Zuerst eine (gute) Nachricht: Alle Babys schreien – und lassen sich in der Regel schnell wieder beruhigen. Doch leider gibt es Ausnahmen. Schreit dein Baby übermäßig viel und lässt sich kaum wieder beruhigen, könnte es ein so genanntes Schreibaby sein. Dieser Zustand kann wochenlang anhalten und für Eltern zu einer wahren Geduldsprobe werden. Was du über Schreibabys wissen solltest, wie du erkennst, ob du ein Schreibaby hast und wie du dir und deinem Baby hilfst, möchten wir dir nun erklären.
1. Ab wann spricht man von einem Schreibaby?
Wie bereits gesagt: Schreien ist für Säuglinge vollkommen normal. Selbst gesunde und glückliche Babys können bis zu drei Stunden am Tag schreien. Das ist ganz schön viel! Etwa 10 bis 20 % aller Babys schreien jedoch mehr und lassen sich nur schwer beruhigen.
Von einem Schreibaby spricht man, wenn es die “Dreier-Regel” erfüllt:
- Das Baby schreit oder quengelt an mehr als drei Stunden am Tag
- Das Baby schreit an mindestens drei Tagen in der Woche
- Dieser Zustand hält mindestens drei Wochen an
Die Schreiattacke beginnt scheinbar ohne Grund. In einem Moment ist das Baby noch ganz ruhig, doch plötzlich schreit es schrill und laut mit geballten Fäusten, angezogenen Beinen, einem gestreckten Rücken und rotem Kopf. Da das Kind beim Schreien viel Luft schluckt, kann sich auch der Bauch aufblähen und fest werden. Meist beginnt das Schreien in der zweiten Tageshälfte oder in den frühen Nachtstunden.
Ein weiteres Anzeichen von Schreibabys ist ein gestörter Schlafrhythmus. Diese Kinder schlafen tagsüber selten mehr als 30 Minuten am Stück und haben allgemein Probleme beim Einschlafen. Da die gesamte Schlafzeit verringert ist, sind Schreikinder oft übermüdet.
2. Wann hört das Schreien wieder auf?
Schreikinder haben einen relativ einheitlichen Entwicklungsverlauf. Das Schreien beginnt etwa in der zweiten Lebenswoche und erreicht ca. in der sechsten Woche den Höhepunkt.
Das Schreien legt sich dann wieder ganz von allein: Bei zwei Dritteln der betroffenen Babys klingt es etwa im dritten Lebensmonat wieder ab. Bei wenigen Kindern kann es noch bis in den sechsten Lebensmonat anhalten, aber selten länger.
3. Schreibabys: Was sind die Ursachen und Hintergründe?
Babys schreien aus vielen Gründen. Die häufigsten Ursachen sind, dass das Baby Hunger oder eine volle Windel hat, es sich unwohl fühlt oder körperliche Nähe braucht. Ein Faktor wird jedoch häufig unterschätzt: die Reize, die ständig auf das Baby einwirken und mit denen es erst lernen muss, umzugehen.
Alles, was das Baby in den ersten Lebenswochen erlebt, ist neu. Es muss die vielen Sinneseindrücke und die Reize verarbeiten. Das muss erlernt werden – die richtigen Prozesse werden erst entwickelt und geübt. Im Normalfall können sich Babys bei einer Überforderung selber beruhigen. Manche Babys sind jedoch empfindlicher. Sie nehmen mehr Sinneseindrücke auf als andere und können sie nicht verarbeiten. Es kommt zu einer Regulationsstörung, die zu Schreiattacken führt.
Ein unglücklicher Nebeneffekt von Schreibabys ist, dass die Eltern schnell überfordert sind, sich hilflos fühlen und auch selber nicht zur Ruhe finden. Das Schreien reizt die Eltern, deren Anspannung sich wieder auf das Baby überträgt. Das Baby wird verunsichert, nervös und schreit noch mehr. Eine Spirale, die unbedingt durchbrochen werden muss.
Früher wurde angenommen, das die Ursache für das übermäßige Schreien Verdauungsstörungen, wie die “Dreimonatskoliken” sind. Das wurde allerdings widerlegt. Wenn ein Schreibaby Verdauungsstörungen hat, dann sind sie eher als Begleitsymptom zu sehen. Die Verdauungsprobleme legen sich, wenn das Schreien nachlässt.
Die Ursachen, warum sich einige Kinder zu Schreibabys entwickeln und andere nicht, sind noch nicht ganz geklärt. Es konnte jedoch beobachtet werden, dass Babys von Müttern, die in der Schwangerschaft viel Stress ausgesetzt waren, häufiger zu übermäßigem Schreien neigen. Das Gleiche gilt für Babys in Haushalten, in denen geraucht wird.
4. Welche Folgen kann es haben, wenn mein Baby übermäßig viel schreit?
Das Schreien ist für das Baby selbst eine große Belastung. Neben den bereits erwähnten Koliken kommt es durch das Luftschlucken oft zu einem geblähten Bauch und Bauchschmerzen. Da Schreibabys all ihre Muskeln anspannen, können sie sich selber verletzen und den Rücken überstrecken.
Das Schreien ist auch für die Eltern sehr anstrengend. Viele Eltern fühlen sich hilflos, da das Baby ständig ohne Grund schreit und sich schwer beruhigen lässt. Wenn die Eltern gestresst sind, aggressiv reagieren oder sich vom Baby distanzieren, kann sich eine negative Beziehung zwischen den Eltern und dem Baby entwickeln. Diese kann sich auch auf die nachfolgenden Jahre auswirken.
Leider passiert es sogar, dass übermüdete und überforderte Eltern ihr schreiendes Baby zu stark schütteln. Das kann zu einem Schütteltrauma führen und schlimme Schäden anrichten oder sogar tödlich enden. Daher ist es besonders wichtig, dass Eltern, die mit schreienden Kindern nicht zurechtkommen, sich unbedingt Hilfe suchen. Je früher, desto besser.
Falls du ein Schreibaby hast, habe keine Angst vor Hilfsangeboten. Die Menschen dort, wollen wirklich nur, dass es dir / euch besser geht!
Wenn dein Arzt dir nicht helfen kann, dann wende dich an bitte an eine Schrei-Ambulanz. Hier arbeiten Experten verschiedener Fachrichtungen zusammen, um dir zu helfen.
5. Was kann ich tun, um meinem Schreibaby zu helfen?
Gegen schreiende Babys gibt es kein Rezept, das bei allen Kindern immer gleich gut wirkt und sie sofort beruhigt. Eine Methode kann heute ganz gut helfen und morgen plötzlich gar nicht mehr. Somit solltest du dich mit viel Geduld ausstatten und ausprobieren, was bei deinem Baby funktioniert und was nicht.
Denk daran: Dein Baby schreit nicht, um dich zu ärgern! Es gibt immer eine Ursache. Um sie zu bestimmen, überprüfe die folgenden Punkte.
Ursachen, warum ein Baby schreit:
- Hat das Baby Hunger?
- Ist die Windel voll?
- Ist dem Baby zu warm oder zu kalt?
- Braucht das Baby Körperkontakt und Aufmerksamkeit?
- Hat das Baby Schmerzen oder ist krank?
- Hat das Baby eine Lebensmittelallergie?
- Ist das Baby von zu vielen Reizen überfordert?
Schreit das Baby mehr als normal und lässt es sich nicht beruhigen, sollte ein Kinderarzt konsultiert werden. Dieser wird das Kind auf Krankheiten oder Lebensmittelallergien untersuchen. Werden gesundheitliche Probleme ausgeschlossen, ist wahrscheinlich eine Überforderung durch äußere Reize der Grund für das übermäßige Schreien.
Eine solche Regulationsstörung kann nicht behandelt werden. Somit kann auch das Schreien nicht komplett verhindert werden. Das Baby muss selber lernen, mit den Reizen und Sinneseindrücken umzugehen. Du kannst das Schreien allerdings etwas mildern.
Dabei können dir folgende Tipps helfen.
Tipps, um Schreien zu vermeiden / mildern:
1. Routine:
Lege Zeiten für Füttern, Spielen, Kuscheln, Schlafen etc. fest. Routine und Rituale helfen deinem Baby bei der Orientierung.
2. Wenig Reize:
Sorge für eine reizarme Umgebung. Du kannst beispielsweise das Babyzimmer etwas abdunkeln oder den Kinderwagen zudecken und so Licht und Geräusche dämmen.
3. Babysignale:
Achte auf die Körpersprache und Signale deines Babys: Bietest du ihm zum Beispiel ein Spielzeug an und es dreht sich weg, ist es wahrscheinlich überfordert oder müde. Das ist ein guter Zeitpunkt, es in den Schlaf zu wiegen.
4. Immer ruhig bleiben:
Bleibe möglichst ruhig soweit es geht. Deine Entspannung wird sich auf das Baby übertragen und kann es beruhigen.
5. Massagen:
Eine sanfte Bauchmassage, ein warmes Bad oder ein Beruhigungssauger können dem Baby helfen.
6. Füttertechnik:
Probiere eine andere Fütterungstechnik aus, lass dein Baby zum Beispiel öfter aufstoßen.
7. Ganz viel kuscheln und Körperkontakt:
Schreikinder benötigen besondere Zuneigung und Aufmerksamkeit. Körperliche Nähe hilft deinem Baby, sich sicher zu fühlen und zu entspannen.
8. Gönn dir selbst Pausen:
Sollte dir alles zu viel werden, lass andere Personen auf das Baby aufpassen und gönne dir eine Pause. Und wenn das nicht hilft, such dir Hilfe in Form einer Therapie. Eine Therapie für Familien mit Schreikindern ist besonders für die Eltern-Kind-Beziehung sinnvoll, da die Eltern Tipps und Unterstützung erhalten und sich weniger hilflos fühlen.
6. Wann sollte das Schreibaby zum Arzt?
Wenn das Baby übermäßig viel schreit, sollte es unbedingt von einem Kinderarzt untersucht werden, um gesundheitliche Probleme rechtzeitig zu erkennen.
Davon abgesehen solltest du einen Arzt aufsuchen, wenn dein Schreikind folgende Symptome aufweist:
- Keine Gewichtszunahme
- Verweigern der Nahrung
- Häufiges Erbrechen
- Überstreckung des Rückens
- Schmerzen
- Schreiattacken halten nach dem 6. Monat an
Medikamente oder auch Tees für Schreikinder sollten nicht eingesetzt werden. Die Wirkung konnte noch nicht bestätigt werden und viele der angeblich hilfreichen Präparate können ernsthafte Nebenwirkungen mit sich bringen.
7. An kann ich mich wenden, wenn ich Hilfe mit meinem Schreibaby benötige?
Wie oben schon mehrmals geschrieben: Solltest du dich mit dem Schreikind überfordert fühlen oder Angst haben, die Kontrolle zu verlieren, zögere nicht, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dazu wendest du dich am besten an einen Kinderarzt oder deine Hebamme. Sie werden dir Maßnahmen empfehlen können, um dich etwas zu entlasten.
Auch Schreiambulanzen oder Kliniken könnten sich für dich anbieten. In diesen Einrichtungen arbeiten Therapeuten arbeiten, die sich auf Schreikinder spezialisieren. Dort wird den Eltern beigebracht, wie sie die Signale ihres Babys besser einschätzen und richtig mit dem Kind umgehen. Dem wird Baby geholfen, die Reize zu verarbeiten und sich zu beruhigen.
Keine Frage: Schreibabys sind eine Herausforderung.
Doch die gute Nachricht ist, dass es eine Phase ist, die bald von alleine wieder abklingt. Ob ein Baby übermäßig schreit oder nicht hat auch keine Auswirkungen auf seine weitere Entwicklung. Wappne dich als mit viel Geduld und zögere nicht, um Hilfe zu bitten – zu deinem Wohl und dem deines Kindes.
Wir wünschen dir alles Gute und starke Nerven!
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