Natürlich! Die Frau hat das Kind ausgetragen und weiß alles besser!
Ist doch ganz logisch. Wie sollte denn der Mann wissen, was das Baby braucht? Klingt überzogen? Vor allem ist es menschlich!
Meine Freundin sagte zu mir „Oh mein Gott, zum Glück habt selbst ihr diese Probleme!“ Ja, auch ich ertappe mich dabei, zu glauben, ich wüsste am besten was für unser Baby gut wäre.
Kurz zur Erklärung: Mein Mann Thies und ich würden immer alles für unser Kind tun und bis jetzt hat es glücklicherweise nie wirklich etwas gehabt.
Folgende Situation: Unser Baby wacht nachts plötzlich auf und schreit. Normalerweise hilft stillen. Diesmal hört es jedoch nicht wieder auf zu schreien. Ich versuche alles. Ich stehe auf, setze mich wieder hin, wiege es, wippe es, lasse es sein Spiegelbild sehen… Und fange an mich zu ärgern. Thies lieg im Bett. Er ist wach. Wer sollte bei dem Alarm auch schlafen können. Er tut nichts.
„Frechheit“, denke ich, „kann der nicht auch mal was tun?“ Irgendwann beginne ich mich hilflos zu fühlen. Ich bitte ihn, sich um das Baby zu kümmern. Er legt das Baby einfach hin und hält seine Hand auf seinen Bauch und Kopf. Das Baby schreit weiter. Ich werde ungeduldig, finde seine Hilfe wenig hilfreich und nehme das Baby wieder an mich.
Noch ein bisschen später und hilfloser merke ich, dass ich ein blödes Spiel spiele und endlich gebe ich Thies das Baby. Am Anfang fällt es mir schwer.
Dann merke ich, wie ich das Weinen des Kindes immer mehr akzeptieren kann, und dann darf es weinen. Ich werde entspannter. Das Kind wird entspannter. Und dann irgendwann hat es sich beruhigt und kann trinken. Es trinkt, schläft wieder ein und alles ist wieder gut.
Der Sturm ist vorüber.
Danach will ich es einfach wissen. Warum hat Thies sich (in meinen Augen) nicht gekümmert? Ich hatte tatsächlich begonnen, ihm Boshaftigkeit oder Desinteresse zu unterstellen. Was sollte es sonst sein. Wir sind danach detailliert die Situation durch gegangen.
Ergebnis: Ich konnte nicht akzeptieren, dass mein Baby schrie. Ich wollte unbedingt etwas tun, damit es aufhört. Damit habe ich die Situation für das Baby und mich jedoch verschlimmert, denn das Baby merkt ja, dass etwas los ist und ich ungeduldig bin.
Der Grund, dass Thies nichts unternahm, war, dass er dem Baby die Möglichkeit geben wollte, für einen Moment schreien zu dürfen und nicht in mein hektisches Spiel mit einsteigen wollte. Außerdem hätte er es mir in dem Augenblick nicht recht machen können. Und in das hektische Spiel mit einzusteigen, hätte uns beiden nicht wirklich geholfen.
Meine Hilflosigkeit ist wie ein altes Spiel und kommt vielleicht auch aus dem Muttersein heraus – als gute Intention, dem Baby möge es immer gut gehen. Jedoch bin ich damit weder meinem Kind noch irgendwem anders eine Hilfe.
Interessant ist auch die Unterstellung von Boshaftigkeit. Manchmal tendiert man dazu, wirklich zu glauben, jemand handle boshaft. Dabei handelt der Andere eigentlich selbst aus Hilflosigkeit, Vernunft, Weitsicht, Liebe oder was auch immer. Um das zu erfahren hilft fragen statt urteilen und interpretieren.
Mir hat dieses Gespräch enorm geholfen. Nun kann ich in Zukunft, wenn ich merke, dass ich wieder so reagiere, das Baby gleich an Thies geben oder auch dem Baby geduldiger erlauben zu schreien, um selbst aus dem Dilemma schneller wieder heraus zu kommen.
Und meinem Mann zu vertrauen ist etwas, das uns verbindet, anstatt Einzelkämpfer mit unserem Kind zu sein. Bestimmt wird es mir wieder passieren, dass ich glaube zu wissen, was besser für unser Baby ist. Na und? Das ist menschlich!
Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog Marryville, das Inken Arntzen mit ihrem Mann Thies betreibt. Inken ist Coach, Beraterin, Gründerin und steht dafür ein, dass Familien eine selbstbestimmte Geburt erleben dürfen. Sie ist HypnoBirthing Kursleiterin in Ausbildung, Gründerin des Superheldentraining, Mitgründerin des Netzwerks Digital Media Women, und Organisatorin der Social Media Week Hamburg. Siehe auch www.meyola.de.