Von ein paar Heultagen bis hin zu einer sehr ernstzunehmenden Wochenbettdepression: die Tage nach eine Geburt können für viele Mütter so emotional belastend sein, dass sie in ein Stimmungstief fallen.
Doch wo liegt der Unterschied zwischen Babyblues und Wochenbettdepression?
Die Freude ist groß. Vom positiven Schwangerschaftstest, über Ultraschalltermine bis hin zum Geburtsvorbereitungskurs, eine Schwangerschaft ist eine aufregende Zeit. 10 Monate – 40 Wochen – 280 Tage Vorfreude.
Dann kommt der Tag der Geburt, das kleine Wunder kommt auf die Welt und alle freuen sich. Alle bis auf eine….die Mutter.
Aber sollte sie nicht vor Glück Saltos machen und voller Euphorie ihr Baby knuddeln? Sollte nicht jetzt das Gefühl von unendlicher Liebe einsetzen? Warum kommen jetzt Zweifel, jetzt wo doch alles so perfekt sein müsste?
Gewitter im Körper der frischgebackenen Mama – Baby-Blues:
Dieses postpartale (nachgeburtliche) Stimmungstief nennt man Baby-Blues, Wochenbettdepression oder auch postpartale Depression.
Bei nur 20% aller Frauen tritt diese Verstimmung nicht auf. Bei den restlichen 80% der Mütter, vor allem bei den stillenden, erklären sich Wissenschaftler diese Stimmungsschwankungen durch die hormonelle Umstellung des Körpers. Der ganze Hormonhaushalt steht Kopf. Die Hormone Progesteron und Östrogen, welche die ganze Schwangerschaft über gebildet wurden, sinken unmittelbar nach der Geburt. Im selben Atemzug steigt aber das Stillhormon Prolaktin an, und es entsteht ein hormonelles Gewitter im Körper der Frau.
Es gibt keine genauen Angaben wie lange diese Heultage dauern, aber in etwa sind es 7-10 Tage. Den meisten Frauen geht es bereits besser, wenn sie nach der Geburt in ihre gewohnte Umgebung zurückkommen.
Was aber, wenn es nach den 7-10 Tagen nicht besser wird, wenn zu Hause alles schlimmer wird?
Wochenbettdepression – Zweifel statt Liebe:
Was die wenigsten wissen: Eine Wochenbettdepression kann tatsächlich weit über das Wochenbett hinausgehen und erst bis zu zwei Jahre nach der Geburt auftreten. In den meisten Fällen wird sie jedoch direkt nach der Geburt akut und hat daher ihren Namen. Offiziell sind etwa 10-20% aller Frauen davon betroffen. Es dürften aber weitaus mehr sein. Welche frisch gebackene Mutter möchte ihrer Familie schon offenbaren, dass sie ihr Baby nicht lieben kann und sich mit allem überfordert und alleine fühlt…
Eine wirkliche Wochenbettdepression zu erkennen ist oft schwer, da sie schleichend vom Baby-Blues in die Depression übergeht. Es braucht geschultes Personal und eine Familie, die die Symptome ernst nimmt und entsprechend handelt.
Was sind Symptome? Alle wesentlichen mentalen Veränderung der Betroffenen.
Viele Angehörige beschreiben diese Veränderung mit dem Satz „Ich erkenne sie gar nicht wieder! Sie ist wie ferngesteuert“.
Häufig sind es Symptome wie Einsamkeit, Überforderung, Traurigkeit, Erschöpfung, Reizbarkeit und Ruhelosigkeit, die auf eine Depression hinweisen können.
Die Mütter fühlen sich allein, denken, sie können ihrer neuen Aufgabe nicht gerecht werden, das Baby nicht lieben. Sie finden keinen ersichtlichen Grund für ihre Traurigkeit, zweifeln an sich selbst, schließlich müssten sie ja das größte Glück dieser Erde fühlen…diese Gedanken können sogar bis hin zu Suizidgedanken führen.
So viel zur Theorie, aber wie ist es wenn man selber vom Baby-Blues oder gar der Wochenbettdepression betroffen ist?
Ich selbst habe mit beidem zu kämpfen.
Bei meiner Tochter Emilia war es nur ein leichtes hormonelles Gewitter, aber bei meinem Sohn Henry war es viel mehr als das. Wollten wir mit Wetterphänomenen weiter machen, käme es wohl einem Tsunami oder Erdbeben gleich.
Bei Emilia war es wie oben geschrieben eine kleine Verstimmung. Ich weinte ohne ersichtlichen Grund. Egal bei was.
Wir kommen nach dem Krankenhaus zu Hause an – Mama am Heulen (und das lag nicht an der nicht vorhandenen „Willkommens-Deko“). Der erste Spaziergang – Mama am Heulen.
Das erste mal Baden – Mama am Heulen.
Papa geht nur schnell einkaufen – Mama am Heulen.
Meine damalige Hebamme stellte die Diagnose und sagte „Das ist völlig normal, weine ruhig! Lass alles raus und verstecke dich nicht. In ein paar Tagen ist alles vorbei.“
So sollte es sein. Wir fanden schnell in unseren Rhythmus und gewöhnten uns aneinander. Natürlich war mir noch hier und da zum Heulen, aber ich war schon immer sehr nah am Wasser gebaut.
Bei Henry war es anders. Erst sprühte ich vor Glück. Endlich war er da. Das Stillen klappte. Emilia war und ist eine tolle, große Schwester. Unsere Familie war komplett. Alles schick, sollte man meinen…
Doch nach und nach überkamen mich dunkle Gedanken. Ich fühlte mich wie in einer Blase. War kaum in der Lage morgens aufzustehen, eine Wahl hatte ich allerdings nicht. Die Kinder wollten versorgt werden. Dennoch fühlte ich mich nicht wirklich dazu in der Lage, irgendetwas zu tun.
Ich weinte einfach oder saß mit starrem Blick auf dem Sofa. Selbst die einfachsten Dinge wie Duschen gehen oder Zähneputzen fielen mir schwer. Ich hatte das Gefühl, Henry nicht lieben zu können. Ich überlegte oft, ob ich ihn vielleicht doch hätte abtreiben sollen, so wie mir jemand aus der Familie riet. So sehr ich es auch wollte, ich konnte nichts mehr Positives denken oder empfinden, und das machte mich noch trauriger und wütender.
Es war ein Kreislauf, dem ich nicht mehr zu entkommen schien.
Für meinen Mann Alex war es eine noch härtere Zeit, er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Es war schwer für ihn, mich so zu sehen.
Er wollte mir helfen, aber ich konnte ihm nicht mal sagen, was mir fehlte. Alex fragte oft, warum ich denn weine, doch eine Antwort bekam er nicht. Ich wusste es ja selbst nicht mal, wie sollte ich es ihm dann erklären?
Als Alex das „Elend“ nicht mehr mit ansehen konnte, rief er unsere/meine Hebamme an. Sie wusste sofort, was los war. Sie kam vorbei, redete mit mir und verwies mich an Fachpersonal.
Immer in Kontakt mit unserer Hebamme, unterstützte Alex mich, wo er nur konnte. Ich kann nicht sagen, wann und erst recht nicht wie, aber es wurde besser. Jeden Tag ein kleines Stück.
Es gab auch Rückfälle und die Angst, es niemals aus der Depression zu schaffen, aber Alex blieb standhaft an meiner Seite. Es mag schnulzig klingen, aber: „In guten wie in schlechten Tagen“.
Ich musste lernen zu reden.
Nicht jeder war der richtige Ansprechpartner dafür, aber meine Hebamme und mein Mann waren es. Ich minimierte den Baby-Willkommensbesuch auf Null und versuchte, zu mir selber zu finden. Um ehrlich zu sein, versuchte ich sogar, wieder zu mir zu kommen.
Vielleicht war es Glück, vielleicht eine höhere Macht oder einfach nur die tolle Unterstützung meiner Familie und meiner Hebamme, dass ich nicht in eine Einrichtung eingewiesen werden musste. Aber ich weiß aus dem Bekanntenkreis, dass auch das eine Art von Hilfe bei Wochenbettdepression sein kann.
Ich möchte mit diesem Artikel erreichen, das Frauen sich nicht mehr allein fühlen. Ich möchte nicht, dass ihr denkt, ihr seid verrückt.
Ich möchte die Aufmerksamkeit auf die Schattenseiten des Kinderkriegens lenken.
Leider ist nach einer Geburt nicht immer alles rosarot und babyblau.
Ich konnte meine Gedanken nicht einordnen, wusste nicht, warum ich so dachte. Ich war froh, als meine Hebamme mir sagte, dass meine Gedanken nichts mit meinen tatsächlichen Gefühlen für Henry zu tun haben.
Heute hasse ich mich manchmal für diese Gedanken, auch wenn ich weiß, dass sie aus der Depression heraus entstanden sind.
Ich hoffe sehr, dass ich mit diesem Artikel jemandem helfen kann.
Vielleicht fühlt sich jemand nun nicht mehr allein mit seinen Gedanken. Vielleicht helfe ich auch Angehörigen, die frisch gebackene Mama besser zu verstehen.
Wenn ich nur einer Person helfen kann, dann hat sich meine Recherche und mein Geschriebenes schon gelohnt.
Lasst uns nicht weiter über dieses Thema schweigen! Seid mutig!
Alles Liebe,
Eure Jana
Dieser ehrliche und mutige Text stammt von Mama-Bloggerin Jana – auf Instagram kann man Jana und ihrer Familie auch folgen (@familie.t.punkt) – viel Spaß dabei!