Wir lesen es seit Monaten, wir sehen es im Fernsehen – und im schlimmsten Fall erleben wir es bei uns zu Hause: Kinder und Jugendliche leiden in der Pandemie enorm.
Unter dem Motto „Kinder brauchen mehr/Jugend braucht mehr“ haben sich jetzt fünf Verbände von Kinder- und Jugend-Psychotherapeuten, -Psychiatern und -Ärzten zusammengetan, wie u.a. die FAZ berichtet.
Und die rund 60.000 Mitglieder dieses Bündnisses berichten aus ihrem Alltag:
Seit dem zweiten Corona-Lockdown erleben sie vermehrt Angst- und Schlafstörungen, Depressionen, Zwangs- und Essstörungen, selbstverletzendes Verhalten und Suizidalität bei ihren jungen Patienten.
Die Anfragen nach Psychotherapien hätten sich massiv erhöht – und dagegen gäbe es viel zu wenige freie Therapie-Plätze.
Deswegen fordern sie von den Politikern, dem Leiden von jungen Menschen in der Corona-Krise mit einem schnellstmöglich mit einem Maßnahmenpaket zu begegnen.
Gestern abend kam das Bündnis zu einer Online-Diskussionsveranstaltung zusammen. Benedikt Waldherr, Vorsitzender des initiierenden Bundesverbands der Vertragspsychotherapeuten (BVVP), klagte an, dass Unternehmen bei der Pandemiebekämpfung eher wenig, die Schulen hingegen stark in die Pflicht genommen würden.
„Eines muss man sagen: Wir schlagen Alarm! Wir sind der Meinung: Auch Kinder und Jugendliche sind systemrelevant.“
Studien untermalen die Berichte der Experten. In einer Umfrage der Uniklinik Regensburg unter mehr als 400 Ärzten, Psychiatern und Therapeuten beispielweise gab ein Drittel der Befragten an, dass die Probleme von Kindern und Jugendlichen „extrem bis sehr deutlich“ zugenommen hätten.
Und sogar mehr als die Hälfte der Befragten berichtete, dass sie deutlich mehr Notfall-Anfragen erreichten. Denn weitere Folgen des Lockdowns sind eine Zunahme von häuslicher Gewalt, von Belastung durch Geschwisterkonflikte und von Zukunftsängsten. Extrem viele Kinder reagierten auf diese Situationen mit Depressionen, selbstverletzendem Verhalten oder Zwangs- und Essstörungen.
Deswegen müsse etwas passieren!
Das Bündnis stellte klare Forderungen: So soll z. B. ein Kinder- und Jugendrat eingerichtet werden, Sport- und Kulturangebote für Kinder und Jugendliche unter Einhaltung der AHA-Regeln gefördert werden und ein professionelles Hilfe-Telefons für junge Menschen in Not eingerichtet werden.
Die Verbandsvertreter betonten, dass es ihnen sicher nicht darum gehe, die Corona-Toten gegen die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen aufzurechnen!
„Aber wir müssen handeln.“ Und zwar nicht nur in der Form, auf den versäumten Schulstoff zu schauen. Es brauche Maßnahmen „jenseits von Leistungsorientierung“.
Um die Wichtigkeit dieses Thema zu betonen, berichteten die Ärzte und Psychologen über ihren Praxisalltag in der Pandemie. Dazu gehörten ein vermehrter Drogenkonsum unter den Jugendlichen, die Angst vieler Kinder, nach Monaten wieder in den Präsenzunterricht zurückzumüssen oder auch körperliche Probleme. Bei manchen Kindern blieben wichtige Entwicklungsschritte aus, andere nähmen stark zu. Ein zwölfjähriger Junge etwa bringe heute 16 Kilogramm mehr auf die Waage als zu Beginn des ersten Lockdowns im vergangenen März.
Kein Politiker nahm an der digitalen Diskussion teil.
Das bedauerte das Bündnis sehr und hoffte auf baldige Kommunikation. Der Dialog sei von Seiten der Ärzte und Therapeuten eröffnet und müsse weitergehen.