Stillende Mütter sind normal – aber sind stillende Großmütter es auch? In einigen Ländern schon, das möchte uns zumindest ein Social-Media-Post glauben machen, der schon seit einiger Zeit in so manchen Feeds auftaucht.
Er zeigt das Foto einer alten Dame, die in einem Stuhl sitzt, ihr Shirt hochgeschoben und ein Baby an der Brust hat. Das Baby hat die Augen geschlossen und scheint friedlich zu nuckeln, während die Frau liebevoll und zufrieden zu ihm hinunterschaut.
Das wirft natürlich jede Menge Fragen auf, eine davon wird in einem Kommentar beantwortet: „Ich bin Vietnamesin und ich weiß, dass es nicht normal in meinem Land ist, dass Großmütter ihre Enkel stillen. Vielleicht lassen sie sie mal andocken, aber nicht, um sie zu füttern.“
Biologisch möglich
Trotzdem gibt es solche Fälle tatsächlich immer mal wieder. Besonders in armen Ländern Afrikas finden sich einige Beispiele, die zeigen, dass Frauen eigentlich immer in der Lage sind, Milch zu produzieren.
So findet sich die Geschichte der 63-jährigen Ms. Chisha aus Zambia, die die Zwillinge ihrer verstorbenen Schwiegertochter stillte. Ernährungsberater John Egbuta aus Nigeria erklärte ebenfalls, dass Frauen aus seinem Land relaktieren, um Babys zu ernähren, die sie nicht selbst zur Welt gebracht haben.
Den Milchfluss wieder anzuregen sei dabei keine Frage des Alters, sondern der Technik und der Psyche der Frau. Werden Babys wieder und wieder angelegt oder die Brustwarzen speziell stimuliert, beginne die Brust innerhalb von sechs Tagen bis sechs Wochen wieder, Milch zu produzieren – egal, ob nach oder vor der Menopause.
Nach dem 70. Lebensjahr allerdings sinkt die Wahrscheinlichkeit, wie ein Artikel in der „American Anthropology“ von April 2014 erklärt. Außerdem könne die Milchmenge stark variieren. Manche Frauen sind also trotz Relaktation nicht in der Lage, ein Baby alleine mit ihrer Milch zu ernähren.
Laktation auch ohne Geburt
Dennoch: Die Laktation ist sogar bei Frauen möglich, die selbst noch nie ein Kind bekommen und gestillt haben. Induzierte Laktation nennt sich das in diesen Fällen und wie Stillberaterinnen berichtet, gibt es auch in Deutschland eine Nachfrage danach. „Es gibt die unterschiedlichsten Geschichten und Beweggründe, ich habe schon alles Mögliche erlebt. (…) Auch das Adoptivstillen kann man mitunter unter die Relaktation fassen. Ich habe schon drei Fälle aus gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gehabt, wo die eine Mutter das Kind bekommen hat, aber die andere es (auch) stillen wollte. Auch das kommt vor, gar nicht so selten“, erklärte beispielsweise Alexandra Glaß, Gynäkologin und Stillberaterin, gegenüber still-lexikon.de.
In der Brustkrebs-Vorbeugung wird ebenfalls mit Laktation gearbeitet. Besonders, wenn eine Frau viele Fälle von Brustkrebs in der Familie hat, kann der Arzt ihr zur Laktation raten.
Wie man sieht, ist das Foto der stillenden vietnamesischen Großmutter wohl doch kein Fake und biologisch durchaus möglich. Was bleibt, ist dann nur die Frage, ob es für die Mutter des Kindes in Ordnung ist. Für viele Frauen wäre es wohl ein absolutes No-Go, ihren Säugling ihrer eigenen Mutter oder Schwiegermutter an die Brust zu geben. Allerdings ist auch das wohl etwas, das wir durch unsere Kultur erlernt haben und wird auf anderen Teilen der Erde als völlig normal angesehen.
Was sagt ihr dazu?