Was viele Menschen immer noch nicht wissen: Übermäßiger Pornokomsum kann süchtig machen. Die inzwischen anerkannte Sucht beeinträchtig – wie jede Sucht – das ganze Leben der Betroffenen und sollte deswegen unbedingt ernst genommen werden.
Schätzungen zufolge lebt eine halbe Million Sex- und Pornosüchtiger in Deutschland. Die Folgen sind teils gravierend – auch für Partner und Angehörige. Wie es sich anfühlt, die Partnerin von jemanden zu sein, der süchtig nach Pornos ist, hat eine Frau auf scarymummy.com erzählt.
Schon immer hat ihr Partner wenig Interesse an Sex gezeigt
Anna Good spricht im Netz offen darüber, wie sich die Pornosucht ihres Mannes auf ihr gemeinsames Leben ausgewirkt habe. Sie erzählt, dass er, seitdem sie ihn kennt, Probleme damit hatte, zum Orgasmus zu kommen und seine Errektion zu halten. Schon damals, als die beiden noch keine Kinder und damit massig Zeit gehabt hätten, war Anna aufgefallen, dass ihr Sexleben „irgendwie anders“ war. Die beiden hätte nie so viel Sex gehabt, wie sie es sich gewünscht habe.
Wenn sie ihren Partner darauf ansprach, erklärte er ihr, dass es am Stress liegen würde, an seinem Schlafmangel oder daran, dass er zu wenig getrunken hätte. Doch als die beiden dann Kinder hatten und damit weniger Zeit füreinander, hatten sie kaum noch Sex. Ihr Ehemann fragte so gut wie nie danach. Unzählige Bedingungen hätten passen müssen, damit es mit dem Sex dann auch geklappt hätte.
Anna versuchte, sich damit abzufinden
Irgendwann hatte sich Anna schon damit abgefunden, dass ihr Mann eben keinen starken Sextrieb habe und eben das bisschen genommen, was sie kriegen konnte. Bis sie ihren Ehemann irgendwann im Scherz fragte, wie oft er sich selbst befriedigen würde. Seine Antwort sollte ihre Perspektive auf die Partnerschaft dauerhaft verändern: „Er war unangenehm berührt, druckste herum und sagte mir dann, dass er sich vier- bis fünfmal die Woche selbst befriedigen würde.“
Über die Jahre hätte Anna immer das Gefühl gehabt, dass etwas ihr Sexleben blockiert hätte, doch sie hätte nie damit gerechnet, dass es an Pornos liegen könnte. Sie hatte zwar ein paar Mal welche entdeckt, aber meistens war ihr Ehemann verdammt gut darin gewesen, seinen Pornokonsum zu verheimlichen. Kurz nach dem Geständnis ihres Ehemannes stößt sie auf einen Online-Beitrag über den Zusammenhang von Problemen im Liebesleben und Pornosucht. Danach ist sie sich endgültig sicher, dass es der übermäßige Pornokonsum ist, der es ihr uns ihrem Mann im Bett so schwer macht, zueinander zu finden.
Ihr Ehemann befürchtet, pornosüchtig zu sein
Sie spricht ihren Mann auf ihren Verdacht an und zu ihrem großen Erstaunen gibt dieser ohne Umschweife zu, dass er selbst schon vermutet hätte, pornosüchtig zu sein. Er würde die Filmchen benutzen, um mit dem Stress des Alltags besser umgehen zu können und hätte schon mehrfach versucht, damit aufzuhören. Bisher jedoch ohne Erfolg. Nun wolle er aber ein für alle mal mit den Pornos aufhören.
Anna ist zunächst geschockt, aber dann schöpft sie Hoffnung, dass sich in ihrem Sexleben endlich etwas ändern könnte. In der ersten Zeit ohne Pornos hätte ihr Mann sich leer und antriebslos gefühlt. Eine völlig normale Reaktion auf einen Porno-Entzug, wie Anna recherchiert. Und schon nach ein paar Monaten verbessert sich plötzlich das Liebesleben des Paares. Ihr Mann hat plötzlich viel mehr sexuelles Interesse an ihr, keine Probleme mehr damit, zum Orgasmus zu kommen und eine verlässliche Errektion.
„Er wollte sich diese Art der Entspannung nicht nehmen lassen.“
Sie spricht mit ihm darüber, welche Veränderungen ihr auffallen und er scheint sich darüber zu freuen, aber gleichzeitig trifft es ihn, welchen Schaden sein überzogener Pornokonsum verursacht hat: Für die gemeinsame Beziehung, für sie und letztendlich auch für sich selbst. Doch ein paar Monate später bemerkt Anna wieder die typischen Anzeichen, dass ihr Mann Pornos konsumiert. Als sie ihn mit ihrem Verdacht konfrontiert, gesteht er schließlich, rückfällig geworden zu sein, weil er bei der Arbeit viel Stress hatte. „Er sagte mir, dass er sich diese Art der Entspannung nicht nehmen lassen will und es würde tun würde, wenn er es brauchen würde.“
Anna stellt daraufhin die ganze Ehe infrage. Nicht nur wegen des Pornokonsums, sondern in erster Linie deswegen, weil ihr Ehemann sie wegen seiner Pornos belogen und sein Versprechen ihr gegenüber gebrochen hatte. Sie empfindet nach dem Streit den permanenten Druck, ihren Mann zu beobachten, um herauszufinden, ob er erneut Pornos schauen würde. Sie kontrolliert sogar sein Handy und lauscht an der Badezimmertür. In einem besonders verzweifelten Moment erwischt sie sich selbst dabei, wie sie an seiner Unterhose schnüffeln will, um einen Beweis für ihre Befürchtungen zu finden.
Er wird immer wieder rückfällig
Trotz allem finden die beiden nach und nach einen Weg zurück zueinander, ihr Liebesleben wird wieder besser, Annas Nerven beruhigen sich. Doch kommt es zum schlimmsten Streit ihrer Ehe und danach fällt ihr Sexleben zurück in das alte, unbefriedigende Muster. Als Anna deswegen eines abends in Tränen ausbricht, beichtet ihr Mann ihr, dass er wieder rückfällig geworden wäre, weil die beiden gestritten hatten. Es täte ihm nun leid, weil er ihr nahe sein wolle.
Für Anna ist nun eine Grenze erreicht: „Ich sagte ihm, dass ich nicht mehr mit ihm verheiratet sein könnte, wenn er nicht mit den Pornos aufhören kann.” Für sie sei das nicht mehr tragbar, sie fühle sich hintergangen. Schließlich würde er in etwas sexuelle Energie investieren, was nicht sie sei und noch dazu passiere es im Geheimen. „Auch wenn Pornos in anderen Beziehungen gut sein können, in unserer waren sie wie Gift!“
Pornos nahmen ihrem Mann und ihr die Chance auf ein gesundes Sexleben
Ihr Ehemann versprach ihr erneut, mit den Pornos aufzuhören, aber Anna befürchtet, dass er inzwischen wieder angefangen hat, heimlich welche zu sehen. Sie kann ihm schließlich nur vertrauen und das ist schon in der Vergangenheit schief gegangen. Immer noch hätten die beiden weniger Sex als Anna sich wünschen würde und beim kleinsten Anzeichen, dass er womöglich wieder zu viele Pornos schaut, dreht sich ihr der Magen um.
Manchmal wünscht sie sich, dass sie schon früher auf ihr Bauchgefühl gehört hätte, dass etwas nicht stimmt. Dass sie nach jemanden Ausschau gehalten hätte, der eine gesündere Einstellung zum Sex gehabt hat. Jemanden, der auch auf ihre Bedürfnisse eingehen könne und mit dem sie eine Vertrauensbasis hätte. Doch Pornos hätten ihr und ihrem Mann die Chance auf ein solches Liebesleben genommen.
Sucht ihres Mannes wird immer Teil der Ehe sein
Eine zeitlang hätte Anna um diese Dinge sehr getrauert. Zunächst sei sie wütend gewesen, dann selbstmitleidig und letztendlich habe sie begonnen zu akzeptieren, dass die Pornosucht ihres Mannes immer ein Teil ihrer Ehe sein würde. Ihr ist es dabei wichtig, klarzustellen, dass sie nichts gegen Pornokonsum im Allgemeinen habe. Es sei ihr bewusst, dass Masturbation Spaß machen könne und manche Beziehungen bereichere.
In Fällen wie in dem ihres Ehemannes sehe das allerdings anders aus. Er habe schon mit 11 angefangen, Pornos zu schauen und sich dazu selbst zu befriedigen, um sich von seiner schwierigen Kindheit abzulenken. Dafür habe er sich immer geschämt und nie offen darüber gesprochen. Mit der Zeit hätte er dann immer härtere Pornos geschaut, um noch etwas zu spüren. Für ihn seien Pornos das Mittel der Wahl gewesen, um Ängste nicht spüren zu müssen und der Realität zu entfliehen. Seitdem ihr das klargeworden ist, wisse Anna, wie verfahren und kompliziert ihre Sexsituation eigentlich ist.
„Ich versuche, darüber hinwegzukommen“
Um ihren Ehemann klarzumachen, wie sich seine Pornosucht für sie anfühlt, hat sie folgendes Bild gewählt: „Stell dir vor, ich hätte jahrelang heimlich Geld von unserem gemeinsamen Konto abgehoben, um mir heimlich Dinge zu kaufen und wir wären tausende Euro reicher, wenn ich das nicht getan hätte.“ Ihrem Mann hätte dieses Beispiel geholfen, sich in ihre Situation hineinzuversetzen. Denn auch, wenn seine Pornosucht nicht direkt etwas mit ihr zu tun hat, beeinträchtigt er zwangsläufig auch ihr Leben.
Anna hatte dann irgendwann das Gefühl, nur drei Optionen zu haben: „Entweder ich trenne mich von ihm und zerstöre unsere Familie, ich bleibe bei ihm und lasse mich von der Angst auffressen, dass er heimlich wieder Pornos schaut, oder ich bleibe bei ihm und entscheide mich, ihm zu vertrauen und darüber hinwegzukommen.“ Fürs Erste hätte sie letztere Option gewählt, denn das wäre gerade das Beste, was sie tun könnte.