Länger Leben: Späte Schwangerschaft statt Gemüse und Sport?

Ich war schon relativ alt, als ich meinen Sohn bekommen habe, nämlich 36. Manchmal finde ich das ideal. Ich hatte nicht mehr das Gefühl, etwas zu verpassen. Ich konnte jeden Schritt sehr bewusst genießen, weil ich schon erfahren hatte, dass Leben nicht selbstverständlich ist.

Manchmal aber finde ich es richtig ätzend, dass ich bei seiner Geburt nicht jünger war. Wäre doch cool gewesen, auch noch die Urenkel zu erleben. Falls er überhaupt Kinder bekommen möchte… Aber am Ende ist es halt, wie es ist.

Und vielleicht hat die späte Schwangerschaft ja auch noch einen handfesten Vorteil:

Ich lebe länger! Also, vielleicht…

Statistisch betrachtet. Irgendwie. Oder so. Forscher der Boston University School of Medicine haben einen Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt der Schwangerschaft und der Lebensdauer der Mutter entdeckt. Sie nahmen Familiengeschichten unter die Lupe und stellten unter anderem fest: Unter den Müttern, die bei der Geburt ihres letzten Kindes schon älter als 33 Jahre alt waren, wurden auffallend viele Frauen 95 Jahre oder älter. Schon in früheren Studien wurde bereits Ähnliches für Mütter festgestellt, die mit 45+ noch ein Kind bekamen.

Sind also nicht Vollkornknäcke, Paprika und stilles Wasser DER Garant für ein langes Leben, sondern dass ich schön lange warte, bis ich schwanger werde? Nö, das funktioniert dann wohl doch eher nicht. Die Spätgebärenden wurden nicht unbedingt deshalb älter, weil sie sich soviel Zeit gelassen hatten. Eher wird umgekehrt ein Schuh draus: Dass es bei ihnen so spät noch geklappt hat, mit dem Baby, liegt wohl daran, dass die Frauen gute Gene hatten.

Ein paar offene Fragen gibt es allerdings noch

Ob sich nicht doch auch die späte Geburt selbst irgendwie auswirkt, wird deshalb gerade erforscht. Seit einiger Zeit gelten die sogenannten Telomere als der heißeste Sch*** in der Altersforschung. Das sind die Schutzkappen an den Chromosomenenden. Sie schützen vor Schäden, werden aber bei jeder Zellteilung kürzer. Und im Laufe unseres Lebens teilen sich die Zellen ganz schön oft. Das beeinflusst unter anderem das Risiko für Diabetes, Krebs und andere Erkrankungen, die das Leben verkürzen können. Ganz knapp gesagt: Je länger die Telomere, desto mehr Zeit bleibt uns im Idealfall noch (vom Auto können wir natürlich trotzdem überfahren werden).

Bei vielen der Spätgebärenden wurden längere Telomere festgestellt. Vielleicht entpuppt sich die späte Geburt also doch noch als Wundermittelchen, dass die Telomere wieder verlängert. Es ist aber eben auch sehr gut möglich, dass die Telomere dieser Frauen von vornherein länger waren, als die von Geschlechtsgenossinnen ihrer Altersgruppe. Und selbst, wenn sich eine positive Auswirkung feststellen ließe, wäre das kein Plädoyer für die späte Geburt. Zum einen ist das Risiko hoch, dass es dann gar nicht mehr klappt, zum anderen liegen Umstände und Zeitpunkt einer Schwangerschaft sowieso (leider) nicht immer in unserer Hand.

Jana Stieler

Ich lebe mit Mann und Sohn im Süden Hamburgs – am Rande der Harburger "Berge" (Süddeutsche mal kurz weghören: Der höchste Punkt misst immerhin sagenhafte 155 Meter ü. M.). Wenn ich nicht gerade einen Text verfasse, liebe ich Outdoor-Abenteuer mit meiner Familie, lange Buch-Badewannen-Sessions mit mir allein und abendliches Serien-Binge-Watching.

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