Meine große Kleine,
neulich habe ich mir auf meinen Handy den Ordner angesehen, in dem ich all die Fotos und Videos von dir sammle. Seit langem habe ich mal wieder ganz weit zurück gescrollt und so deine ersten Krabbel- und Sprechversuche gesehen. Und irgendwie hätte ich heulen können.
All diese ersten Male, diese echten Wunder, die im ersten Lebensjahr passieren.
Ich werde ihren Zauber nie wieder erleben. Dein erstes Lächeln, das erste Mal „Mama“, das erste Zähnchen, die ersten wackeligen Schritte… Keiner, der es nicht erlebt hat, kann diese Gefühle nachvollziehen. Diesen Stolz, diese Liebe.
Und diesen Wehmut.
Denn all diese ersten Male haben nur ein Ziel: selbstständiger zu werden.
Und auch, wenn Menschenkinder so lange in der Obhut ihrer Eltern bleiben wie kein anderes Säugetier, und zwar mit Abstand – es ist trotzdem zu kurz, wenn man mich fragt.
Du bist jetzt fünf Jahre alt. Und wenn du morgens in Jeans und Hoodie ins Tor deiner Vorschule stürmst, kommst du mir schon vor wie ein winziger Teenager. Du hast dort für viele Stunden am Tag dein eigenes Leben, dass du ohne mich meisterst. Wenn ich Glück habe, erzählst du deinem Papa und mir beim Abendbrot ein paar deiner Erlebnisse.
Manchmal bin ich richtig traurig, Nein, das stimmt nicht, eher wehmütig.
Denn natürlich bin ich froh, dass du gesund bist und ein starkes kleines Persönchen, das sich entwickelt und seinen Weg macht. Ich bin so stolz auf dich und ich liebe dich so sehr.
Manchmal machst du mich wahnsinnig, keiner kann sich so gut streiten wie wir. Deinen Dickkopf verfluche ich so oft – aber eigentlich bin ich heilfroh, dass du für dich einstehen kannst. Aber auch hier merke ich, wie groß du schon bist, du kannst ja schon richtig diskutieren!
Ach, der Zauber der ersten Male…
Wenn man es streng nimmt, werden alle kommenden ersten Male dafür sorgen, dass du dich Stück für Stück weiter von mir entfernst.
Der erste richtige Schultag, das erste Mal verlieben, das erste Mal alleine zu Hause bleiben, der erste Urlaub ohne Eltern, die erste eigene Wohnung!!!! In schwachen Momenten macht mir das Angst.
Doch dann wache ich nachts auf, weil deine nackten Füßchen zu unserem Bett patschen. Du schlüpfst unter die Decke, kuschelst dich an mich und seufzt leise. Ich weiß nicht mal, ob du richtig wach geworden bist. Aber ich weiß: Du bist zwar schon groß, aber doch noch so klein. Du brauchst mich noch.
Und jedes erste Mal, dass ich noch mit dir erleben darf, wird mich Stück für Stück an den Gedanken gewöhnen, dass du irgendwann wirklich groß bist. Denn das ist der Lauf der Dinge und ich kann glücklich sein, dass es so ist.
Und ich werde es voller Liebe beobachten, so wie das schon alle Mamas vor mir bei ihren Kindern getan haben.
Ich hab dich lieb, und das für immer.
Deine Mama