Kindervideos auf YouTube: Kinder müssen vor Pädophilen geschützt werden

Einer der Traumberufe von Jugendlichen und Schülern ist YouTube-Star. Und damit, diesen Traum zu verwirklichen, fangen viele früh an. Obwohl die Video-Plattform Kindern unter 13 bzw. 16 eigentlich verbietet, Videos hochzuladen, machen es viele trotzdem – oft auch ohne Wissen der Eltern.

Fetischismus und Pädophilie

Das große Problem dabei: So landen sie oft auf dem Radar von Pädophilen, die sich dort herumtreiben. Eine aktuelle Reportage von follow.me reports zeigt, wie sehr diese die kindliche Naivität ausnutzen. Sie verlangen von den Kindern, sich auszuziehen, Gymnastik zu machen, ihre Füße vor die Kamera zu halten oder sogar sich auf der Toilette zu filmen. Für vermeintlich mehr Likes erfüllen die Kinder häufig diese Wünsche ihrer „Fans“.

Als Beispiel verwendet follow.me reports unter anderem das Video einer Elfjährigen aus Bayern. Ihr Live-Stream hatte über 74.000 Aufrufe, darin schmiert sie auf Verlangen ihre Füße mit Duschgel ein. Außerdem zieht sie sich „kurze Kleidung“ an, wie einer ihrer „Fans“ ihr vorschlägt und tanzt leicht bekleidet. Der Clip landete in einer Playlist, die von viele mutmaßlichen Pädophilen abonniert war.

Rechtlich gesehen keine Kinderpornografie

Tatsächlich ist ihr Video auf den ersten Blick nicht als kinderpornografisch einzustufen, was die Sache sehr schwer macht, so Staatsanwältin Andrea Güde. Um strafrechtlich relevant zu sein, müssen die Genitalien eines Kindes, nackte Kinder in sexuellen Posen oder sexuelle Handlungen zu sehen sein. Zwar gibt es das Gesetz gegen Cyber-Grooming, also das Online-Ansprechen von Kindern und Jugendlichen mit sexueller Absicht, aber auch das ist schwer zu fassen und zu beweisen.

So gibt es beispielsweise Videos von Kindern, die zu einer „Fast breathing challenge“ angeleitet werden, also dazu, möglichst schnell zu atmen. Dazu rufen sie oft „schneller, härter“. Dazu erklärte Andrea Güde: „Das Video als kinderpornografisch einzustufen, da tue ich mir schwer. Die Anweisung als solche könnte als Tatbestand schon mal angeprüft werden, ob es den des Missbrauchs eines Kindes erfüllt.“ Auch Videos von Kindern auf der Toilette seine „strafrechtlich nicht relevant“.

Wenige Konsequenzen von YouTube

Die Plattform YouTube selbst wird dem Problem scheinbar nicht Herr. Zwar gab es die Ankündigung, alle Accounts von Kindern zu schließen und Livestreams ohne anwesende Erwachsene nicht mehr zuzulassen, doch die Umsetzung ist schwierig. Das gibt auch die Plattform auf Anfrage von follow.me reports zu. Videos mit klar kinderpornografischen Inhalten würden sofort gelöscht, doch solche, die das „Risiko der Ausbeutung“ enthielten, seien „sehr viel schwieriger zu erkennen.“

Tatsächlich muss man eigentlich kein Experte sein, um solche Videos zu finden. Auch als Laie findet man mit wenigen Klicks verstörende Playlists, in denen zehn-, elfjährige Kinder für Follower in die Hosen pinkeln oder sich gegenseitig weiße Lebensmittel ins Gesicht spritzen.

Unschuldige Kinder

Weil das Mädchen aus dem follow.me report mit den 74.000 Klicks in ihren Videos nicht nur ihr Alter, sondern auch ihren vollen Namen und ihre Schule nennt, können (nicht nur) die Reporter sie leicht aufspüren. Sie sprechen mit der Familie, die aus allen Wolken fällt und natürlich ein Gespräch mit dem Kind führt. Es führt zur Anzeige und zu massiven Ängsten bei dem Kind. Sie habe Angst, wolle nicht mehr rausgehen und würde am liebsten ihren Namen ändern.

Sie hat leider erst zu spät bemerkt, dass sie längst nicht nur Kinder als Zuschauer hatte und viele ihrer vermeintlichen Fans pädophile Erwachsene waren. So geht es vielen Kindern aus der ganzen Welt, die auf YouTube um Follower buhlen.

Sie erkennen meistens die sexuelle Komponente hinter den Forderungen ihrer „Fans“ nicht, freuen sich über neue Abonnenten und Klickzahlen, ohne zu hinterfragen, von wem sie kommen und in welchen Playlists sie gelandet sind. In einschlägigen Playlists landen übrigens häufig Gymnastik-, Ballett, Tanz- oder Fessel-Videos.

Weil sie die Challenges, also Mutproben oder Wettbewerbe, nicht als Missbrauch empfinden, erzählen sie ihren Eltern oft nicht davon.

Eltern in der Verantwortung

Doch das ist der erste Schritt zur Sicherheit im Internet: Die Eltern müssen wissen, ob ihr Kind einen YouTube-Kanal hat oder nicht. Diesen muss man ganz genau im Auge behalten und

  • die Inhalte gezielt mit Erwachsenenblick sehen und entsprechend zensieren
  • regelmäßig nach verdächtigen Kommentaren durchsuchen
  • die Abo- und Klickzahlen im Auge behalten. Steigen letztere schnell an, kann das ein Zeichen sein, dass ein Video in einer Playlist gelandet ist.

Strafanzeige zu stellen macht nach Expertenmeinung aber nur dann Sinn, wenn jemand das Kind gezielt beeinflusst und in eine einschlägige Richtung gelenkt hat. Dann sollte man das Video nicht löschen, sondern auf die Anweisungen der Ermittler warten. In der Zwischenzeit kann man den Clip auf „privat“ stellen – damit ist es nicht mehr öffentlich einsehbar, bleibt aber auf der Plattform.

Regeln für das Posten von Inhalten

Aber auch hier gilt die Devise: Vorbeugen ist besser als heilen. Für Eltern heißt das vor allem Aufklärung. Sie müssen mit ihren Kindern offen darüber sprechen, was sie öffentlich machen und teilen dürfen und was nicht. Ganz wichtig sind die Grundsätze, niemals den vollen Namen zu verwenden und Geburtsdatum, Wohnort und Schule nicht öffentlich preiszugeben – auch nicht auf Facebook oder Instagram.

Auch Kindern kann man bereits erklären, dass nicht jeder, der ein Video kommentiert oder ansieht ein Fan mit guten Absichten ist. Man kann ihnen sagen, dass es Menschen gibt, die sich besonders für den Körper interessieren, dies aber nicht tun, weil sie einen mögen.

Eine wichtige Botschaft ist auch, dem Kind zu vermitteln, dass man immer zu ihm steht und gemeinsam eine Lösung findet, auch wenn es mal Blödsinn gemacht hat. Denn haben die Kinder Angst vor einer Strafe durch die Eltern, wird es weniger motiviert sein, in schwierigen Situationen um Hilfe zu fragen.

Außerdem sollten sich Eltern sehr genau überlegen, ob sie ihrem Kind ein Handy mit Internetzugriff kaufen. Unter 13 Jahren, so sind sich Medienpädagogen einig, ist das nämlich viel zu viel Verantwortung.

Rebecca

Schon seit rund einer Dekade jongliere ich, mal mehr, mal weniger erfolgreich, das Dasein als Schreiberling und Mama. Diese zwei Pole machen mich aus und haben eines gemeinsam: emotionale Geschichten!

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