„Hallo, mein Name ist Andrea, ich bin 42 Jahre alt, dreifache Mama und hatte eine Hysterektomie. ‚Na und, da bist du nicht die Einzige‘, werden sich jetzt viele denken. Stimmt, aber ich bin mit Sicherheit auch nicht die Einzige, der ein solcher Eingriff noch länger zu schaffen macht.
Ich wollte meine Geschichte eigentlich nur für mich aufschreiben, um die Situation besser verarbeiten zu können. Aber ich habe mich nun dazu entschlossen, sie zu teilen, um anderen Betroffenen Mut zu machen.
Wie kam es überhaupt dazu?
Ich hatte immer eine pünktliche und kurze Periode. Man konnte die Uhr danach stellen und bis auf leichte Schmerzen an Tag 1 und 2 war alles gut. Im Jahr 2008 wurde alles anders. Die Schmerzen nahmen im linken Unterbauch ständig zu. Als es gar nicht mehr ging, wurde 2010 eine Bauchspiegelung durchgeführt. Dabei wurden Verwachsungen abgetragen und der Arzt sprach von Endometriose.
Danach ging es mir eine lange Zeit recht gut. Allerdings wurden die Probleme nach den Geburten meiner zwei älteren Kinder größer. Mittlerweile machten sich der Eisprung und vor allem der Geschlechtsverkehr schmerzhaft bemerkbar. Ibuprofen wurde zu meinem besten Freund. Nach weiteren Untersuchungen und medikamentösen Therapien hieß es dann, dass ich drei Möglichkeiten habe. Entweder lebe ich mit den Schmerzen, nehme ständig Schmerzmittel und lasse die Verwachsungen immer wieder abtragen, oder ich lasse mir die Gebärmutter entfernen.
Hä? Meine Gebärmutter muss raus?! Nö!
So ungefähr lassen sich meine damaligen Gedanken dazu zusammenfassen. Doch 2019 wurden die Schmerzen wieder unerträglich. Ich ließ mir einen Termin für eine erneute Abtragung der Endometrioseherde geben. Aber Corona machte mir einen Strich durch die Rechnung. Der Termin wurde von Seiten des Krankenhauses zweimal abgesagt. Den dritten Termin musste ich dann im Frühjahr 2020 absagen, da ich ungeplant ein drittes Mal schwanger wurde.
Babybär habe ich im Januar 2021 in der Frauenklinik des Heilig-Geist Krankenhauses zur Welt gebracht. Dabei habe ich ein wirklich tolles Ärzte-Team kennengelernt. Bei der Abschlussuntersuchung haben wir über meine Unterleibsprobleme gesprochen, die ich seit Jahren hatte. Man hat mir vorgeschlagen, nun erst einmal die Zeit mit meinem Sohn zu genießen.
Wenn ich dann soweit wäre, solle ich einen Termin in der Klinik für ein Gespräch ausmachen.
Da die Probleme mit meinem Unterleib noch einmal schlimmer wurden, machte ich Anfang 2022 einen Termin aus. Die Blutungen waren so stark, dass ich die ersten zwei Tage der Periode zu Hause geblieben bin, da weder Tampons noch Binden mich abgesichert haben.
Das Gespräch mit dem Arzt war sehr angenehm. Er hat sich sehr viel Zeit genommen und ist auf all meine Fragen eingegangen. Er erklärte mir, dass nun erst einmal eine Bauchspiegelung gemacht werden müsse, um zu sehen, was genau los ist. Vielleicht wären es wieder Verwachsungen wie zuvor auch schon.
Erst danach könnte man entscheiden, wie es weitergeht.
Allerdings sagte er mir bereits, dass er im Ultraschall wenig Hinweise auf eine Endometriose sehen würde. Stattdessen sprach er von einer Adenomyose (Anm. d. Redaktion: Das Vorkommen von Gebärmutterschleimhaut im Bereich der Gebärmutterwand). Ich war verwirrt, warum war es im anderen Krankenhaus für den Arzt sowas von klar zu sehen, dass es Endometrioseherde gibt und hier nicht.
Als ich am 20.04.2022 zur ambulanten Bauchspiegelung ging, war ich nervös und ängstlich. Am liebsten hätte ich meinen Mann dabei gehabt, aber man musste ja alles alleine machen. Vielen Dank an Covid 19!
Das Team der Tagesklink war super, alle waren nett und haben versucht, mir die Sorgen zu nehmen.
Mir wurde alles erklärt und gewitzelt wurde auch. Im OP war es ähnlich, alle haben sich vorgestellt und erklärt was sie tun. Außer der Operateur, der kam, als ich schon tief und fest geschlafen habe. Nach der Bauchspiegelung ging es mir gut, ich hatte so gut wie keine Schmerzen.
Als ich später wieder im Zimmer der Tagesklinik war, kam eine Ärztin. Sie stellte sich kurz vor und sagte dann lächelnd: ‚Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute Nachricht ist, dass wir nichts gefunden haben und die schlechte ist: wir haben nichts gefunden.‘ Ein paar Worte gab es noch und dann war sie weg, ich blieb verwirrt im Zimmer zurück.
Ich wusste echt nicht, was ich in dem Moment sagen, denken oder fühlen sollte.
Als ich dann später vor dem Krankenhaus auf meinen Mann wartete, brach ich erst einmal in Tränen aus. Was war denn da gerade passiert? War die Bauchspiegelung komplett sinnlos gewesen? Was denken die hier über mich, dass es mir Spaß macht, mich aufschneiden zu lassen? Habe ich die Signale meines Körpers so missverstanden? Bin ich ein Hypochonder oder habe ich ein Münchhausen-Syndrom? Es ging mir beschissen….
Ich war froh, als ich bei meinem Mann im Auto saß. Ich wollte nur noch nach Hause auf die Couch zu meinen drei Kindern. Später an dem Tag bekam ich einen Anruf aus der Frauenklinik. Eine nette Ärztin war am Telefon. Sie fragte, wie es mir geht. Ich war verwundert und sagte, was ich den ganzen Tag dachte. ‚Mir geht es soweit gut, aber die OP war ja für den Allerwertesten.‘
Sie war überrascht und fragte mich, wie ich darauf kommen würde.
Ich erzählte ihr von dem Gespräch in der Klinik. Sie erklärte mir, dass es so nicht richtig ist. ‚Ja, es stimmt, es gibt kein Anzeichen für Verwachsungen und somit Endometriose, aber das verstärkt den Verdacht auf Adenomyose nur noch.‘ Sicher feststellen könne man das aber nur mit der Entnahme der Gebärmutter und der dazugehörenden Biopsie.
Sie sagte mir, ich solle mich jetzt erstmal schonen und mir in aller Ruhe Gedanken machen. Wenn ich zu einem Entschluss gekommen wäre, könne ich jederzeit einen Termin im Krankenhaus ausmachen. Als das Telefonat beendet war, habe ich mich total erleichtert gefühlt, mir ist eine richtige Last von den Schultern gefallen, aber dieses Gefühl hielt leider nicht allzu lange an.
War es jetzt soweit?
Sollte der Tag gekommen sein, an dem ich keine Frau mehr sein werden? Wow! Es vergingen einige Monate und in dieser Zeit verkürzten sich auch die Abstände meiner Periode. Manchmal kam sie sogar alle 14 Tage, total unregelmäßig. Die Blutungsstärke nahm auch nicht ab und über die Schmerzen brauchen wir nicht zu reden. Intimität zwischen meinem Mann und mir gab es auch seit Ewigkeiten nicht mehr.
Ich überlegte ständig hin und her und immer wieder kreisten alle möglichen Gedanken durch meinen Kopf.
Alle rieten mir zur OP, weil es nur besser werden könnte. Also entschied ich mich für die Entfernung meiner Gebärmutter. Nach einem weiteren Gespräch in der Frauenklinik des HGK war es dann am 12.09.2022 soweit. Der Tag war also gekommen. Wieder vollkommen alleine ging ich ins Krankenhaus, dieses Mal für ein paar Tage.
Nachdem ich aufgenommen wurde und ich meine Sachen im Zimmer ausgepackt habe, saß ich alleine und verloren auf meinem Bett. Meine Gefühle und Gedanken fuhren mal wieder Achterbahn. Am liebsten hätte ich einfach nur geweint. Zum Glück kam in dem Moment der Arzt herein, den ich schon von meinem letzten Aufenthalt kannte. Er wollte vor der OP hören, wie es mir geht.
Alleine diese Geste gab mir schon ein besseres Gefühl.
Ich kam mir nicht mehr vor, wie irgendeine Person mit einer Patientennummer. Er fragte, ob es mir gut geht. Und warum auch immer antwortete ich nicht mit meinem Standard-Spruch ‚Danke, alles gut‘, sondern: ‚Nein, ganz und gar nicht.‘ Er war überrascht und fragte nach dem Grund. Da erzählte ich von meinen Zweifeln und der Angst, dass die OP eventuell umsonst ist. Meine Gebärmutter ist womöglich total in Ordnung und ich wäre nach der OP trotzdem keine Frau mehr.
Die Vorstellung zermürbte mich. Ich habe schon auf eine typischen Ärztefloskel gewartet, aber er erklärte mir ruhig und sachlich, dass es alleine schon aufgrund der Schmerzen und der Blutungsstärke keine unnötige OP sei und dass die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass die Gebärmutter leider das Problem sei.
Er erklärte mir auch, dass die Sorge ‚keine Frau‘ mehr zu sein, unbegründet ist.
Mir blieben ja noch die Eierstöcke. Dieser Gedanke beruhigte mich ungemein. Nach dem Gespräch verabschiedet er sich mit den Worten ‚Wir sehen uns gleich im OP.‘ Ich fühlte mich besser, immer noch nicht gut, aber damit kam ich zurecht. Nachdem ich mich OP-fertig gemacht hatte, ging es nach kurzer Zeit los. Auch dieses Mal war das OP-Team hervorragend.
Jeder einzelne stellte sich vor, erklärte was er macht und welche Funktion er hat. Nur vom Operateur war mal wieder weit und breit nichts zu sehen. Kleiner Tipp an alle Ärzte: wenn Patienten im OP liegen und sowieso schon mit den Nerven am Ende sind, dann macht es viel aus, den behandelnden Arzt im OP zu sehen. Alleine um zu wissen, ok, er macht die OP tatsächlich.
Die OP verlief reibungslos, aber die Schmerzen danach waren schon heftig.
Ich war froh, als ich ein starkes Schmerzmittel bekommen habe. Später am Tag, als ich wieder auf meinem Zimmer war, kam wieder der behandelnde Arzt und erzählte mir vom OP-Verlauf. Er war zufrieden, ich aber nicht. Das einzige, was zu dem Zeitpunkt feststand, war, dass mir eine vergrößerte Gebärmutter entfernt wurde. Ob es eine Adenomyose war, konnte nur die spätere Biopsie klären. Klasse, also musste ich hoffen und warten, was ich ja sooo gut kann…
Die Tage im Krankenhaus waren zum Glück sehr entspannt, ich habe mich viel ausruhen können und Bücher gelesen. Dazu komme ich zu Hause mit Kids nicht immer. Das Pflegepersonal und die Ärzte waren klasse, alle waren freundlich und hilfsbereit. Es war immer jemand da, der fragte, ob alles in Ordnung ist.
Nach drei Tagen war mein ‚Kurzurlaub‘, aber schon wieder vorbei.
Die Krankenkasse zahlt nur drei Tage Klinikaufenthalt, auch wenn ich mich noch nicht danach fühlte, nach Hause gehen zu können. Aber natürlich freute ich mich auf meine Familie und sie sich auf mich. Es gab erst einmal 10 Minuten Gruppenkuscheln und die Kids ließen mich den ganzen Tag nicht aus den Augen.
Aber irgendwas war anders. Fühlte ich mich im Krankenhaus noch stark und fit, war das nun zu Hause nicht mehr der Fall. Ich war müde, niedergeschlagen und mit den Gedanken ständig woanders. Das änderte sich die nächsten Tage auch nicht, im Gegenteil es wurde schlimmer.
Ich lag nachts wach und dachte darüber nach, was passiert war.
Ich hatte meine Partnerin getötet, meine Wegbegleiterin, die mir doch dreimal so einzigartige Wunder geschenkt hat. Und da war auch wieder der alte, schmerzhafte Gedanke: Bin ich ohne sie überhaupt noch eine richtige Frau? Diese Leere, dieses Loch in mir, immer wieder kreisten die Gedanken. Es gibt vier Frauen in meiner Familie, die eine Hysterektomie hatten und allen geht es gut. Alle vier sind tolle Frauen und keine hatte, soweit ich weiß, solche Gedanken.
Warum dann ich? Was ist los mit mir? Warum kann ich nicht einfach ganz normal ticken? Ich konnte es mir nicht erklären und hoffte einfach, dass es schnell besser werden würde. Die Hoffnung erfüllte sich aber erstmal nicht. Ich wusste nur, so kann es nicht bleiben.
Ich musste raus aus diesem emotionalen Chaos.
Mir war klar, dass ich den Gefühlen Raum geben musste. Ich habe mich schon immer gerne mit Bildern ausgedrückt. Für mich haben sie mehr Aussagekraft als Worte und können Dinge abbilden, für die es keine Worte gibt. So hatte ich die Idee, meine Emotionen in Fotos festzuhalten. Ich fragte meine Freundin Angelika, ob sie Lust auf ein Projekt hätte, und zu meiner Freude war sie direkt Feuer und Flamme. In diesem Zuge traf ich auch auf Anna, eine zauberhafte junge Frau, die das Hairstyling und das MakeUp für mich machte.
Während der Planungs- und Vorbereitungsphase bekam ich endlich das Ergebnis der Biopsie. Das war der erste große Lichtblick. Ich hatte es Schwarz auf Weiß. Im Bericht stand es: ‚Adenomyosis Uteri‘. Ich war sowas von erleichtert. Und es folgten weitere positive Dinge. Ich wusste am Anfang gar nicht, was los war, aber ich war schmerzfrei. Ich hatte keine Periode mehr und brauchte somit auch kein Ibuprofen mehr. Der Wahnsinn! Ich kann jetzt anziehen, was ich will.
Vor allem kann ich nun helle Kleidung tragen, ohne mir Sorgen zu machen.
Ich kann jetzt alles planen, so wie ich will, ohne die zwei schlimmen Tage meiner Periode berücksichtigen zu müssen. Ich habe ein großes Stück Freiheit zurück. Mein innerer und äußerer Prozess ist nun auf den Bildern festgehalten. Durch das Fotoprojekt sehe ich heute einiges anders. Es ist erleichternd, meinen Weg auf den Bildern festgehalten zu wissen.
Trotzdem kamen beim Fotoshooting auch viele Ängste, die Erinnerung an die Schmerzen und mancher doofer Kommentar der Ärzte wieder hoch. Es war ein Tag ‚zwischen Fotos und Tränen‘. Und mein Weg der Heilung ist noch lange nicht zu Ende. Kopfkino, vaginale Probleme und Inkontinenz beschäftigen mich bis jetzt, Monate nach der OP.
Im Februar steht eine große Nachsorgeuntersuchung an und ich mache mir Sorgen, dass nicht alles erwartungsgemäß verheilt ist. Richtig verstehen können das wahrscheinlich nur Betroffene, weswegen ich sehr hoffe, mit meiner Geschichte Frauen zu erreichen, die etwas Ähnliches erlebt haben. Doch eines steht für mich fest: Ich bin immer noch eine Frau, die gleiche wie zuvor, vielleicht sogar etwas stärker.”
Du möchtest gerne mehr über Andrea erfahren und weitere Fotos aus ihrem Projekt sehen? Dann schaue doch auf ihrem Instagram-Profil @ballena79 vorbei! Sie würde sich besonders über den Austausch mit anderen Betroffenen freuen, also schreibe ihr dort gerne eine Nachricht oder melde dich unter [email protected].
Liebe Andrea, vielen Dank, dass du uns deine Geschichte anvertraut hast. Wir wünschen dir und deiner Familie alles Liebe für die Zukunft!
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WIR FREUEN UNS AUF DEINE GESCHICHTE!
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