage bringe.
  • Verurteilen darf ich das Verhalten nicht, sondern muss die negativen Gefühle akzeptieren. Ruhig und zugewandt soll man mit dem Kind sprechen und die eigenen Emotionen ansprechen, so Jesper Juul: „Mir gefällt es nicht, dass du um dich schlägst. Ich möchte gerne wissen, womit ich dich so wütend gemacht habe!“ So oder so ähnlich klingt es dann.

Mein Tobezwerg ist noch ein bisschen zu klein, um darauf wirklich antworten zu können. Trotzdem funktioniert es für uns. Er reagiert auf meine Stimme und fühlt, dass ich ihn ernst nehme. Meistens hört er schnell auf, seinen Kopf gegen den Boden zu donnern und schaut mich schreiend an. Spreche ich weiter, beendet er auch das und ich darf ihn schließlich in den Arm nehmen und trösten.

Und ich hoffe, nach jedem dieser Wutanfälle, dass Jesper Juul Recht hat, und mein Kind so nachhaltig lernen wird, negativen Gefühlen nicht mit Gewalt zu begegnen.

Eine Lektion fürs ganze Leben, hoffentlich.

Rebecca

Schon seit rund einer Dekade jongliere ich, mal mehr, mal weniger erfolgreich, das Dasein als Schreiberling und Mama. Diese zwei Pole machen mich aus und haben eines gemeinsam: emotionale Geschichten!

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