Es ist eine der größten Ängste aller Eltern: Dass das eigene Kind Opfer von sexuellem Missbrauch wird. Und auch, wenn wir den Gedanken daran am liebsten ganz weit wegschieben möchten – ganz so einfach ist es leider nicht. Denn das Internet macht es potentiellen Tätern relativ einfach, mit den Kindern in Kontakt zu treten. Experten gehen davon aus, dass fast jedes Kind (!) mindestens einmal vom so genannten Cybergrooming betroffen ist.
Immer mehr Täter suchen ihre Opfer online
Man will als Mamas (und natürlich Papa) gar nicht daran denken, aber leider ist es bittere Realität: Sobald unsere Kinder im Internet unterwegs sind, werden sie fast automatisch zur Zielscheibe für so genanntes Cybergrooming. Das bedeutet, dass Erwachsene online gezielt nach Kindern suchen und sie anschreiben, um sie sexuell zu missbrauchen. Dabei geben sie sich häufig selbst als Kinder aus oder versuchen auf andere Weise, das Vertrauen ihrer Opfer zu gewinnen.
Und das passiert leider viel häufiger, als wir es uns vorstellen (möchten): Laut Experten für so genannte Cyberkriminologie (Verbrechen im Internet) kommt so gut wie jedes Kind, das im Internet unterwegs ist, dort mindestens einmal mit einem Täter in Kontakt. Dabei werden längst nicht alle Fälle erfasst, sondern es gibt eine extrem hohe Dunkelziffer, wie Cyberkriminologe Thomas-Gabriel Rüdiger in einem Bericht von ntv sagt.
Angezeigt werden die Täter nur selten
Ebenfalls erschreckend ist, dass viele Kinder die sexuelle Belästigung dem Experten zufolge gar nicht als solche wahrnehmen. Obwohl Cybergrooming eine Straftat ist, müssen die Täter dementsprechend auch nur (viel zu) selten mit einer Anzeige rechnen.
Genau das ist laut Thomas-Gabriel Rüdiger auch ein Grund dafür, dass die Täter sich immer sicherer fühlen – und immer offensiver auf die Kinder zugehen. Dabei machen sie sich teilweise nicht einmal die Mühe, ihren richtigen Namen zu verschleiern. Wer feststellt, „dass er im Netz Normen brechen, Sexualdelikte begehen, Hass verbreiten kann, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden, dessen Hemmschwelle sinkt generell“, so Rüdiger.
Soziale Medien sind bei den Tätern beliebt
Besonders häufig sprechen die Kriminellen ihre Opfer demnach auf sozialen Plattformen wie TikTok, Instagram, Snapchat und Co. an. Ist der Kontakt erst einmal hergestellt, versuchen die Täter oft, die Unterhaltungen bei WhatsApp und anderen Messengern weiterzuführen.
Hier geben die die meisten Täter laut Rüdiger viele Infos über sich preis – und hinterlassen außerdem eine Spur, die die Ermittler in vielen Fällen zurückverfolgen können. Wenn ein Kind bzw. die Eltern einen Fall von Cybergrooming anzeigen, können dementsprechend bis zu 80 % der Fälle auch aufgeklärt werden.
Kinder vertrauen sich ihren Eltern oft erst zu spät an
Während die Vorstellung, dass ein Krimineller unsere Kinder sexuell belästigen könnte, für uns Eltern schon absolut furchtbar ist, kommt noch dazu, dass viele Kinder ihren Eltern in den allermeisten Fällen nicht davon erzählen. Sie schämen sich, haben Angst oder sind in Sorge, dass die Eltern ihnen die Nutzung von Smartphone oder Internet verbieten könnten. Wie Thomas-Gabriel Rüdiger gegenüber ntv erzählt, gehen manche Kinder sogar erst zu Polizei – und nicht zu ihren Eltern.
Deshalb rät der Experte allen Eltern, folgende Tipps zu beachten:
So können wir unsere Kinder schützen:
1. Smartphone nicht „nebenbei“ anschaffen
Wenn wir entscheiden, dass unser Kind ein Smartphone bekommt, sollten wir es nicht nach dem Kauf damit alleinlassen. Wichtig ist, ihm genau zu erklären, wie das Handy funktioniert, und welche Gefahren es gibt, zum Beispiel bei der Nutzung von WhatsApp oder Instagram und Co. Wenn wir den Eindruck haben, dass unser Kind vielleicht doch noch zu jung ist, um verantwortungsvoll mit dem Telefon umzugehen, sollten wir uns nicht davor scheuen, doch noch etwas länger zu warten.
2. Tun, was unsere Kinder tun
Der Sohn will das neueste Computerspiel zocken, die Tochter mit der Freundin Snapchat erkunden? Dann tut das auch! Meldet euch an, testet alles aus und schaut dabei genau, welche möglichen Gefahren es geben könnte. Denn wenn wir wissen, was unsere Kinder tun, und womit sie sich beschäftigen, können wir sie besser schützen – und Gefahren besser einschätzen.
3. Mögliche Gefahren (kindgerecht) erklären
Wenn Mama oder Papa ständig erzählen, was man alles nicht darf, kann das auf Dauer ganz schön nerven. Und nicht selten verleitet es den Nachwuchs, genau die Dinge auszuprobieren, die verboten sind. Umso wichtiger ist es, dass wir nicht einfach zu Verboten greifen, sondern unserem Kind genau erklären, welche Gefahren es im Internet gibt, und wie es sich dagegen schützen kann. Zum Beispiel, dass jeder im Internet eine andere Identität annehmen kann und nicht jedes „Kind“ auch wirklich ein Kind sein muss. Dass private Daten niemanden etwas angehen. Und dass man sich mit niemandem treffen sollte, den man nicht persönlich kennt – schon gar nicht allein!
4. Vertrauensbasis schaffen
Besonders wichtig: Wir sollten unserem Kind immer das Gefühl vermitteln, dass es jederzeit zu uns kommen kann. Dass wir nicht schimpfen, weil es etwas gemacht hat, dass es nicht soll. Sondern alles tun werden, um es zu beschützen und ihm zu helfen. Dass wir ihm nicht das Handy wegnehmen oder das Internet abdrehen, sondern zusammen zur Polizei gehen.
5. Ein gutes Vorbild sein
Ja, unsere Kinder sind toll und niedlich, und wir würden sie am liebsten jedem zeigen, weil wir so unglaublich stolz sind. Wenn wir das allerdings tun, zeigen wir unserem Nachwuchs: Es ist okay, Fotos von dir im Netz zu verbreiten. Und genau das wollen wir ja eigentlich verhindern. Deshalb sollten wir lieber einmal mehr darüber nachdenken, was wir mit wem teilen, und wo wir es posten. Nur so können wir unseren Kindern ein gutes Vorbild sein – und sie vor sexueller Belästigung im Internet schützen.