Hirnforscher bemängelt Freizeit-Stress: „Freies Spielen macht schlau!“

Der pure Freizeit-Stress: Viele Kinder haben einen Stundenplan, der manchen Erwachsenen erschaudern lässt. Sie gehen nicht nur in die KiTa, sondern haben ein reges Vereinsleben und besuchen zusätzlich noch Kurse wie Schach oder die Englisch-Frühförderung.

Hat ein Kind keine derartigen „Hobbys“, ist es eher die Ausnahme als die Regel. Eltern bringen ihre Kinder gerne zu diesen Extra-Aktivitäten, um ihnen die bestmöglichen Startchancen zu gewähren.

Sie sollen möglichst viele Fremdsprachen können und möglichst viele Instrumente, gute Sportler sein und so viele, in Zukunft vielleicht nützliche, soziale Kontakte haben wie möglich.

Viele Termine sind schlecht fürs Gehirn

Dass das allerdings genau der verkehrte Weg ist, erklärt unter anderem der deutsche Hirnforscher Gerald Hüther. Er sagt, dass dieser volle Terminkalender nicht nur Stress auslöst, sondern unseren Kindern sogar viele Chancen nimmt – nämlich die auf akademischen und damit beruflichen Erfolg.

Also genau auf die Punkte, auf die ehrgeizige Eltern eigentlich hinarbeiten wollen.

Denn dieser Freizeit-Stress macht dumm, so seine etwas radikale These: „Spielen ist Dünger für das Gehirn und Kraftfutter für Kinderseelen. Aus der Tierforschung weiß man: Je intelligenter ein Tier ist, desto mehr spielt es. Aus der Hirnforschung weiß man, dass völlig absichtsloses Spielen für die besten Vernetzungen im Gehirn sorgt“, sagte er gegenüber der Schweizer Zeitung Blick.

Kinder verlernen das Spielen

Ständiges Beschäftigt-Werden statt sich selbst zu beschäftigen, sei für die Gehirnentwicklung fatal: „Es kommen so viele Reize von aussen, dass Kinder oft gar nicht mehr spielen können, selbst wenn sie mal Zeit hätten.“ Zu viele Aktivitäten lassen unsere Kinder also sogar das Spielen verlernen.

Eine Entwicklung, die sehr negativ zu sehen ist, meint auch Kinderarzt und Sachbuchautor Herbert Renz-Polster gegenüber Deutschlandfunk Kultur: „Der eigentliche Punkt ist, dass wir meinen, den Kindern etwas Besseres bieten zu können in strukturierten pädagogischen Welten. Und das sind meistens eben Kunstwelten, die wir für sie einrichten damit sie, ja, was lernen. Und das glaube ich wiederum, das ist unsere Lebenslüge. Das ist eine pädagogische Lebenslüge. Wir meinen, die Kinder wüchsen und werden stark und entwickeln sich, indem sie unsere guten klugen Ziele erfüllen.“

Stattdessen sollten wir Erwachsene mit den Kindern spielen, sind sich beide Wissenschaftler einig. Denn die Anreize müssen erstmal von uns kommen, bis die Kinder sich wieder selbst und mit Freunden im Spiel verlieren können (wobei wir auch dort mitspielen sollen, wenn die Kinder es wünschen).

 

Einfach in Ruhe spielen und dabei Fantasiewelten erschaffen – herrlich! Foto: Bigstock

Draußen spielen macht den größten Spaß

Dabei gilt vor allem ein Motto: Raus in die Natur! Die sei vielen Kindern mit Freizeit-Stress inzwischen fremd geworden – ebenfalls ein Umstand, den Pädagogen und Wissenschaftler kritisieren. Schließlich sei es dort viel spannender als im Wohnzimmer mit Tablet und Co, so Gerald Hüter: „Kinder greifen nur deshalb zum Handy, weil ihnen Erwachsene keine attraktivere Beschäftigung anbieten. Schlagen Sie zwölfjährigen Knaben vor, eine Baumhütte zu bauen. Stellen Sie den Kindern nach zwei Stunden die Frage, ob sie lieber mit dem Smartphone spielen wollen. Keines wird Ja sagen. Denn Kinder sind Gestalter und Entdecker. Sie wollen mit anderen in Kontakt treten. Digitale Medien sind lediglich eine Art Ersatz, um mit anderen in Kontakt zu treten.“

Draußen und im freien Spiel entwickeln sich die Gehirne unserer Kinder am besten: „Durch das Spiel können sich im Gehirn möglichst viele Netzwerke miteinander verbinden, die sonst, im Zustand der fokussierten Aufmerksamkeit, nie miteinander verknüpft sind. Das Spiel öffnet quasi hundert Schubladen.“

Das gilt übrigens nicht nur für Kinder, sondern auch für die Großen. Statt fernzusehen sollten wir am Abend lieber mal ein Brettspiel mit unserem Partner spielen, sagen die Forscher. Und wer schon mal im Memory gegen einen Fünfjährigen mit Zahnlücke verloren hat, weiß, warum.

Rebecca

Schon seit rund einer Dekade jongliere ich, mal mehr, mal weniger erfolgreich, das Dasein als Schreiberling und Mama. Diese zwei Pole machen mich aus und haben eines gemeinsam: emotionale Geschichten!

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