Stilldemenz: Einbildung oder echt?

Was wollte ich nochmal? Wo hab ich das hingelegt? Hast du mein Dings gesehen? Nachdem das quengelige Baby nach dem Stillen endlich schläft, steigt man in eine entspannende heiße Dusche – mit der Brille auf der Nase oder den Socken noch an den Füßen. Man vergisst auf Grillpartys den Namen eines Familienmitglieds oder lässt seinen Einkauf an der Supermarktkasse stehen. Es ist leicht, sich über diese „Mommy-Brain“-Dinge lustig zu machen. Aber: Schuld daran ist die Stilldemenz!

1. Das Wichtigste auf einen Blick

  • Stilldemenz gibt es wirklich.
  • Studien haben bewiesen, dass sich das Gehirn während der Schwangerschaft und nach der Geburt verändert.
  • Betroffene Mamas leiden unter Vergesslichkeit und Konzentrationsstörungen.
  • Ursachen sind die Hormonumstellung, Schlafmangel und Stress.
  • Auch Fläschchen-Mamas (und Männer) können Stilldemenz bekommen.
  • Du kannst einiges tun, um die Symptome zu lindern.
  • Nach etwa einem Jahr sollte die Stilldemenz wieder verschwinden

2. Gibt es Stilldemenz wirklich?

Ja! Es gibt mehrere wissenschaftliche Studien, die belegen, dass Stilldemenz nicht nur ein Mythos ist. Demnach können sich viele Mütter in der Zeit nach der Geburt schlechter konzentrieren, und auch das Erinnerungsvermögen leidet.

Eine Studie der University of Barcelona aus dem Jahr 2016 zeigte zum Beispiel, dass sich das Gehirn von Frauen während und nach der Schwangerschaft nachweislich verändert. Nach der Geburt wuchsen einige Teile des Gehirns, während andere schrumpften. Auffällig dabei war, dass sich die Anzahl der so genannten grauen Zellen verringerte, die für die Gehirnleistung und das Erinnerungsvermögen zuständig sind. Kein Wunder also, dass so viele Neu-Mamas unter Stilldemenz leiden.

Auch eine aktuelle Studie des Francis Crick Instituts hat übrigens gezeigt, dass sich das Gehirn von Mäusen schon während der Schwangerschaft verändert, um sich auf die Rolle am Mutter vorzubereiten.

Wichtig: Stilldemenz ist keine Krankheit!

Falls du beim Thema Demenz Angst bekommst: Keine Sorge! Stilldemenz ist keine Demenz, sondern die Gehirnfähigkeit ist nur temporär vermindert! Der Begriff Demenz ist hier deswegen eigentlich völlig falsch platziert und wird nur als Neckerei benutzt, da die „Verpeiltheit“ der Mütter manchmal einer Demenz ähnelt. Eine Stilldemenz ist im Vergleich zu einer richtigen Demenz aber völlig harmlos – und vor allem auf einen Zeitraum begrenzt.

Der Grund dafür ist, dass das Gehirn seine Konzentrationsleistung während der Still-Phase (und noch etwas darüber hinaus) vermindert und herunterfährt. Die Hirnströme bleiben dabei aber gesund und sehen daher auf einem MRT oder EEG auch komplett normal aus. Die Leistung entspricht laut Studien einfach der einer 60-jährigen Frau. Aber kein Grund zur Panik – dein Gehirn hat nicht für immer einen Sprung ins Seniorenalter gemacht, sondern funktioniert nach ungefähr einem Jahr wieder ganz normal. Es gibt auch keinerlei Folgeschäden. Fakt ist aber, dass die Stilldemenz keine Einbildung ist!

Stilldemenz tut deinem Baby gut

Auch wenn die ständige Vergesslichkeit mehr als nervig sein kann: Deinem Baby kann sie helfen. Denn dein Körper sagt dir auf eine amüsante, aber liebevolle Art und Weise, dass du jetzt voll und ganz Mama sein darfst, und dich hauptsächlich auf dein Baby einschießen kannst – und solltest. Genau das tut ihm nämlich gut. Kuscheln, schmusen, spielen und stillen hilft ihm dabei, glücklich und umsorgt aufzuwachsen. Besonders für eure Bindung ist das sehr wichtig. Eine Studie fand sogar heraus, dass das „Mommy Brain“ stärker ausfiel, je enger die Beziehung zum Baby war.

Die Stilldemenz kannst und musst du also einfach akzeptieren und darfst sie sogar genießen.

3. Ursachen: Wodurch wird Stilldemenz ausgelöst?

Die Zeit nach der Geburt ist für frischgebackene Eltern nicht nur kuschelig und schön, sondern in den meisten Fällen auch ziemlich anstrengend. Dabei sind es besonders folgende Faktoren, die eine Stilldemenz begünstigen:

Schlafmangel

Besonders der Schlafmangel macht dem Gehirn zu schaffen. Es reagiert auf Schlafentzug ähnlich wie unter dem Einfluss von Alkohol. Die Leistungsfähigkeit ist eingeschränkt und lässt zu wünschen übrig. Das liegt daran, dass durch die sehr kurzen Schlafphasen die REM-Phase, die für die Festigung von Gedächtnisinhalten verantwortlich ist, nicht erreicht wird.

Ein Stillkind wird in den ersten Wochen nach der Geburt in der Regel alle 2-4 Stunden wach und hat Hunger. Und da man am Anfang noch nicht wirklich eingespielt ist, kann sich die Stillzeit dann noch etwas hinziehen. Das heißt, der Rhythmus, der für ein waches Gehirn aber erforderlich ist, ist erstmal nicht gegeben. Dass dadurch die Aufmerksamkeit am Tage etwas nachlässt, ist also nicht verwunderlich.

Hormonelle Umstellung

Der erhöhte Hormonspiegel nach der Geburt setzt dem Ganzen dann noch einen oben drauf. Ich denke, alle Frauen können mir da zustimmen, dass unsere Hormone einen großen Einfluss auf unser Wohlbefinden und unsere Konzentration haben können. Der Hormonspiegel sorgt dafür, dass der Körper und das Gehirn die Geburtsschmerzen verarbeiten kann und sie vor allem vergisst. Kein Wunder also, dass das Gehirn nicht mehr ganz logisch denkt.

Dazu kommen die Hormone Oxytocin und Prolaktin. Erstes wird auch als Liebeshormon bezeichnet, da es vermehrt beim Stillen ausgeschüttet wird und dafür sorgt, dass wir uns so richtig in unser Baby verlieben. Wie ein Blick durch die rosarote Brille!

Veränderte Prioritäten

Deine oberste Dringlichkeit ist jetzt nicht mehr der Lieblingskaffee deines Kunden oder das Thema des nächsten Meetings. Du bist jetzt Mama und völlig auf dein Baby und seine Bedürfnisse konzentriert. Alles andere rutscht dadurch einfach etwas nach hinten. Diese Verlagerung des Fokus kann halt mal dazu führen, dass wir etwas schusselig in anderen Bereichen werden. Von einer Demenz kann man da aber nicht sprechen!

4. Was sind die Symptome von Stilldemenz?

Woran merke ich denn nun, dass ich an Stilldemenz leide? Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, wenn du bei dir folgende Symptome entdeckst:

  • Vergesslichkeit
  • Konzentrationsstörungen
  • Gereiztheit
  • Wortfindungsstörungen
  • Starke Müdigkeit und Erschöpfung

Wichtig: Falls du dich dauerhaft müde, antriebslos und niedergeschlagen fühlst, kann das auch auf eine Wochenbettdepression hindeuten. Bitte sprich in diesem Fall unbedingt mit deinem Arzt bzw. deiner Ärztin.

Stilldemenz ist nicht nur schlecht

Die ständige Vergesslichkeit treibt dich in den Wahnsinn? Verstehen wir gut! Aber vielleicht ist es zumindest ein kleiner Trost, dass Stilldemenz auch ihre guten Seiten hat (ja, wirklich!): Denn genau diese Vergesslichkeit sorgt häufig auch dafür, dass die Strapazen der Geburt und die mit ihr verbundenen Schmerzen verblassen. Das heißt auch, dass die Gefahr eines Geburtstraumas sinkt.

Somit ist die Vergesslichkeit also auch eine Schutzreaktion des Körpers. Und wie schon geschrieben, sorgt sie auch dafür, dass wir uns voll und ganz auf unser Baby konzentrieren.

5. Was hilft gegen Stilldemenz?

Du kannst die Stilldemenz nicht völlig verhindern, du kannst sie aber etwas kontrollieren, indem du versuchst, dein Gehirn in Schwung zu halten – zum Beispiel mit diesen Tipps:

Trinke unbedingt genug

Mindestens 2 Liter Wasser täglich solltest du laut Empfehlungen trinken. Als stillende Mama ist das noch wichtiger. Denn zum einen braucht dein Körper Flüssigkeit, um genug Milch für dein Baby zu produzieren. Zum anderen unterstützt eine ausreichende Flüssigkeitsversorgung deine Gehirnfunktion.

Achte auf deine Ernährung

Das Gleiche gilt für deine Ernährung: Am besten isst du möglichst ausgewogen und vermeidest zu viel Fast Food und Co. Auch damit hilfst du deinem Gehirn.

Hier habe wir mehr Infos zum Thema Ernährung in der Stillzeit für dich.

Schlafe möglichst ausreichend und versuche, dich zu entspannen

Gönne dir regelmäßig eine richtige Entspannung und Schlaf! Das ist gerade am Anfang nicht so einfach dazwischen zu quetschen, aber es tut dir und deinem Gehirn sehr gut. Versuch daher zu schlafen, wenn dein Baby schläft (ja, ich weiß, du kannst es nicht mehr hören…) oder versuch es mal mit Mediation, um deinen Körper herunterzufahren.

Schreibe dir alles direkt auf!

Der einfachste Weg, sich Dinge wieder ins Gedächtnis zu holen, wenn man mal auf dem Schlauch steht, ist durch Notizen. Die Rede ist hierbei nicht nur von Einkaufszetteln und To-Do-Listen, sondern auch von Fragen und Themen, die dir wichtig sind. Zum Beispiel für einen Arzttermin, für deine Hebamme, für deine U-Untersuchung und und und… So läufst du nicht aus einem Termin raus und stellst dir auf dem Rückweg die Fragen, die du deiner Hebamme 10 Minuten vorher eigentlich hättest stellen sollen.

Trage alles in deinen Kalender ein!

Und nein, nicht in dein Smartphone, sondern klassisch in einen Papierkalender. Manchmal sind die altmodischen Weisen die effektivsten. Durch das Aufschreiben merkt sich das Gehirn das Thema leichter. Trag dir deine Termine also immer direkt in den Kalender ein!

Nimm einfach immer jemanden zu deinen Terminen mit!

Für den Fall, dass du dann doch mal vergessen hast, dir die Dinge aufzuschreiben, ist es sehr hilfreich, deinen Partner, deine Mama oder eine Freundin mitzunehmen. Besonders bei Terminen, bei denen es wichtig ist, Informationen zu erfassen, ist ein zweites Paar Ohren sehr praktisch.

Lege deine täglichen Gebrauchsgegenstände immer an den selben Ort!

Lege Dinge wie Schlüssel, Portemonnaie, Handy usw. immer an denselben Platz bei dir zuhause. Das kann zum Beispiel eine Schüssel im Eingang sein, ein Korb in der Küche oder dein Nachttisch. Dann ersparst du dir das hektische Rumgewusel, wenn du die Sachen brauchst.

Mineralien unterstützen das Gedächtnis

Wenn deine Stilldemenz stark ausgeprägt ist und dich stört, dann probiere es mal mit Mineralien- und Vitamintabletten. Vitamin C, B12 und Zink haben einen positiven Effekt auf die Gehirnfunktion. Sprich das aber vorher mit deinem Arzt ab, da ein Zuviel an Vitaminen in der Stillzeit auch nicht gut ist. Versuche daher eher,die Mineralien durch die Nahrung aufzunehmen, dann kannst du nichts überdosieren.

Gib so viele Aufgaben wie möglich an den Papa ab!

Dein Partner wird dir mit Sicherheit liebend gerne zur Seite stehen und dir Aufgaben im Haushalt abnehmen, Mann zeigt doch gerne, was er kann. Scheue dich daher nicht davor, sprich die Dinge direkt an und versuch nicht, alles selber zu stemmen. Zu zweit macht die Neu-Elternzeit auch viel mehr Spaß und ihr profitiert beide davon, da eure Körper sich etwas entspannen können.

6. Wie lange dauert Stilldemenz – und wann hört sie wieder auf?

Die gute Nachricht ist Stilldemenz bleibt nicht für immer. Denn Studien haben gezeigt, dass nach ungefähr einem Jahr hat sich unser Hormonhaushalt wieder weitestgehend normalisiert. Und auch unser Gehirn sieht jetzt wieder ungefähr so aus wie vor der Schwangerschaft bzw. Geburt. Du brauchst also nur etwas Durchhaltevermögen, bis die Vergesslichkeit wieder nachlässt.

7. Übrigens: Stilldemenz ist auch ohne Stillen möglich

Wusstest du, dass du gar nicht unbedingt stillen musst, um an Stilldemenz zu leiden? Klingt verrückt, macht aber durchaus Sinn. Denn auch Mamas, die ihren Babys das Fläschchen geben, leiden häufig unter Stress und Schlafmangel. Und auch die Hormone stellen sich nach der Geburt genauso um. Stilldemenz ist also auch ohne stillen möglich – und kommt sogar auch bei Männern vor.

Stilldemenz ist also keine Einbildung, sondern eine völlig normale und temporäre Phase als Neu-Mama und Neu-Papa. Auch wenn es manchmal nervig ist, schon wieder irgendwelche Dinge zu verschusseln, so ist es auf der anderen Seite eine wundervolle Phase, die euch mit eurem Baby verbindet. Genieß daher dein „Mommy-Brain“ und das Glück, so richtig Mama zu sein!

Hast du Erfahrungen mit Stilldemenz gemacht?

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Laura Dieckmann

Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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