„Seit sechs Jahren habe nicht mit meiner Mutter gesprochen. Und ich werde es auch nie wieder tun. Tun können, denn vor zwei Monaten ist sie gestorben.
Als Kind habe ich sie abgöttisch geliebt. Jetzt im Nachhinein sehe ich, dass wir schon da kein normales, liebevolles Verhältnis hatten. Sie war eine wunderschöne, egozentrische Frau. Sie war ,perfekt` und verlangte das auch von mir. Meine Bilder waren nie schön genug, meine Haare zottelig, meine Stimme zu laut – ich habe das Gefühl, seit meiner Geburt ackerte ich mich ab, um ihre Anerkennung zu erlangen. Ich schaffte es aber kaum einmal.
Mein Bruder stand ihr viel näher, ihm gegenüber war sie wohlwollender.
Später wurde es schlimmer. Sie hatte ihre eigenen Dämonen, irgendwann wusste ich das. Ich konnte ihr nichts recht machen, gute Noten hätten immer noch besser sein können etc. Sobald ich mit 18 auszog, hatten wir jede Menge Phasen, in denen ich nicht mit ihr sprach und mir schwor, es auch niemals wieder zu tun. Ich wusste, dass sie mir nicht gut tat, dass sie mich klein machte, dass sie sich am Ende nicht wirklich für mich interessierte.
Und doch, ich rief sie immer wieder an, besuchte sie, machte den ersten Schritt. Ich fühlte mich schuldig, wollte die Dinge in Ordnung bringen. Sie war doch meine Mutter!
Der endgültige Cut kam aber. Und zwar, als ich selbst Mutter wurde. Ein Baby, dachte ich, ihr Enkel – dieses Wunder musste uns einander doch näherbringen! Aber nein, sie begann, mich als Mutter zu kritisieren, ich verwöhnte mein Baby natürlich in ihren Augen, sie verspottete mich und nahm meine Tochter kaum mal auf den Arm. Auch hier ging es wieder nur darum, dass ich völlig unzulänglich war. Dabei hätte ich so oft gerne den Rat einer erfahrenen, ja, meiner Mutter gehabt!
Außerdem konnte ich jetzt, wo ich die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind kannte, noch weniger verstehen, wie man so zu seiner Tochter sein konnte.
Und so beendete ich den Kontakt, auch, wenn es sehr schmerzvoll für mich war. Mit der Zeit fühlte ich aber, wie ich leichter und glücklicher wurde. Es war okay. Es war gut!
Letzte Woche rief mich mein Bruder an und erzählte mir, dass unsere Mutter gestorben sei. Sie ist friedlich eingeschlafen. Mein erster Gedanke war: ,Mensch, ob das genug Drama für ihren Geschmack war?`Dann erschrak ich mich selbst über diesen gemeinen Gedanken.
In den letzten Wochen mussten wir viel regeln. Und ich hatte viel Zeit, nachzudenken. Natürlich ist es mir nicht egal, dass meine Mutter gestorben ist! Es ist welterschütternd, wenn Eltern sterben. Es verändert dich für immer. Ein Teil von mir wünscht sich, dass sie noch da ist – obwohl wir uns nie mehr gesehen haben, hatte ich ja die Gewissheit, dass es sie noch gibt, meine Mutter. Aber so richtig in Trauer bin ich nicht.
Ich habe auch überlegt, ob mir unser Bruch nun leid tut, nachdem es für eine Versöhnung zu spät ist.
Tut er nicht. Es war richtig so, mir war eine liebevolle Mutter eben nicht vergönnt. Ich habe eine toxische Beziehung beendet. Ich habe einen Menschen, der mir wehgetan hat, aus meinem Leben verbannt, um mehr Kraft für die zu haben, die mich lieben.
Meine Mutter ist seit zwei Monaten tot – aber schon vor Jahren für mich gestorben.“
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Ich verstehe die Autorin dieses Artikels nur zu gut…. ??