Nach vielen Diskussionen und etlichen Gremien, die sie durchlaufen musste, ist die Bundes-Notbremse nun beschlossene Sache.
Sie sollte eine einheitliche Regelung der Corona-Maßnahmen in Deutschland bringen, in der Praxis sieht es nun schon wieder ein wenig anders aus. Bei uns in Hamburg beispielsweise gelten schon länger z. T. sogar strengere Regeln, als das neue Gesetz es verlangt… Und die bleiben!
Einer der Punkte, die Eltern dabei am meisten Bauchschmerzen bereitet: Ab einer Inzidenz, die deutlich gesenkt wurde, sollen Schulen wieder dichtmachen.
Doch Eltern sind nicht die einzigen, die sich darüber Gedanken machen. „Das Wohl der Kinder wurde geopfert für eine Stunde länger Ausgang“, ärgert sich auch Reinhard Berner, Klinikdirektor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus in Dresden, im Gespräch mit FOCUS Online. Er sagt weiter:
„Das ist ein verheerendes Zeichen, das zeigt, wie wenig wichtig der Politik die Kindergesundheit und das Aufwachsen der Kinder in dieser Pandemie ist.“
In der Tat lassen einen die letzten Entscheidungen oftmals ratlos zurück. Es ist klar, dass etwas geschehen muss, um die aktuell wieder massive Ausbreitung des Virus einzudämmen. Und es ist auch klar, dass es dabei auch unbequem für uns werden kann und wir sowieso schon völlig lustlos und unwillig sind nach über einem Jahr Pandemie – das macht natürlich ungeduldig.
Aber: Ist es wirklich so gefährlich, Kinder unter Berücksichtigung all der Hygienemaßnahmen in die Schulen zu schicken, dass es ihren ganzen Verlust rechtfertigt? Die fehlenden sozialen Kontakte zu anderen Kindern, der fehlende geordnete Alltag, der fehlende Unterricht von Fachkräften, die dafür lange studiert haben… Ich kenne Kinder (aus größeren Klassen), die schon seit Dezember letzten Jahres nicht mehr in der Schule waren. Was hat denn das bitte für unvorstellbare Folgen!?
Natürlich bin ich keine Medizinerin und keine Wissenschaftlerin, natürlich hab ich erst recht keinen Masterplan. Aber nicht erst seit der Notbremse fragt man sich, ob das alles verhältnismäßig ist. Und jetzt, mit der Notbremse, natürlich erst recht.
Reinhard Berner bemängelt in dem Interview auch „Äußerungen, dass die Kinder das Virus aus den Schulen in die Familien tragen und jetzt die Familienväter und -mütter auf den Intensivstationen sterben werden“. Das sei sachlich und fachlich unsinnig, sagt er. „Da wird mit Fingern auf eine Gruppe gezeigt und gesagt, ihr seid schuld. Die Kinder werden mit dem fürchterlichen Wort Pandemietreiber gebrandmarkt“. Dass Weg des Virus von der Schule über die Kinder zu den Eltern – „und von dort in die Altenheime und Intensivstationen, ein relevanter in dieser Pandemie wäre, ist bisher durch keine einzige Studie belegt.“ Eher im Gegenteil.
Der Mediziner sagt zu Focus online, dass NATÜRLICH Infektionen an Schulen stattfinden würden – so wie leider überall. Aber mit den entsprechenden Maßnahmen sei ein Präsenzunterricht völlig legitim.
Selbstverständlich habe man in den vergangenen Wochen steigende Zahlen in den Altersgruppen der Kinder und Jugendlichen gesehen. Das lasse sich jedoch in erster Linie mit den breitangelegten Tests unter Schulkindern erklären – und habe keinen nachweisbaren Einfluss auf die Lage auf den Intensivstationen.
Natürlich müsse man die Belastung auf den Intensivstationen, der Menschen, die dort arbeiten, unbedingt ernst nehmen. „Doch eine geschlossene Schule oder ein verbotenes Fußballspiel von Kindern draußen wird kein Bett auf der Intensivstation freihalten“, erklärt Berner.