Mental Load ist ein Thema, das immer mehr die Runde macht. Kein Wunder, denn endlich gibt es einen Begriff für das, was Mamas wirklich so erschöpft. Denn neben den offensichtlichen Dingen wie Haushalt oder zur-Kita-bringen gibt es in einer Familie unglaublich viel zu tun oder bedenken, damit der Laden läuft. Punkte, die nie genannt werden, und dennoch alle nebenher bemerkt, durchdacht, geplant und dann auch erledigt werden müssen.
Laura Fröhlich hat dazu ein wunderbares Buch geschrieben – und uns hat sie einige wichtige Fragen beantwortet:
Liebe Laura, Die Frau fürs Leben ist nicht das Mädchen für alles. Was Eltern gewinnen, wenn sie den Mental Load teilen* (Affiliate Link) – so lautet der Titel deines Buches, das im Juni erschienen ist. Wie kam es dazu, dass du selbst von Mental Load betroffen warst?
Das lag vor allem daran, dass ich nach der Geburt unserer drei Kinder jeweils ein Jahr in Elternzeit war und mich verantwortlich fühlte für die Kinderbetreuung, den Haushalt und eben auch für die Familienorganisation. Ich wurde darin immer besser und irgendwann war es für meine ganze Familie selbstverständlich, dass ich mich an all die Dinge kümmere: Die Kindergarderobe aktuell halten, das Kind beim Kinderturnen anmelden, Bücher wieder in die Bücherei zurückbringen, an alle Termine im Kindergarten und in der Schule denken, Arzttermine ausmachen und so weiter. Ich habe anfangs gar nicht gemerkt, dass dieses „An-alles-denken-müssen“ mich total schafft und fertig macht, und der Auslöser dafür war, dass ich mich immer zu müde und erschöpft fühlte. Ich habe selbst dann nicht viel von der Alltagsorganisation abgegeben, als ich wieder berufstätig war, hatte also wie so viele Mütter die Doppelschicht aus Beruf und Care-Arbeit.
Was genau bedeutet „Mental Load“?
So bezeichnet man die mentale Belastung, die entsteht, wenn wir in der Familie an alles denken müssen, was die Alltags-Organisation, die Kinder und den Haushalt betrifft, und darunter leiden. Viele einzelne Aufgaben ziehen einen Rattenschwanz an weiteren Aufgaben hinter sich her. Allein schon einen Kinderarzttermin telefonisch auszumachen, an das U-Heft und den Impfpass denken, sich frei zu nehmen oder pünktlich hinfahren – schnell wird so eine scheinbar kleine Aufgabe zu einem komplizierten Projekt, und es ist stehen ja meist noch viele andere Punkte mit auf der Liste. Alle diese Kleinigkeiten werden in der Summe zu einem riesigen Berg an Arbeit, und wer alleine an all die Dinge denken muss, der bekommt schnell den so genannten Mental Load. Davon sind natürlich alleinerziehende Eltern besonders betroffen.
Wieso schleicht sich in vielen Familien ein, dass sich die Mama um alles kümmert?
Es gibt natürlich auch mental belastete Väter, aber ganz oft sind es eben die Mütter, weil sie sich für die Arbeit in der Familie stärker verantwortlich fühlen, durch die Elternzeit oder Teilzeit-Jobs länger und öfter zu Hause sind, sich deshalb viel um die Kinder kümmern, entsprechend mehr Haushaltsaufgaben übernehmen und eben in erster Linie die Familie organisieren. Sie haben im Kopf, was täglich an To-dos anstehen. Das hat auch viel mit unserem anspruchsvollen Mutterbild zu tun, denn unsere Gesellschaft ordnet Care-Arbeit Frauen zu. Viele Männer fühlen sich eher verantwortlich dafür, für Geld zu sorgen, und tragen damit auch eine gewisse Last, aber sie haben nicht immerzu mehrere Baustellen im Kopf, haben auch mal Feierabend und seltener ein leeres Renten-Konto.
„Hättest du doch was gesagt, dann hätte ich dir geholfen“ heißt es in einem Comic. Was ist das Problem, wenn Männer das zu ihrer Frau sagen?
Indem manche Männer ihre Frauen darum bitten, ihnen Bescheid zu geben, wenn sie „helfen können“, signalisieren sie gleichzeitig, dass sie sich für diese Art von Arbeit nicht verantwortlich fühlen. Daran denken zu müssen liegt für sie nicht in ihrem Verantwortungsbereich, das zeigt schon das Wörtchen „helfen“. Manche Männer sehen sich eher als Assistent im Bereich Haushalt und Organisation. So bleibt das „Daran-denken“ auf der Seite der Frau. Wichtig ist, sich klarzumachen, dass all diese unbezahlte Care-Arbeit im Verantwortungsbereich beider Eltern liegt. Auch wenn einer von beiden länger erwerbstätig ist, und dann der/die andere zwangsläufig mehr Kinderbetreuung und Haushalt-Aufgaben übernimmt, sollte nicht eine(r) alleine die gesamte Familie organisieren müssen einschließlich Urlaubs- und Wochenendplanung, Packlisten und Speiseplänen, sämtlichen Kindergarten- und Schulangelegenheiten. Denn dann hat man nie Feierabend, nicht einmal in den Ferien.
Um was geht es in deinem Buch?
In meinem Ratgeber habe ich beschrieben, wie ich selber in diese mentale Last geraten bin. Ich habe mich mit den Hintergründen beschäftigt und mich gefragt, warum wir Frauen uns verantwortlich fühlen, warum wir oft sehr perfektionistisch sind und es sich unsere Partner auf diesem Umstand ab und zu etwas bequem machen. Ich zeige auf, welche negativen Folgen die mentale Last für Betroffene hat. Manche Frauen verlieren sich über dieser anspruchsvollen Familienorganisation regelrecht selbst. Im dritten Teil des Buchs geht es dann darum, wie wir das Problem gemeinsam lösen können: miteinander kommunizieren, das Problem erkennen und dann die Haushaltsarbeit und die Organisation gerechter aufteilen. Ich habe viele Tipps für hilfreiche Apps sowie digitale oder analoge Hilfsmittel, es gibt die ultimativer Excel-Tabelle zum Download und viele Anregungen, wie Mütter ihre mentale Last selbst und auch in Zusammenarbeit mit ihrem Partner reduzieren können. Übrigens gibt es das Buch auch als Hörbuch, falls einem das Lesen einfach zu viel ist.
Wieso sind es vor allem Mütter, die während der Corona-Ausnahmesituation die Familie managen?
Während der Corona-Krise hat man in vielen Familien gemerkt, wer die Hauptverantwortung in Sachen Organisation übernimmt. Weil wir uns als Frauen verantwortlich fühlen oder auch von Seiten der Schule oder dem Kindergarten verantwortlich gemacht werden, schalten wir in Krisenzeiten direkt in den Organisationsmodus um, kümmern uns um den Tagesablauf, den Speiseplan und das Homeschooling, während es vielen Vätern leichter fällt, sich ins Home-Office zurückzuziehen und sich ganz auf die Erwerbstätigkeit zu konzentrieren.
Welche Nachteile haben Frauen, die so mental belastet sind?
Mental Load führt oft zu Erschöpfungszuständen. Man fühlt sich überlastet, müde, hat Angst, Aufgaben zu vergessen, und findet einfach keine Zeit mehr, zu entspannen und Pause zu machen. Oft gesteht man es sich auch nicht mehr zu, weil die To-do-Listen endlos scheinen. So verlernen manche Mütter richtig, für sich selbst zu sorgen, weil sie immer nur an die anderen denken. Wer sich viel kümmert, hat auch weniger Geld, weil familiäre Care-Arbeit nicht nur unsichtbar, sondern auch unbezahlt ist. Hier ist es wichtig, für denjenigen Elternteil finanziell vorzusorgen, der nicht oder geringfügiger erwerbstätig ist.
Was hat sich bei euch geändert und welche Tipps hast du für mental belastete Mütter?
Seitdem meinem Mann und mir das Problem mit der mentalen Last bewusst geworden ist, organisieren wir unsere Familie gemeinsam. Wir treffen uns einmal die Woche in der Küche und gehen alle Termine und Aufgaben durch, die anstehen. Vor einem Urlaub kümmern wir uns zusammen um die Packliste, wir organisieren einen Kindergeburtstag gemeinsam und teilen uns alle weiteren Organisations-Aufgaben auf. Ich kann Frauen empfehlen, sich auch mit dem Druck von außen zu beschäftigen und so zu erkennen, wie hoch die Erwartungen an Mütter sind. Wir müssen in jedem Bereich professionell sein, egal ob es um die richtige Ernährung, Erziehung oder anderer Themen rund um die Kinder geht. Das ist einfach viel zu viel und es ist kein Wunder, dass wir uns dauernd erschöpft fühlen. Es ist wichtig, den eigenen Perfektionismus zu hinterfragen und die Aufgaben zu reduzieren. Außerdem müssen wir alle gemeinsam dafür eintreten, dass diese Care-Arbeit mehr geschätzt und gerechter verteilt wird. Die Frau fürs Leben ist nicht das Mädchen für alles! Darum müssen wir die Revolution zu Hause starten und über das Problem mit der mentalen Last reden.
Laura Fröhlich ist Journalistin, Bloggerin und Buchautorin. Sie hat den erfolgreichen Blog www.heuteistmusik.de gegründet, der sich mit Mental Load und seinen Folgen auseinandersetzt und veröffentlichte im Sommer 2020 einen Ratgeber mit dem Titel: „Die Frau fürs Leben ist nicht das Mädchen für alles“ im Kösel Verlag, den es auch als Hörbuch gibt. Sie hält Vorträge und berät Firmen, Vereine und Privatpersonen und zeigt Strategien und Konzepte auf, um den Mental Load zu reduzieren. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in der Nähe von Stuttgart.
[…] werden nämlich oft die „kleinen“, unsichtbaren Dinge vergessen – der sogenannte Mental Load. Das ist der Denksport, den wir täglich betreiben, wenn wir versuchen, den Überblick zu bewahren. […]