In Spanien wird es künftig vor dem Gesetz keinen Unterschied mehr zwischen sexuellem Missbrauch und einer Vergewaltigung geben. Dafür soll das neue „Gesetz der Garantie der sexuellen Freiheit“ sorgen, der entsprechende Entwurf wurde jetzt von der Regierung verabschiedet. Das heißt, dass in Zukunft jeder sexuelle Übergriff automatisch als Vergewaltigung gilt – auch wenn das Opfer sich zum Beispiel aus Angst nicht wehrt. Die Täter müssen dann in allen Fällen mit bis zu 15 Jahren Haft rechnen.
„Wenn eine Frau nicht ausdrücklich JA sagt, heißt alles andere NEIN.“
Das neue Gesetz soll eine konkretere Antwort auf die Frage liefern, wann Sex als einvernehmlich gilt. Und das ist laut Carmen Calvo Poyato, die spanische Ministerin für Gleichstellung, nur dann der Fall, wenn alle Personen ausdrücklich zustimmen. Oder anders gesagt: „Wenn eine Frau nicht ausdrücklich JA sagt, dann heißt alles andere NEIN.“
Allerdings können auch Verhalten und Körpersprache als Zustimmung gelten, wie die Rechtsprofessorin Patricia Faraldo Cabana gegenüber dem Guardian erklärt, die an dem Entwurf des Gesetzes mitgearbeitet hat: „Auch wenn das Opfer sich nicht wehrt, kann es trotzdem eine Vergewaltigung sein“, erklärt sie. „Wenn sie nackt ist, aktiv mitmacht und es sichtlich genießt, stimmt sie offensichtlich zu. Wenn sie weint, wie eine aufblasbare Puppe daliegt und offensichtlich keinen Spaß hat, dann nicht.“
Opfer müssen Tätern nicht mehr Auge in Auge gegenübertreten
Das neue Gesetz soll für „jedwede Handlung sexueller Natur, die nicht einvernehmlich stattfindet“ gelten, also unter anderem auch für von Frauen auf der Straße, sexuelle Belästigung im Internet, nicht einvernehmliche Pornografie, die Veröffentlichung eindeutiger Fotos ohne Zustimmung, Zuhälterei und Genitalverstümmelung.
Eine weitere Änderung soll die Opfer sexueller Gewalt auch vor Gericht schützen. So müssen sie während des Prozesses keinen Blickkontakt mehr zum Täter aufnehmen und können ihre Aussage in speziell abgetrennten Räumen machen.
Gesetz als Reaktion auf Prozess nach Gruppenvergewaltigung
Der Grund für die Verschärfung des Sexualstrafrechts ist ein Prozess, bei dem es um eine Gruppenvergewaltigung ging. Im Juli 2016 hatten insgesamt fünf Männer ein 18-jähriges Mädchen während eines traditionellen Festes in einen Hauseingang gezerrt, sie mehrfach vergewaltigt und die Taten gefilmt. Kurz darauf hatte das Mädchen die Männer wegen Vergewaltigung angezeigt. Sie wurden zu neun Jahren Haft verurteilt – allerdings nur wegen mehrfachen sexuellen Missbrauchs. Da das Opfer sich nicht aktiv gewehrt hatte, sahen die Richter den Tatbestand der Vergewaltigung nicht gegeben. Nach dem Urteil kam es zu Massenprotesten unter dem Motto „Nur Ja ist Ja“.
Auch die beteiligte Staatsanwältin kritisierte die Begründung der Richter scharf: „Die Angeklagten wollen uns weismachen, dass sie in dieser Nacht ein 18 Jahre altes Mädchen getroffen haben, das ein normales Leben hatte und nach einem 20-minütigen Gespräch mit Menschen, die sie nicht kannte, mit Gruppensex einverstanden war, der jede Art der Penetration beinhaltete, teilweise sogar gleichzeitig, und ohne ein Kondom zu benutzen.“
Nach dem Urteil hatten beide Seiten angekündigt, in Revision zu gehen.
Spanien als Vorreiter, auch Schweden hat ein Einverständnis-Gesetz
Mit dem „Nur-Ja-heißt-Ja-Gesetz“ ist Spanien schon zum zweiten Mal Vorreiter, wenn es darum geht, Frauen vor Gewalt zu schützen. Im Jahr 2004 trat hier ein Gesetz gegen Gewalt durch Partner oder Ex-Partner in Kraft.
Übrigens gibt es das Einverständnis-Gesetz seit kurzem auch in Schweden. Hier wurde es im Zusammenhang mit der #MeToo-Bewegung beschlossen.