Es sollte nie, nie passieren, aber es ist passiert.
Meine Tochter Sophie, zwei Jahre, hat sich zu meinem Horror einen heißen Tee über den Oberkörper gekippt.
Noch jetzt wird mir bei der Erinnerung daran ganz schlecht.
Wir feierten an einem Donnerstag Nachmittag den 5. Geburtstag ihres älteren Bruders Jonas – und es war diese typische Situation, in der meiner Erfahrung nach die meisten Unfälle passieren:
Zu viele Erwachsene und zu viele Kinder auf einem Haufen – und keiner der Erwachsenen fühlt sich richtig verantwortlich.
Ein Teil der Kinder saß noch beim Kuchenessen, aber ein paar andere waren schon aufgestanden und fingen an, sich lautstark um die Ritterburg zu streiten. Zwei Mamas sprangen gleichzeitig auf, um zu schlichten, und der kleine Moment, in dem ich einem anderen Kind Orangensaft einschenkte, reichte meiner Tochter, meine Teetasse zu greifen.
Wir hatten großes Glück im Unglück, der Tee war nicht mehr brühend heiß und das meiste davon ging daneben auf den Boden.
Trotzdem: Sie hatte sich die Flüssigkeit unter anderem über die linke Brustwarze gekippt – und schrie vor Schmerzen. Wenn ich nicht so unter Schock gestanden hätte, hätte ich mitgeschrien.
Meine erste Reaktion: Schnell in die Küche laufen und ein nasses Geschirrtuch holen.
Falsch! Völlig falsch!
Genau aus dem Grund erzähle ich hier auch die Geschichte: Weil von den acht Erwachsenen, die da waren und die ich später befragt haben, sieben so reagiert hätten wie ich – und ihrem Kind nicht richtig geholfen hätten.
Nur eine Mutter war unter uns, die wusste, was zu tun ist, weil sie einen Erste-Hilfe-Kurs für Kinder gemacht hatte. Die übernahm von der ersten Sekunde an das Kommando:
- So schnell wie möglich die heiße Kleidung ausziehen. Die ging noch gut ab, sonst hätten wir sie mit der Schere aufschneiden müssen.
- Checken, ob heiße Flüssigkeit auch in die Windel gelaufen ist (zum Glück nicht!)
- Und dann sofort ab unter die Dusche – und kaltes Wasser über die Wunde laufen lassen. Ideal sind 15 bis 20 Grad.
Meine Tochter und ich kauerten also unter der Dusche. Sophie weinte jetzt nicht mehr wegen der brennenden Flüssigkeit, sondern weil das Wasser so kalt war. Ich schaukelte sie in meinen Armen und sang ihr ihr Lieblingslied „Lalelu, nur der Mann im Mond schaut zu.“
Und das in gefühlter Endlosschleife. Denn was ich vorher auch nicht wusste: Man muss mindestens 20 Minuten unter der kalten Dusche verbringen, damit sich die Hitze nicht in tiefere Hautschichten frisst.
In der Zwischenzeit rief eine der Mamas beim Notruf an, um das weitere Vorgehen zu besprechen.
Nach 25 Minuten haben wir Sophie dann gemeinsam in ein gefaltetes Bettlaken eingewickelt (möglichst wenig Reibung für die Haut!) und auf den Wickeltisch gelegt, um die Wunde zu begutachten.
Die Besserung war auf den ersten Blick deutlich zu sehen. Wo vorher noch tiefes Rot zu sehen war, war jetzt nur leichtes Pink.
Deshalb sind wir dann nur noch schnell um die Ecke zum Kinderarzt gefahren statt in die Notaufnahme des Krankenhauses.
Der stellte fest: „Nur“ eine Verbrennung ersten Grades, die kaum mehr zu sehen war. Sie sollte bis morgen vollständig verschwunden sein. Er machte noch dick eine Salbe drauf und ein großes Pflaster – das war’s!
Sein Kommentar: „Toll, Ihre Freundin hat genau richtig reagiert. Ohne das wäre die Verbrennung viel schlimmer.“
Sophie war inzwischen schon wieder super gelaunt, lachte – und fand unseren spontanen Ausflug zum Arzt vor allem aufregend.
Ich war sooo erleichtert. Gleichzeitig fühlte ich mich schuldig, dass das überhaupt passiert war.
Was ich als nächstes gemacht habe? Ich bin früh ins Bett gegangen und habe am nächsten Tag sofort einen Erste-Hilfe-Kurs für Kinder recherchiert.
Die Anmeldung steht: Am 19. August geht’s los. Ich werde berichten…