Alkohol in der Schwangerschaft: Mehr geschädigte Kinder als angenommen

Fetale Alkoholspektrumstörung“ (FASD) nennt sich das, was eine Gruppe Wissenschaftler in München erforscht haben. Was so unpersönlich und abstrakt klingt, kann eine ganze Welt zerstören, macht ganzen Familien das Leben schwer.

Die Rede ist nämlich von den Folgen eines Alkoholkonsums während der Schwangerschaft. Dass auch „das eeeeine Gläschen Wein“ nicht unbedingt gut für das ungeborene Leben ist, ist wohl jedem klar. Dennoch wird die Gefahr gerne unterschätzt, ebenso wie die Zahl der Betroffenen.

„Für Deutschland wurden die Zahlen bisher unterschätzt“, so Ludwig Kraus, Leiter der Studie des Münchner Instituts für Therapieforschung (IFT). Eine Statistik zu erstellen, sei sehr schwierig, weil es keine Meldepflicht gebe. Außerdem würde die Störung oft erst später oder sogar gar nicht entdeckt: „Es gibt viele FAS- oder FASD-Fälle, die nicht erkannt sind. Viele Kinder haben die Störungen, aber sie sind nicht als diese Störungen diagnostiziert.“

Trotzdem haben er und sein Team Zahlen gewälzt und Fälle geprüft. Am Ende stand eine Zahl, die alarmierend ist. Im Jahr 2014 sollen in Deutschland mehr als 12.500 Kinder mit einer FASD geboren worden sein. Knapp 3.000 davon leiden am Fetalen Alkoholsyndrom, der vollen Ausprägung.

Dass das Leben für diese Kinder eine große Herausforderung ist, muss jedem klar sein. Die Symptome reichen von Kleinwüchsigkeit, Fehlbildungen im Gesicht bis zu psychischen Störungen. Die Motorik funktioniert nicht so, wie sie es sollte, Verhaltensstörungen und eingeschränkte Lernfähigkeit sind die Regel.

Manche Kinder zeigen erst im Laufe ihrer Entwicklung die Folgen des Alkoholkonsums ihrer Mama. Symbolbild. Foto: Bigstock

Was das im Alltag bedeutet, das wissen vor allem Eltern, deren Kinder genau diese Symptome aufweisen, so wie die Eltern von Lucy*. Lucy ist ihr Pflegekind, deren leibliche Mutter ist inzwischen schon ziemlich lange aus ihrem Leben verschwunden.

Lucy zwar schon fünf, ihre geistigen Fähigkeiten sind allerdings noch lange nicht so weit wie die von Gleichaltrigen. Ein Puzzle zu lösen, das ist für sie beispielsweise unmöglich. Noch geht sie in den Kindergarten, was danach kommt, wissen ihre Eltern noch nicht. Noch hoffen sie darauf, dass Lucy mit erhöhtem Förderbedarf – und einer eigenen Pädagogin – in eine normale Grundschule gehen darf.

Viel mehr quälen sie aber die kleinen, tagtäglichen Situationen. Sie können Lucy außerhalb ihrer Wohnung keine Sekunde aus den Augen lassen. Zu groß ist das Risiko, dass sie Blödsinn macht, unabsichtlich wegrennt oder sich verletzt.

Auf dem Spielplatz sind sie ständig dabei, ihrer Tochter zu helfen, beim Klettern, beim Rutschen, beim Spielen im Sandkasten. Sie helfen auch, wenn es um soziale Kontakte geht, denn Lucy tut sich schwer damit, mit anderen Kindern zu kommunizieren oder Empathie zu zeigen.

Lucys Mutter musste ihren Job aufgeben, um sich um sie kümmern zu können. Seitdem ist es auch finanziell manchmal etwas eng. Obwohl es oft schwierig ist, liebt sie ihre Tochter über alles: „Sie ist doch unser kleiner Sonnenschein!“

Was ihre leibliche Mutter ihr angetan hat, ist ihr wahrscheinlich gar nicht bewusst. Viele Frauen sind sich nicht darüber im Klaren, welche Folgen es hat, wenn sie in der Schwangerschaft ab und zu einen über den Durst trinken.

Laut Studien machen das in Deutschland nämlich rund ein Viertel der Schwangeren! Dabei muss es aber nicht immer zu FASD oder FAS kommen: „Andere mögliche Konsequenzen sind unter anderem Totgeburten, Fehlgeburten, verfrühte Geburten, verringertem Fötuswachstum während der Schwangerschaft und geringes Geburtsgewicht.

Deshalb plädiert Ludwig Kraus auch dafür, dass es an der Zeit sei, Maßnahmen zu ergreifen: „Die schädlichen Folgen von Alkohol auf andere müssen als ein öffentliches Gesundheitsproblem erkannt werden, genau wie die schädlichen Folgen auf den Trinkenden und die Kosten für die Gesellschaft. (…) Unsere Ergebnisse zeigen, dass wir unbedingt effektive Prävention brauchen!“

Er schlägt vor, Alkohol höher zu besteuern, Werbung für alkoholische Getränke zu limitieren und den Alkoholkonsum von Frauen bei Arztbesuchen zum Thema zu machen.

 

*Echter Name der Redaktion bekannt

Rebecca

Schon seit rund einer Dekade jongliere ich, mal mehr, mal weniger erfolgreich, das Dasein als Schreiberling und Mama. Diese zwei Pole machen mich aus und haben eines gemeinsam: emotionale Geschichten!

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