„Ich bin ein sehr ehrgeiziger Mensch. Das war ich schon immer, und so hab ich mich auch nach meinem Studium relativ schnell in einer großen Pharma-Firma ,hochgearbeitet‘. Irgendwann hatte ich den Posten, den ich wollte. Und arbeite und arbeitete, um ihn auch zu behalten. Ich wusste, dass ich jederzeit von Kollegen überholt werden könnte, und dass ich in dieser Firma gerade als Frau keine Schwäche zeigen durfte.
Das war mein Ding, mein Leben und ich kam gut damit klar. Nur: Ich dachte, dass alle so sein müssten.
Insgeheim schaute ich ein wenig auf Kolleg*innen herab, die stets pünktlich gingen. Die mit einer Erkältung zwei Tage zu Hause blieben. Lächerlich, kein Einsatz für die Firma.
Und dann gab es auch zwei Mütter in meiner Abteilung. Joa, deren Leben war mir natürlich völlig fremd. Ich hatte einfach null Verständnis für so viele Dinge…
Ich sah, wie sie morgens um 8 Uhr, gerne auch mal um zehn nach, ins Büro hetzten.
Ich ahnte nicht, was sie morgens schon alles erledigt hatten, welche Kämpfe sie vielleicht schon ausgetragen hatten.
Ich hörte mir freundlich lächelnd ihre kleinen Geschichten über ihre Kinder an, war mit meinen Gedanken aber ganz woanders. Ich ahnte nicht, dass diese Begebenheiten ihr Herz erfüllten. Sie ahnten nicht, dass ich nicht mal höflich genug war, mir die Namen ihrer Kinder zu merken – obwohl sie sie schon 1.000 Mal erwähnt hatten.
Ich sah, wie sie kleine Bilder von ihren Kinder aufhängten und rollte innerlich mit den Augen. Ich ahnte eben nicht, dass ihre Kinder sie ihnen noch am Morgen stolz zum Abschied in die Hand gedrückt hatten.
Ich sah, dass die beiden Mamas die Uhr ab dem frühen Nachmittag genau im Auge behielten und immer pünktlich gingen. Ich dachte nicht darüber nach, dass ihre Kinder und die Erzieher in der Kita schon am Fenster standen und darauf warteten, dass sie endlich erschienen. Und nicht darüber, dass ein Stau ihnen in die Quere kommen könnte.
Tja, es gab aber auch viel, was ich nicht sah!
Ich sah zum Beispiel nicht, dass die Frauen noch sehr lange keinen Feierabend hatten, auch wenn sie das Büro verließen. Ich sah nicht, dass sie trotz der ,verkürzten‘ Arbeitszeiten (und oftmals verkürzten Nächte) ihre Projekte und Aufgaben bravourös erledigten, flexibel und zuverlässig arbeiteten.
Und ich sah ganz bestimmt nicht ihre ewigen Schuldgefühle. Arbeit, Kindern, Ehemann – sie wollten allen gerecht werden und vergaßen sich selbst darüber. Wenn ihr Kind krank war, mussten sie anrufen und („schon wieder“!) zu Hause bleiben. Meetings, die am Abend stattfanden, mussten sie fernbleiben. Abendliche Treffen mit Kunden konnten sie nur gelegentlich einrichten, so blieben sie für diese oftmals nur ein Name ohne Gesicht.
Und heute bin ich Mutter. Und schäme mich.
Denn heute weiß ich selbst, wie das alles ist. Dieser Druck, der auf einem lastet. Ich weiß, dass das Wichtigste ist, dass es den Kindern gut geht. Aber ich weiß auch, dass ich meinen Job liebe. Ich weiß, dass es das Tollste im Büro sein kann, alleine auf Toilette zu gehen und niemanden außer sich selbst einen Apfel schneiden zu müssen. Und ich weiß, dass ein Anruf aus der Schule am Vormittag einen kleinen Herzaussetzer verursachen kann.
Vor allem aber weiß ich, dass meine Kinder diesen ganzen Scheiß, diese Zerrissenheit und die Blicke der kinderlosen, zickigen Kolleginnen so verdammt wert sind. Und dass Mamas die perfekten Arbeitnehmerinnen sind, denn keiner kann so gut improvisieren wie sie.“
Diese echte Geschichte protokolliert die geschilderten, persönlichen Erfahrungen einer Mama aus unserer Community.
Liebe Jess, vielen Dank für deine ehrlichen Worte. Wir wünschen Dir und Deiner Familie alles Liebe für die Zukunft!
WIR FREUEN UNS AUF DEINE GESCHICHTE!
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Vielen Dank für diesen schönen Artikel, der mich so gerührt hat und in dem ich mich so wiedererkannt habe. Man muss es selbst erleben…