Schon bevor ein Baby auf die Welt kommt, geht es los. Eine Menge Leute haben Tipps und Ratschläge, was ein Baby anziehen muss, wie man es richtig erzieht oder wann der richtige Zeitpunkt für wichtige Meilensteine ist. Also schnell Zettel und Stift zücken! Oder?
„Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen.“ Dieses oft zitierte Sprichwort lese ich mit gemischten Gefühlen. Auf der einen Seite bin ich der Meinung, dass es einem Kind gut tut, mit vielen Menschen Kontakt zu haben. Es fördert die Offenheit, das Selbstbewusstsein und den Spaß – schließlich hat jeder andere Ideen für tolle Spiele und Lieder. Meine zweieinhalbjährige Tochter freut sich immer, wenn meine Freundinnen oder die Großeltern zu Besuch kommen. Sie geht auch gerne in die Krippe – und das finde ich toll!
Auf der anderen Seite habe ich mich seit ihrer Geburt in vielen Situationen auf eine einsame Insel gewünscht – weg von all den ungefragten Erziehungstipps. Mitnehmen würde ich nur meine Kleine und den Papa. Und Windeln. Und jede Menge Kinderbücher, Seifenblasen, Knabberkram… Nee, zu aufwändig. Die Insel ist dann doch nicht meine Ideallösung. Es ist nur so: Noch nie in meinem Leben habe ich ungefragt so viele Ratschläge und Kommentare bekommen – und denen würde ich liebend gerne entfliehen.
Nur ein paar Beispiele:
„Dann muss man sie eben mal ein bisschen schreien lassen!“
DER Klassiker, von einem Freund der Familie, als ich auf einer trubeligen Feier mal kurz mit meinem weinenden Baby auf dem Arm raus gehe.
„Könnten Sie bitte Ihr Kind zudecken? Kinder müssen IMMER etwas um sich gewickelt haben.“
Eine mir völlig unbekannte Dame in der Bahn bei 30 Grad im Sommer. Meine Tochter lag mit durchgeschwitzten Haaren im Kinderwagen.
„Ich glaube ja, DU möchtest das insgeheim so. Das würde ich nicht mitmachen!“
Eine Bekannte, der ich besorgt erzählte, dass meine Tochter schlecht isst und mit anderthalb Jahren noch hauptsächlich von Fläschchennahrung lebt.
„Ihr wollt schon gehen? Sie ist doch noch bombig drauf!“ Verschiedenste Absender, wenn wir abends unsere völlig überdrehte Maus einpacken, um nach Hause zu fahren.
„Mein Gott, ihr sitzt aber auch auf diesem Kind!“
Kommentare von Verwandten, als ich sage, dass ich lieber selbst bei meinem kranken Kind bleiben möchte.
„Wenn ihr ihr Süßigkeiten verbietet, wird sie sich später bei anderen damit voll futtern!“
Verwandte, als wir sagen, dass wir nicht möchten, dass sie unser Baby mit Torte füttern.
Ich weiß selbst, dass ich vor der Geburt meiner Tochter nicht so empfindlich und leicht zu provozieren war. Natürlich möchte ich alles richtig machen als Mama (ha, ha, sehr realistisch!), deshalb sind die vielen Kommentare und Erziehungstipps auch immer ein Angriff auf mein Selbstverständnis als Mutter.
Und bitte versteht mich nicht falsch. Ich meine mit den ungewünschten Kommentaren ganz sicher nicht die vielen wertvollen Erfahrungen, die Mama-Freundinnen oder andere erfahrene Frauen mit mir geteilt haben. Die besten Schlafsäcke, tolle Inspirationen für ein schönes Abendritual oder ein charmanter Umgang mit der Trotzphase – ich bin von Herzen für die Hilfe dankbar!
Es geht mir im Gegensatz dazu um Entscheidungen, die man für das Kind und die Familie wohl überlegt trifft und die der eigenen Vorstellung einer guten Erziehung am ehesten entsprechen. Wie das Thema Süßigkeiten oder das Ruhebedürfnis. Es geht mir um die Dinge, die keinen etwas angehen –und die Mama und Papa einfach am besten wissen.
Denn, und diese Botschaft ist mir wichtig: Jedes Kind ist anders! IHR kennt euer Kind am besten. Und habt garantiert das richtige Bauchgefühl, wie es ihm geht und was für euer Familienleben am besten funktioniert. Nehmt euer Baby in den Arm, wann immer ihr denkt, dass es das braucht. Lasst euer Kind so lange bei euch im Schlafzimmer übernachten, wie es sich für alle gut anfühlt. Hört auf euren Instinkt, wenn es um den richtigen Zeitpunkt fürs Abstillen, Töpfchentraining oder das erste Wochenende bei den Großeltern geht.
Es ist mir am Anfang super schwer gefallen, mit den vielen nervigen Ratschlägen umzugehen, aber mit der Zeit habe ich mir ein etwas dickeres Fell zugelegt: Freundlich lächeln – und es dann doch so machen, wie ich es für richtig halte. Meistens klappt das ganz gut.
Und unsere Tochter? Die ist grundentspannt, gesund, offen und isst gut – auch mal ein Stück Schokolade.