„Wo finde ich noch mal die braune Schuhcreme? Wann hat die Erzieherin in der Kita eigentlich ihren letzten Tag? Mama, wo sind meine Sportschuhe? Wann wird noch mal der Papiermüll abgeholt? Schatz, wo sind die Schwimmflügel der Kinder? Mama, kann ich einen Freund zum Mittag mitbringen? Mama, wann kommt meine neue Busfahrkarte an?“
All diese Fragen sind schnell beantwortet. Kleinigkeiten, die man ja eh im Kopf hat. Fragen, deren Antworten meist auf der Festplatte einer Person im Haushalt gespeichert sind.
Meistens handelt es sich bei dieser familiären, alles wissenden Festplatte um die Mutter. Und diese steht der ganzen Familie zur Verfügung.
Irgendwann bürgert es sich in vielen Familien ein, lieber erst schnell Mama zu fragen, bevor man sich selbst auf die Suche macht, nachschaut oder jemand anderen fragt.
Ist ja auch praktisch: Mama weiß ja auch alles. Mama ist damit aber auch den ganzen Tag auf Stand-by. Ihr Gehirn rattert den ganzen Tag und muss sich nicht nur alle diese Kleinigkeiten merken, sie müssen auch ad hoc abrufbar, richtig verortet und am besten noch mit zusätzlichen Informationen verbunden sein. Wer nach den Schwimmflügeln fragt, will nämlich ganz sicher im nächsten Schritt auch wissen, wo die Badehandtücher sind. Und das Duschgel der Kinder. Und die Taucherbrille, die Schwimmnudel und die Badelatschen. Und bis man das alles heruntergerattert hat und doch noch dreimal dazukommen muss, weil der gewünschte Gegenstand trotz präziser Angabe nicht gefunden werden konnte, packt man die Schwimmtasche beim nächsten Mal einfach selbst.
Dieses Phänomen des Wissensvorsprungs nennt man Mental Load.
Während die Frau in ihrem Mental Load, dem Wirbel aus To-dos gefangen ist, kann der Mann einiges einfach gar nicht so schnell greifen, wie sie es denkt. Dann kommt der Erfahrungsvorsprung der Frauen zum Tragen. Die Frau hat dann eben vielleicht schon dreimal einen Adventskalender gepackt, sie weiß, dass die Sachen in der Kita regelmäßig kontrolliert werden müssen: ob sie noch passen, dreckig sind oder Löcher haben, und sie weiß, dass die Winterstiefel vom letzten Jahr höchstwahrscheinlich dieses Jahr nicht mehr passen werden. Die Frauen kennen die Freunde und Freundinnen der Kinder, haben alle Telefonnummern und Kontaktpersonen gespeichert und sind eine lebende Größentabelle für Kinderkleidung.
Bevor sie das alles erklärt haben, machen sie es schnell selbst. Und der Wut-Tsunami wächst immer weiter.
Hinzu kommt, dass Frauen rein faktisch im Durchschnitt mehr Zeit mit dem Haushalt und den Kindern verbringen, so gewöhnen sich auch Kinder mit der Zeit daran, die Mutter als erste Ansprechpartnerin − für so ziemlich alles − zu sehen.
„Ein Kind kann nicht entscheiden, wessen Aufgabe was in der Familie ist. Ein Kind wird also nicht überlegen: Das macht Mama alles schon, darum frage ich dabei jetzt mal Papa. Die Eltern müssen vorleben, wie sie ihre Aufgaben verteilen und verteilen möchten. Kinder lernen am Modell. So wie wir das als Erwachsene machen und vorleben, werden die Kinder das auch annehmen, zumindest bis zur Pubertät“, erklärt mir Kinderpsychologin Katharina Meier-Batrakow im Interview.
Und ergänzt:
„Mental Load ist für mich auch, wenn ich krampfhaft versuche, alle Aufgaben, die alltäglich sind, von meinen Kindern fernzuhalten. Also wenn ich zum Beispiel nur während des Mittagsschlafes putze oder nur arbeite, wenn meine Tochter gerade anderweitig betreut ist.“
„Für mich gehört es dazu, dass Kinder mitbekommen, wie Haushalt gemacht werden muss, und sie in die Aufgaben miteinzubeziehen.“
Um Mental Load vorzubeugen, ist gelebte Vereinbarkeit also ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Schlüssel. Vereinbarkeit in einer Partnerschaft oder Familie ist eine Teamleistung. Etwas, was man sich gemeinsam wünscht und erarbeitet. Dann gibt es in einer Familie nämlich nicht nur einen Manager, sondern mindestens zwei und diese haben verschiedene Verantwortlichkeiten. Sie verfolgen jedoch das gleiche Ziel.
Ein tolles Zitat dazu, das von Alexa von Heyden stammt:
„Ich glaube, das Wichtigste ist, Selbstständigkeit beim Kind zu schüren und offen zu erklären, dass man jetzt noch was arbeiten muss, den Haushalt machen oder eine Pause braucht und es sich kurz mal alleine beschäftigen muss. Kinder bloß nicht unmündig behandeln oder in Watte packen, damit tut man den Kindern auch keinen Gefallen.“
Trotzdem – es ist immer so viel zu tun. Wie finde ich heraus, was mir davon wirklich wichtig ist? Und was ich besten Gewissens loslassen kann?
Dafür gibt es eine tolle Übung:
Schreibe alles, was in deinem Leben gerade eine Rolle spielt, auf ein Stück Papier. Nun unterstreiche die drei Sachen, die für dich absolute Priorität haben, das ist deine erste Ebene. Als Nächstes umkringelst du die Sachen, die du gern schaffen würdest, aber wo du Abstriche machen könntest. Und dann fragst du dich ganz ehrlich: Worauf kann ich am ehesten verzichten? Diese Posten werden durchgestrichen. Dir erscheinen alle Dinge auf deiner Liste zu wichtig, um sie durchzustreichen?
Dann hier eine kleine Hilfe: Häufig sind es die Sachen, bei denen wir uns von außen verpflichtet fühlen, sie zu tun, ohne dass wir selbst etwas davon haben, oder ein Mensch, der uns nahesteht, besonderen Wert darauf legt. Ein gutes Beispiel ist hier Kuchen backen: Einen Kuchen zum Geburtstag der Kinder zu backen, ihn mit Liebe zu gestalten und mit Kerzen zu dekorieren, ist dir vielleicht wichtig. Vielleicht ist es auch deinen Kindern besonders wichtig und sie freuen sich jedes Jahr darauf. Aber muss er wirklich unterstrichen werden? Oder sind nicht auch hier ein paar Abstriche möglich? Eine Backmischung mit liebevoller Deko und Kerzen kommt ganz genauso doll von Herzen, kostet aber lediglich die Hälfte der Zeit. Am ehesten verzichten kann man vielleicht auf Sonderposten wie Kuchen backen für das Kitafest. Da sollte man sich einfach fragen: Für wen ist es denn eigentlich so wichtig, dass ich diesen Kuchen selbst backe? Was würde denn passieren, wenn ich den Kuchen kaufe? Und kann ich nicht eine Zwischenlösung finden und einen gekauften Kuchen noch super dekorieren?
Genau! Gar nichts.
Gastautorin Katharina Marisa Katz über ihr Buch „Zwischen Laptop und Legosteinen“:
„Heute gehen drei Viertel aller Mütter mit minderjährigen Kindern im Haushalt wieder arbeiten – einige direkt nach der Geburt, andere nach einer Elternzeit. Sie sind angestellt oder selbstständig, arbeiten zehn oder 60 Stunden pro Woche. Die Modelle sind zahlreich, doch eines haben sie gemeinsam: Sie fordern eine neue Vereinbarkeit mit der Familie. In diesem praktischen Elternratgeber bietet Katharina Katz hilfreiche Tipps und neue Impulse aus dem Leben zwischen Job, Kind(ern) und Beziehung. Neben Inspiration liefert das Buch Expert:innenwissen zu Themen wie Mental Load, Zeitmanagement, Kinderbetreuung, Networking und Self Care.
„Zwischen Laptop und Legosteinen“ mein zweites Buch. Ich habe es während des Corona Lockdowns geschrieben, als meine schöne heile Vereinbarkeitswelt auch einmal ordentlich durchgerüttelt wurde.
Ihr bekommt das Buch überall, wo es Bücher gibt. Auf meiner Seite www.katharinakatz.de könnt ihr zudem den Wochenplan aus dem Buch kaufen – und ich signiere alle bestellten Bücher persönlich.