Als sie in der 19. Schwangerschaftswoche war, erfuhr Mama Vanessa bei einem Ultraschalltermin, dass ihr zweites Baby keine Arme und Hände hat. Wie alles weiterging und wie es der zauberhaften Familie heute geht, erzählt die Zweifach-Mama aus Kanada hier:
„Ich erinnere mich noch daran, dass der Ultraschall ewig gedauert hat. Ich habe mir aber nichts dabei gedacht, weil der Arzt meinte, dass die Beine meines Babys gekreuzt seien und es deswegen schwierig war, sein Geschlecht zu bestimmen. Weil mein Mann beruflich unterwegs war, waren meine Eltern bei der Untersuchung mit dabei. Wir alle haben die süßen kleinen Zehen meines Babys kommentiert und nicht einmal bemerkt, dass ihre Hände nicht erwähnt wurden…
Am nächsten Tag hatte ich einen Termin mit meiner Hebamme. Ungefähr eine Stunde vor meinem Termin erhielt ich einen Anruf von ihr.
Sie erzählte mir, dass es signifikante Befunde im Ultraschall gab. Sie sagte, ich sollte meinen Mann mit zum Termin bringen und jemanden finden, der auf meine 2-jährige Tochter aufpassen würde. Sofort rutschte mir das Herz in die Knie und meine Tränen liefen. Etwas war schrecklich, schrecklich falsch, ich fühlte es einfach.Ich rief meine Mutter an, da mein Mann noch nicht in der Stadt war, und sie ließ alles fallen, um mich zu diesem Termin zu bringen. Von dem Moment an, als meine Hebamme mich anrief, bis wir in ihrer Praxis ankamen, habe ich nicht aufgehört zu weinen. Ich hatte Angst, dieses Baby zu verlieren. Meine Mutter sagte zu mir: „Vanessa, was auch immer es ist, wir werden es schaffen.“
„Ich möchte nur mein Baby behalten. Ich möchte es nur behalten“, flüsterte ich.
Als wir ins Wartezimmer gingen, wartete mein Vater dort auf uns. Meine Mutter hatte ihn angerufen und ihn gebeten, auch zu kommen. Ich war dankbar für die Unterstützung. Als wir uns endlich mit meiner Hebamme zusammensetzten, ging sie die Bilder durch.
Erstens gab es die Möglichkeit, dass mein Kind eine Lippenspalte haben würde. Als ich das hörte, schöpfte ich Hoffnung. War das alles? Nur etwas Kleines, etwas eher Kosmetisches? Würde es ihr tatsächlich gut gehen? In diesem Moment sagte ich mir, dass ich mich nicht um eine Lippenspalte sorgen würde, solange mein Baby gesund war.
Aber es gab noch mehr.
Ein Oberschenkelhalsknochen war gekrümmt und kürzer als der andere. Okay, das fand ich schon deutlich schlimmer, aber ich hatte immer noch die Hoffnung, dass das vielleicht alles war. Denn meine ultimative Angst war es schließlich, sie zu verlieren. Ich war besorgt, dass sie nicht lebensfähig wäre. Dass es etwas gab, das sie nicht überleben ließ. Oder dass ich gebären und dann Tage, Stunden oder Minuten verlieren würde, nachdem ich sie kennenlernen durfte.
Dann erklärte die Hebamme uns noch, dass es Probleme mit ihrem Herzen geben könne.
Meine Angst wuchs, da dies ein wichtiges Organ war. Aber: Es gibt doch Maschinen und Technologien, die dem Herzschlag helfen können, die ein Herz reparieren können, nicht wahr?
Und dann kam es: Meine Hebamme eröffnete uns, dass meinen Baby sowohl die Unterarme als auch die Hände fehlen würden.
Das fühlte sich nun wie ein Schlag in meine Magengrube an. Es hat mir den Atem geraubt. Es warf mich um und das Schluchzen riss aus mir heraus und die Visionen meines perfekten kleinen Babys zerbrachen. Keine Hände? Ich hatte noch nie davon gehört. Ich hatte sowas nicht auf dem Schirm. Ich wusste nicht, ob ich damit umgehen konnte, ich wusste nicht, ob alles in Ordnung sein würde.
Ich erinnere mich, dass mein Vater zu mir sagte: „Sie wird ein Segen für unsere Familie sein. Ich denke, unsere Familie braucht jemanden wie sie. Sie wird uns so viel beibringen.“
Es ist schwer, dies zu schreiben, diese Emotionen wieder zu erleben, weil ich mich schuldig fühle für die Ängste, die ich hatte, für die Hoffnungslosigkeit, die ich fühlte.
Diese Gefühle waren ein wesentlicher Teil meiner Schwangerschaft in den nächsten Monaten, und ich trauerte wirklich. Verleugnung, Schuld, Wut, Traurigkeit – ich habe sie alle erlebt.
Ich verbrachte die ganze Nacht nach dieser Info damit, Prothesen für Babys und Kinder zu googeln, Videos von betroffenen Kindern anzuschauen und begann, einen Hauch von Hoffnung zu spüren.
Wir wurden in das Vancouver Children’s Hospital überwiesen, dort wurde ein detaillierter, einstündiger Ultraschall durchgeführt und wir konnten uns mit diversen Spezialisten treffen. Ich hatte erwartet, dass wir an diesem Tag Antworten bekommen – dass die Ärzte mir sagen konnten, warum dies geschah, durch was es verursacht wurde und was der nächste Schritt war. Aber all die Termine waren in dieser Hinsicht äußerst enttäuschend, und wenn überhaupt, waren die Ärzte mehr Fragen aus, als dass sie Antworten für uns hatten und machten uns ein schlechtes Gefühl.
Ich wünschte von ganzem Herzen, dieser Tag wäre anders verlaufen. Dass uns jemand gesagt hatte, dass es in Ordnung ist.
Dass uns jemand gesagt hatte, wie schön und perfekt unser kleines Mädchen sein würde, dass sie lächeln und kichern und ein Leben voller Liebe führen würde. Ich wünschte, ich hätte damals gewusst, was ich jetzt weiß. Alle Hoffnung wurde uns dort genommen.
Ich war schockiert, als der Arzt vorschlug, dass wir abtreiben. DAS war mir nie in den Sinn gekommen, aber er bot es an. Als mein Mann und ich sagten, dass wir unser behalten wollten, sagte der Mediziner: „Aber denken Sie an ihre Lebensqualität. Sie wird keine Hände haben.“
Ich finde es gut, dass es die Möglichkeit gibt – weiß aber auch, dass ich niemals eine Abtreibung haben könnte. Aber in diesem Moment fühlte ich Zweifel. Die Ärzte hatten mir Schuldgefühle gemacht, weil ich mein Baby behalten wollte.
Was für ein Leben würde ich ihr bieten? Würde sie wirklich keine Lebensqualität haben?
Mein Mann und ich hatten einen Augenblick alleine, um uns zu entscheiden. Ich blickte ihn an, hatte so viele Fragen, aber keine Antworten. Aber er sagte so fest, leidenschaftlich und nachdrücklich zu mir: „Ich werde alles tun, um auf sie aufzupassen. Ich werde mich für den Rest ihres Lebens um sie kümmern.“ Und ich wusste in diesem Moment, dass er Recht hatte.
Wir haben sie da bereits geliebt. Und ich wusste ohne Zweifel, dass ich es mit meinem Mann an meiner Seite schaffen konnte. Ich hatte keine Ahnung, wie es werden würde, aber ich wusste, dass dies nicht das Ende war. Ich erinnere mich, wie ich meinen Mann umarmte und ihn fragte, warum uns das passieren würde.
Aber als die letzten Wochen und Monate meiner Schwangerschaft vergingen, hörte ich auf, mich das zu fragen. Ich war immer noch vor Angst und Sorge für den Rest meiner Schwangerschaft gelähmt, aber meine Perspektive begann sich zu verändern. Die Dinge machten gerade erst Sinn, sie fingen an zu passen. Es fühlte sich richtig an. Ich hatte das Gefühl, dass das Universum mich aus Millionen von Müttern als Ivys Mutter ausgewählt hat.
Ich glaube sogar, dass sie mich selbst ausgewählt hat.
Sie sah mich und sagte: „Ja. Ich will sie. Ich will, dass SIE meine Mama ist.“ Das Universum wusste, dass ich sie lieben würde. Dass ich für sie kämpfen, für sie eintreten und alles sein würde, was sie von einer Mutter brauchte.
Aber dann wurde mir klar, dass ich diejenige bin, die sie braucht. Sie sah mich und sagte: „Ja. Sie braucht mich. Sie braucht mich, um ihre Tochter zu sein.“ Ich brauche sie, weil sie mich vervollständigt, meine Familie vervollständigt, auf eine Weise, die ich nie realisiert habe. Sie ist ein Balsam für meine Seele, eine Salbe für vergangene Wunden. Ivy wird mir Dinge beibringen, von denen ich nicht dachte, dass ich sie wissen müsste oder vielleicht nicht wissen wollte.
Ivy überraschte uns alle, indem sie vier Wochen früher kam.
Sie konnte es einfach nicht erwarten, sich der Welt anzuschließen. Oder vielleicht wusste sie, dass ich sie hier brauchte, beruhigt sein musste, dass es ihr gut gehen würde, endlich sicher in meinen Armen. In dem Moment, als ich sie zur Welt brachte und in meinen Armen hielt, fühlte ich so viel Frieden. Und als sie die Augen öffnete und mich zum ersten Mal ansah, wusste ich, dass sie genau dort war, wo sie sein sollte.
Und nun halte ich mein kostbares kleines Mädchen in meinen Armen und wenn ich mich an den Moment erinnere, als ich von ihren Armen erfuhr, schaue ich auf ihre perfekten kleinen Arme und lächle. Ich liebe sie. Ich liebe ihre Arme und ich liebe sie. Ich würde sie nicht gegen ein anderes Baby auf der Welt eintauschen. Sie ist mein. Sie sollte bei mir sein, und ich sollte bei ihr sein. Und wir passen so perfekt zusammen.
Seit Ivy nach Hause gekommen ist, ist sie sprunghaft gewachsen und hat alle ihre Meilensteine bisher pünktlich erreicht.
Noch vor ein paar Tagen drehte sie sich um und hat nicht aufgehört. Ich wünschte, ich könnte die Videos von ihrem Rollen an den Arzt senden, der vorschlug, dass wir abtreiben sollten. Ich wünschte, ich könnte ihr Ivys schönes Lächeln zeigen und wie es nicht nur ihr ganzes Gesicht, sondern den ganzen Raum beleuchtet. Ich wünschte, der Arzt könnte das magische Geräusch ihres Kicherns hören.
Was lustig ist, ist, dass Babys mit Händen jetzt komisch für mich aussehen, weil dies unsere neue Normalität ist.
Und das ist die Sache – „normal“ ist alles relativ.
Wir sind alle in vielerlei Hinsicht unterschiedlich, und das ist in Ordnung. Und ich hoffe, ich kann meiner Tochter das beibringen. Manche Menschen haben blaue Augen, andere grüne. Einige haben blonde Haare, andere braune. Einige werden mit Händen geboren, andere ohne. Und ich hoffe, ich kann ihr immer mitteilen, dass ihr Leben einen Sinn hat, einen Wert hat und immer mit so viel Liebe erfüllt sein wird, unabhängig von ihrem Aussehen oder ihren Fähigkeiten.
Eine Sache, die ich weiß, ist, dass ich ihre Lebensqualität niemals in Frage stellen werde.
Ich kann mir unsere Familie ohne Ivy nicht vorstellen.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie nicht hier ist. Und ich weiß, dass wir genug Liebe für sie haben werden, um alles wieder gut zu machen, was ihr fehlt (obwohl ich es nicht so sehe, als ob ihr überhaupt etwas fehlt!) Sie wird nie wissen, wie es ist, Hände zu haben, also wird sie dieses Gefühl des ,Verlustes` nicht erleben. Sie wird wachsen und sich anpassen und immer ihre eigene Art haben, Dinge zu tun.
Es gibt immer noch Tage, an denen die Sorgen und Ängste überhand nehmen, an denen ich mir Sorgen über die Tage im Park mache, an denen andere Kinder bemerken und zeigen und starren und Kommentare abgeben, dass sie ,seltsam` oder ,gruselig` ist. Und ich mache mir Sorgen, dass ich nicht die richtigen Dinge sage oder die richtigen Dinge tue, um ihr beizubringen, dass sie absolut einzigartig ist.
Ich hoffe, ich kann ihr das Vertrauen vermitteln, das sie braucht, um die Welt zu erobern.“
Du möchtest mehr über Ivys Weg erfahren? Dann schau doch mal unter www.growlikeivy.com oder auf Vanessas Instragram-Account vorbei! Hier findest du auch Informationen und Links zu Vereinen und Organisationen, die sich für Kinder mit Gliedmaßen-Anomalien einsetzen.