Sieben Jahre lang durfte eine Achtjährige die Außenwelt nicht betreten. Fast ihr ganzes Leben lang verbrachte sie eingesperrt in einem Haus im Sauerland.
Nun wird gegen Mutter und Großeltern ermittelt.
Nach seiner Befreiung habe das Mädchen angegeben, dass es noch nie einen Wald gesehen habe, noch nie auf einer Wiese gewesen wäre oder in einem Auto gefahren sei. Am 23. September hatten Polizei und Jugendamt die Wohnung in Attendorn durchsucht, in der das Mädchen lebte. Inzwischen lebt sie in einer Notpflegefamilie, wie verschiedene Medien berichten.
Oberstaatsanwalt Patrick Baron von Grotthuss sagte am Samstag der Deutschen Presse-Agentur, dass das Mädchen mutmaßlich knapp sieben Jahre lang in dem Haus in Attendorn gelebt habe, ohne es verlassen zu dürfen. Es könne sich artikulieren und laufen, wenngleich es „kaum in der Lage sei, allein Treppen zu steigen oder Unebenheiten im Boden zu überwinden.“
Doch wie konnte das Schicksal des Kindes so lange unbemerkt bleiben?
2014 soll die Mutter des Mädchens dem schon vor dessen Geburt von ihr getrennt lebenden Vater mitgeteilt haben, mit der Tochter zu Familienmitgliedern nach Italien ziehen zu wollen. Doch der Vater zweifelte daran, dass das der Wahrheit entspricht. Im September 2015 habe er gegenüber dem Jugendamt angegeben, die Mutter mehrfach in Attendorn gesehen zu haben. Aber die befragten Großeltern hatten die Version der Mutter stets bestätigt und angegeben, dass diese mit der Enkelin in Italien lebe.
Der Vater schickte jahrelang Briefe und Geschenke an die angegebene Adresse in Italien, sie kamen immer ungeöffnet zurück. Beim Jugendamt gingen mehrere anonyme Hinweise ein, dass zumindest die Mutter noch in Attendorn lebe. Doch die Großeltern verweigerten den Zugang zum Haus, auch die Polizei ließen sie ohne Durchsuchungsbeschluss nicht eintreten.
Dann meldete sich ein Verwandter der Mutter bei der Polizei.
Er hatte die Familie in Italien besucht, bei der auch Mutter und Tochter leben sollten. Doch die Verwandten dort gaben an, dass die beiden nie bei ihnen gewohnt hätten. Außerdem konnte man die Mutter telefonisch im Haus ihrer Eltern in Deutschland erreichen. Mithilfe dieser Hinweise konnte eine Durchsuchung des Hauses in Attendorn eingeleitet werden.
Gegen die Mutter und die Großeltern wird wegen Freiheitsberaubung und Misshandlung von Schutzbefohlenen ermittelt. Die Polizei wird nun verschiedene Zeugen aus dem Umfeld vernehmen. „Fragen an Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendamt sind dringend erlaubt und notwendig“, sagte Rainer Rettinger vom Deutschen Kinderverein der F.A.Z. Es sei „unfassbar“, dass man auf konkrete Hinweise des Vaters und weiterer, anonymer Personen nicht weiter reagiert habe.