„Hach, was erinnere ich mich gerne an die ersten Kindergeburtstage meiner Mäuse zurück. Besonders bei meiner Tochter Mila, die ein wirklich pflegeleichtes Baby war, war es immer so ein harmonischer Tag voller Liebe. Ich habe für Oma und Opa ein paar Mettbrötchen geschmiert und Kaffee gekocht, Mila ein besonders süßes, kleines Outfit angezogen und dann hat sie im Kreise der stolzen Familie ihr kleines Geschenk ausgepackt.
Aber wie schnell gingen die Jahre dahin!
Als ihr kleiner Bruder Liam dann da war, ging es schon ein wenig hektischer zu. Allerdings feierten wir immer noch im Kreise der engsten Familie, maximal die Kinder meiner Schwester waren dabei. Doch dann kamen meine beiden in die Kita und damit lernte ich auch die wahre Bedeutung des Wortes ‚Kindergeburtstag‘ kennen.
Plötzlich war ich einer immensen Konkurrenzsituation ausgesetzt, die ich überhaupt nicht kommen gesehen habe. Als ich klein war, gab es ein paar Luftballons und Kuchen und dann wurde im Garten gespielt. Fertig. Ich ahnte ja nicht, wie sehr sich die Zeiten geändert haben – bis Mila dann zu ihrem ersten Kindergeburtstag eingeladen war.
Schon die komplette Hofauffahrt war geschmückt mit Glitzer-Girlanden und leuchtenden Lichterketten.
Im Garten stand die Hüpfburg bereit, auf dem Terrassentisch thronte eine vierstöckige blau-silberne Torte und an der Eingangstür erwartete uns schon das Geburtstagskind, das gemeinsam mit seiner Mama im kompletten Elsa-Look gestylt war. Nicht nur, dass beide ein wallendes blaues Kleid trugen, auch Haare und Make-Up waren dem offenkundigen Idol in einer Präzision nachempfunden, dass jeder professionelle Maskenbildner vor Neid erblasst wäre.
Als ich wieder im Auto saß, wusste ich nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Abends, als ich Mila dann wieder abholte, freudestrahlend und natürlich nicht ohne ein dekadentes Gastgeschenk in der Hand, entschied ich mich dann fürs Weinen.
Denn spätestens da begriff ich: Die Zeit der kleinen, gemütlichen Familienfeste ist vorbei.
Als Milas fünfter Geburtstag immer näher rückte und ich wusste, dass nun meine Feuertaufe als Mutter ansteht und ich mich vor den anderen Mamis und ihren Motto-Partys beweisen muss, stieg mein Stresslevel in ungeahnte Höhen. Meine Kleine ist großer Einhorn-Fan, also habe ich schon Monate vorher begonnen, die entsprechende Deko zu besorgen und dafür sicher mein halbes Monatsgehalt investiert. Das meines Mannes ging gefühlt für den Zauberer drauf, den wir für eine Stunde engagierten.
In der Nacht vor Milas großen Tag war ich mit dem Kuchen beschäftigt – in Einhornform mit rosa Zuckerguss und ganz viel Glitzer. Da ich alles andere als eine begnadete Bäckerin bin, kostete es mich viele Youtube-Tutorials und ein paar Tränen, bis der Klumpen Teig annähernd das erwünschte Aussehen hatte. Als dann endlich alle Gastgeschenke eingepackt, alle Luftballons aufgepustet und der Kuchen gebacken war, bekam ich kein Auge mehr zu, weil ich so nervös war.
Und dabei hatte ich den schwierigsten Part eines Kindergeburtstags noch gar nicht bedacht: Die anderen Kinder.
Denn während man die eigenen Kinder (meistens) noch einigermaßen im Griff hat, scheren sich fremde Kinder wenig um dein strenges Gesicht. Die mitleidigen Blicke der anderen Eltern, als sie ihre Kinder bei uns an der Haustür abgaben, hätten mich warnen sollen, aber mein übermüdetes Gehirn war vermutlich schon wegen des plötzlichen, enormen Lärmpegels völlig überlastet.
Ich hatte mir alles so schön ausgemalt: Erst gäbe es den von mir mühevoll dekorierten Kuchen im Wohnzimmer (den selbstverständlich alle Kinder bewundernd zur Kenntnis nehmen würden), dann ein paar wohl situierte Spielchen, bis schließlich der Zauberer käme. Danach noch das Abendessen und schon wäre das Fest wieder vorbei und alle würden gut gelaunt nach Hause gehen.
Doch ich kam nicht mal dazu, den Kuchen an alle zu verteilen, als hinter meinem Rücken schon das erste Stück Einhorn durch den Raum flog.
‚Deinen Kuchen mag ich nicht essen‘, ließ Jason mich noch beleidigt wissen, ehe Mia ihre Apfelschorle über den ganzen Tisch verteilte. Immerhin eine wusste meinen Kuchen zu schätzen: Die kleine Levi stopfte sich eine erstaunliche Menge davon rein und verschmähte auch das am Boden klebende Stück von Jason nicht.
Super, dachte ich mir, dann kann ich vielleicht doch backen. Bis ich Levis merkwürdigen Blick bemerkte und sie wenige Sekunden später ihren kompletten Mageninhalt auf den verdatterten Liam erbrach. Und da fiel es mir wieder ein: Hatte ihrer Mutter an der Tür nicht was von ‚zuckerfreier Ernährung‘ und ‚empfindlichem Magen‘ gesagt? Ich hätte in dem Moment heulen können und war noch nie zuvor so dankbar für meinen Mann: Er lockte die Kinder für die Spiele ins Nebenzimmer, während ich versuchte Liam sauber zu machen.
Danach zählte ich nur noch die Sekunden bis zum Zauberer.
Wenigstens da konnte doch eigentlich nichts schiefgehen, oder? Oh, wie naiv ich doch war. Finn, dieser Querulant, verkündete schon nach wenigen Sekunden, dass es keine Zauberer gäbe: ‚Guckt mal, der hat das Kaninchen einfach unter seinem Mantel versteckt!‘ So richtig magische Stimmung kam unter seinen kritischen Augen nicht mehr auf.
Ich war erleichtert, als er irgendwann auf die Toilette verschwand und sich kurz mal Ruhe einstellte. So erleichtert, dass es mir zunächst gar nicht auffiel, dass die Ruhe so verdächtig lange anhielt. Doch spätestens als beim Abendessen zwei Plätze leer blieben, konnte ich es nicht länger übersehen: Zwei kleine Geburtstagsgäste fehlten. Feinschmecker Jason und Zaubershow-Kritiker Finn waren spurlos verschwunden. Mir brach der Angstschweiß aus. Die schlimmsten Szenarien gingen mir durch den Kopf.
In dem Moment klingelte es.
Unser hochbetagter Nachbar stand vor der Tür, mit eisernem Griff hielt er Jason und Finn an ihren Pullovern fest. Offenbar hatten die beiden sich durch die Wohnungstür raus geschlichen und dann in bemerkenswerter Teamarbeit versucht, den Briefkasten von Herrn Schubert aufzubrechen. Dass sie nun erwischt worden waren, schien sie wenig zu beeindrucken, sie strampelten und traten um sich, während Finn immer wieder rief: ‚Wir sind Einbrecher!‘
Und genau in der Sekunde, als ich wirklich jegliche Fassung verlor und durch den ganzen Hausflur brüllte: ‚Sagt mal, habt ihr sie noch alle??!‘, kamen natürlich die ersten Eltern um die Ecke, um ihre Lieblinge wieder abzuholen. Ihre verstörten Blicke könnt ihr euch sicher gut vorstellen.
Nach einer hastig gestammelten Entschuldigung mit hochrotem Kopf sperrte ich mich für den Rest des Abends im Schlafzimmer ein. Ich überließ meinem Mann den Smalltalk und die peinlichen Erklärungen und schwor mir steif und fest: ‚Nie wieder Kindergeburtstag!‘
Erst als es endlich ruhig in der Wohnung war, kam ich wieder aus meinem Versteck hervor.
Alle kleinen Gäste waren längst Zuhause, mein Mann war gerade dabei, Mila und Liam bettfertig zu machen. Ich atmete tief durch. Als mein kleines Mädchen mich sah, schlang sie die Arme um mich: ‚Mama, das war super! Wie lange dauert es, bis ich wieder Geburtstag feiern kann?‘
Und mit absolut tonloser Stimme und echtem Grauen im Blick antwortete ich leise: ‚Noch 365 Tage, dann ist es wieder so weit…‘“
Liebe Maria, vielen Dank für deinen ehrlichen Text. Wir wünschen Dir und Deiner Familie alles Liebe für die Zukunft!
WIR FREUEN UNS AUF DEINE GESCHICHTE!
Hast Du etwas Ähnliches erlebt oder eine ganz andere Geschichte, die Du mit uns und vielen anderen Mamas teilen magst? Dann melde Dich gern! Ganz egal, ob Kinderwunsch, Schwangerschaft oder Mamaleben, besonders schön, ergreifend, traurig, spannend oder ermutigend – ich freue mich auf Deine Nachricht an [email protected]
wirklich schöner Text. Ich denke, dass er mit Absicht überzogen geschrieben wurde, und das macht ihn definitiv unterhaltsam. Auch wenn sich der eher ernste und lösungsorientierte Teil meines Gehirns an den Kopf greift, warum man sich selbst da so einen Druck macht, musste ich doch ziemlich Schmunzeln und kann sehr gut mit der Autorin mitfühlen. Hoffentlich schaffe ich es, mich selbst bei zukünftigen Kindergeburtstagen von einer unbewussten Erwartungshaltung zu lösen und Perfektion Perfektion sein zu lassen.
sorry, selber schuld