„Meine Brüste gehören mir! Darum stille ich lieber auf der Toilette…“

Stillen kann im Alltag eine echte Herausforderung im Alltag sein. Eine „Echte Mama“ erzählt uns von ihren Erfahrungen:

„Ich stille. Aber das sieht niemand. Ich mache es nur Zuhause oder da, wo es sonst niemand machen will, nämlich auf der Toilette.

Warum? Weil die Gesellschaft mich dazu zwingt.

Stillen ist das Beste für das Baby, die natürlichste Sache der Welt und die Mutter-Kind-Bindung dann ganz toll. Das bezweifle ich gar nicht, ganz im Gegenteil. Ich wäre auch gerne eine dieser super-selbstbewussten Latte-Macchiato-Mütter, die ganz nebenbei im Café ihre Brust auspacken, ihr Baby andocken und los geht’s.

Und glaubt mir – ich habe es versucht! Doch es funktioniert für mich nicht, und zwar aus einem einzigen Grund: Den anderen Menschen.

Egal wo und unter welchen Umständen ich bisher öffentlich gestillt habe, es war fürchterlich. Auf der Parkbank oder im Café, ja sogar im hintersten Winkel des Spielplatzes wurde ich gefunden und beglotzt.

Da fühlt man sich als stillende Mutter doch gleich in die Zeiten der wilden Jugend zurückversetzt, als man mit tief ausgeschnittenem Kleid dem Gesprächspartner im Club entgegenbrüllte: „MEINE AUGEN SIND ABER HIER OBEN!“ Nur dass inzwischen der Ausschnitt nicht tief ist, sondern schlicht nicht vorhanden. Und die Anstarrenden sind nicht mehr nur pubertierende Jungs, sondern pubertierende Jungs und Mädchen, Frauen und Männer jeden Alters, denn dezent in eine andere Richtung blicken funktioniert offenbar nicht, wenn eine Frau ihr Baby füttert.

Nein, alle müssen da hinsehen, weil das zum einen so ein unglaublich niedliches Baby ist und zum anderen die Frau das gar nicht anders will. Schließlich müsste sie ja nicht genau jetzt stillen (hätte doch auch mit brüllendem Baby auf dem Arm auf die nächste öffentliche Toilette rennen können!) oder könnte ein Tuch darüber hängen (sodass sie weder das Baby sieht, noch das Baby sie und es fast den Hitzetod sterben könnte, ohne dass Mama davon groß was merken würde), was offenbar jedem Menschen im Umkreis von 50 Metern das Recht gibt, völlig ungeniert auf ihre Brustwarzen zu starren.

Aber es geht ja sogar noch besser. Denn eine stillende Mutter kann nicht flüchten – für viele das Signal, dass es keine bessere Zeit gibt, um endlich mal mit jemand anderem über Brüste zu sprechen als seinem Hamster!

Mir blieb also keine andere Wahl, als höflich gezwungen lächelnd stumm Stoßgebete zum Himmel zu schicken, das Baby möge doch bitte, bitte, bitte bald satt sein, damit ich nicht länger zuhören muss, wie wildfremde Menschen sich neben mich setzen/stellen und Dinge sagen wie: „Ist ja ganz schön hungrig, der Kleine/die Kleine.“ Oder: „Wie schön, dass du stillst. Das ist ja das Beste für dein Kind. Und es scheint ja gut zu funktionieren.“ Oder: „Dein Kind hat die Brustwarze nicht tief genug im Mund.“ Oder: „Ist es denn schon in einem Alter, in dem es zubeißt und dann den Kopf dreht?“ Oder: „Die sehen ganz schön groß aus. Glaubst du, die bleiben auch nach der Stillzeit so?“ Oder: „Ich glaube, du solltest dem Kind die andere Seite geben, die scheint noch voller zu sein.“

Echt jetzt? Ich meine: ECHT JETZT?! Werden Brüste zum Allgemeingut, sobald sie ein Baby ernähren, also das tun, wozu die Natur sie vorgesehen hat? Kann man Mütter nicht einfach in Ruhe stillen lassen, ohne dämliche Kommentare dazu abzugeben?!

Natürlich hätte ich das höfliche Lächeln abstellen können und stattdessen verbal ausholen. Ok, ich gebe zu: Ich habe das wahlweise auch gemacht, je nach Tagesverfassung. Mit dem Ergebnis, dass ich NOCH mehr Aufmerksamkeit auf mich gezogen habe, das Kind die Brust vor Schreck losgelassen hat und – na ja. Man kann sich vorstellen, das das nicht unbedingt eine zielführende Kombination ist.

Übertreibe ich? Wahrscheinlich. Aber ich habe alle diese Kommentare wirklich gehört und mich nicht ein einziges Mal wohl gefühlt, wenn ich beim Stillen unter fremden Menschen war. Sobald mein Baby sich im Schlaf bewegt hat, bekam ich Schweißausbrüche und mich überkam ein Fluchtreflex.

Inzwischen gebe ich dem nach. Dem Fluchtreflex, nicht dem Schweißausbruch, wenn es denn nötig ist. Oft ist das nicht mehr der Fall, weil ich mich angepasst habe. Der Zeitplan ist straff, aber jegliche Termine außer Haus dürfen nicht länger als drei Stunden dauern, so gelegt, dass ich zur Stillzeit wieder im sicheren Hafen des heimischen Wohn- oder Schlafzimmers angelangt bin. Spaß macht das keinen und im Notfall bleibt mir nur die öffentliche Toilette – wo ich sicher bin vor Kommentaren und Blicken.

Sehe ich andere Mütter, die ihre Babys beinhart in der Öffentlichkeit stillen, möchte ich ihnen am liebsten auf die Schulter klopfen, sie umarmen und ihnen danken dafür, dass sie durchhalten und vielleicht in ein paar Jahren die breite Bevölkerung mehr Respekt vor stillenden Mamas hat. Aber das mache ich. Stattdessen gehe ich an ihnen vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Schließlich sind ihre Brüste kein Allgemeingut.“

Rebecca

Schon seit rund einer Dekade jongliere ich, mal mehr, mal weniger erfolgreich, das Dasein als Schreiberling und Mama. Diese zwei Pole machen mich aus und haben eines gemeinsam: emotionale Geschichten!

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